Druckartikel: Samba-Festival in Coburg: Der Countdown läuft...

Samba-Festival in Coburg: Der Countdown läuft...


Autor: Ulrike Nauer

Coburg, Freitag, 04. Juli 2014

In knapp einer Woche verwandelt sich Coburg wieder in Samba-City. Infranken.de warf einen Blick hinter die Kulissen, wo sich langsam kreative Hektik breitmacht.
Nächsten Freitag geht's los. Drei Tage lang ist Coburg dann wieder Samba-City. Foto: CT-Archiv


"Du stehst auf der Titanic und wenn der Eisberg kommt, kannst du gar nichts mehr machen." So in etwa fühlt es sich für Sambaco-Chef Christof Pilarzyk an, wenn das Sambafestival in Riesenschritten näher kommt. Knapp eine Woche ist noch Zeit, dann wird sich Coburg zum 23. Mal in Samba-City verwandeln - Eisberg hin oder her.
Doch von Untergangsstimmung kann an diesem Freitagmorgen im Sambaco-Büro in der Rodacher Straße überhaupt nicht die Rede sein. Dem unbeteiligten Zuschauer mag das Gewusel in der Enge der bunt gestrichenen Büroräume chaotisch vorkommen, doch alles hat System, kreative Hektik sozusagen. "Alles, was bisher nicht geklärt wurde, wird jetzt abgefragt", erklärt Christof Pilarzyk das ständig klingelnde Telefon. Da sagt vielleicht die eine oder andere Gruppe noch schnell ab oder der Chef der Kassen kommt vorbei und will Bändchen abholen.

Und mittendrin noch ein Fernsehteam und eine Zeitungsreporterin, die Pressesprecher Andi Ebert über die Vorbereitungen ausfragen.

Nicht alles ist Routine

Seit 23 Jahren sind Christof Pilarzyk und der zweite Chef im Bunde, Rolf Beyersdorf, praktisch das Sambafestival. Angefangen hatten sie seinerzeit mit vier bis fünf Mitarbeitern, heute besteht das Team aus gut 50 Leuten. Klar, dass nach so vielen Jahren ein großer Teil Routine ist. "Vielleicht 80 Prozent", schätzt Pilarzyk. "Aber 20 Prozent sind immer neu, eine dynamische Entwicklung eben."

Gab es in all den Jahren denn nie den Moment, wo er gern alles hingeschmissen hätte? Pilarzyk winkt ab. "Wenn man wirklich keinen Bock mehr hat, dann hört man besser gleich auf." Wenn man ihn aber vom "allübergreifenden Glücksgefühl" schwärmen hört, das irgendwann alle Besucher des Sambafestivals erfasst, dann glaubt man ihm gerne, dass er noch nie einen solchen Null-Bock-Moment erlebt hat.

Auch bei Rolf Beyersdorf, der inzwischen dazugekommen ist, ist die Begeisterung ungebrochen. Vor der Kamera von Oberfranken TV erzählt er von den "Top-Leuten aus Brasilien", die gerne nach Coburg kommen, vom "sensationellen Programm mit über 30 Bands und Shows" und - im Hinblick auf die Fußball-Weltmeisterschaft - dass Fußball und Samba genauso zusammengehören wie Bratwurst und Bier.

Klar, auch ihn koste die Vorbereitung Energie. Schließlich sei das Sambafestival alles andere als ein Selbstläufer. "Man darf nie stehenbleiben. Man muss viel mit den Gruppen reden, viele Kontakte knüpfen." Und jedes Jahr soll den Festival-Besuchern etwas Neues geboten werden. Deshalb kommen zu den "gesetzten Gruppen" immer zehn bis 15 Newcomer dazu. "Samba-Punk aus Paris ... Samba-Reggae ... so entstehen teilweise komplett neue Rhythmen in Coburg", sagt Beyersdorf.

Engagement für die Ärmsten

Seiner Frau Nini liegt als gebürtiger Brasilianerin der Samba im Blut. Doch am Herzen liegt ihr noch etwas ganz anderes: "Samba ist eine Volkskultur", erzählt sie im Gespräch, das sie lieber im idyllischen Garten hinter dem Haus führt als in der Hektik des Büros. "Aber im Volk gibt es so viele Menschen, denen es nicht gut geht." Seit vielen Jahren gehört deshalb auch das Engagement für ihr Heimatland zum Sambafest dazu. Ob es nun das Schul-Projekt von Ex-Bayern-Star Giovane Elber ist oder das Kinderdorf in Rio, das unterstützt wird, "es macht mich glücklich, solche Projekte zu haben", sagt die Künstlerin.

Seit gut fünf Jahren engagiert sich Sambaco für das Kinderdorf-Projekt, das sich hauptsächlich um Mütter in den Favelas kümmert. "Die bittere Armut geht immer weiter nach unten, während die Oberschicht immer reicher wird", kritisiert Nini Beyersdorf. Die Politik in Brasilien kümmere sich nicht darum. "Aber jedes Kind, das verhungert, ist eine Schande."

Einsatzbesprechung

Ortswechsel - vom Garten in den Besprechungsraum bei der Coburger Polizei. Andi Ebert und Markus Reißenberger, die beiden Pressesprecher von Sambaco und der Polizei, haben noch so einiges zu klären, was das Thema Fußball-Weltmeisterschaft und Sambafest angeht. Hier hängt allerdings alles davon ab, wie die Viertelfinalbegegnung am Freitagabend zwischen Deutschland und Frankreich ausgegangen sein wird.

Vorausgesetzt, Deutschland ist eine Runde weiter, wird es auch am Sambawochenende Public Viewing in der Innenstadt geben. Kommt Deutschland ins Finale, wird dieses am Sonntag ab 21 Uhr auf der großen Schlossplatz-Bühne übertragen. Sollte Deutschland am Samstag aber "nur" um Platz drei spielen, gebe es kein Public Viewing am Schlossplatz, sagt Andi Ebert. Markus Reißenberger findet das gut. "Das wäre für uns sonst ein Problem gewesen, denn im Josiasgarten wird das Spiel ja auch übertragen."

Andi Ebert zückt sein Handy, eigentlich sollten auf der Bühne im Josiasgarten doch Sambagruppen spielen. Rolf Beyersdorf klärt auf: Es gibt eine Leinwand vor dem Bürglaßschlösschen für die Fußballfans und die Bühne im Garten für Sambafans. Während das Spiel läuft, pausiert die Musik. "Aber", so betont Beyersdorf, "Samba ist und bleibt der Schwerpunkt".

Sprayende Leidenschaft

Noch einmal Ortswechsel - zu Sprayer Alex. Ein paar lange Nächte hat er schon hinter sich, wie er erzählt. Und die eine oder andere wird noch folgen, bis es am kommenden Freitag losgeht. Ein riesiges Transparent mit einer Sambatänzerin, das an einem der Coburger Stadttürme angebracht werden soll, muss noch fertig gesprayed werden. Außerdem sind Materialien abzuholen, weitere Transparente und Hinweisschilder fertigzustellen und der überdimensionale Samba-Pokal, der schon bei Faschingsumzügen zum Einsatz kam, muss dringend repariert werden. "Ein Gabelstapler hat ihn beschädigt", erzählt Alex, die Bauschaum-Dose in der Hand. Mit dem Füllmaterial lässt sich der Riss in der güldenen Papp-Ummantelung hoffentlich richten.

Für ihn sei das Sambafest reine Arbeit. Als "trommelnden Samba-Freak" sieht er sich nicht, perfektionistisch sei er aber doch, wenn's um die Ausstattung geht. "Da bin ich nicht mit 100, sondern mit 150 Prozent dabei."
Für Alex hieß es dann gestern Abend ganz besonders: Daumen drücken, dass die Deutschen ins Halbfinale kommen. Denn für die vielen Helfer hat er extra Trikots angefertigt - 430 Stück, natürlich handgedruckt.