Sexueller Missbrauch bei Massage? Zeugin will nicht mehr aussagen
Autor: Katja Nauer
Coburg, Montag, 18. Juli 2016
Einem Masseur aus dem Landkreis Coburg wirft die Staatsanwaltschaft sexuellen Missbrauch an fünf Frauen vor. Im Gerichtssaal wurde es am Montag laut.
"Er hat eine normale Massage gemacht, fertig, aus": Mit diesen Worten wollte sich die Schwester einer der fünf Frauen, die ein 63-jähriger Masseur in seiner Massagepraxis im Landkreis Coburg unter Ausnutzung seines Vertrauensverhältnisses sexuell missbraucht haben soll, einer Zeugenaussage entziehen. Die Frau hatte damals vor der Polizei eine Aussage gemacht, die sie am Montag am mittlerweile vierten Verhandlungstag vor der Ersten Großen Strafkammer am Landgericht allerdings nicht mehr wiederholen wollte.
Das wollte der Vorsitzende Richter, Christoph Gillot, der Zeugin nicht durchgehen lassen: "Es gilt das Mündlichkeitsprinzip", belehrte er sie, "Sie haben die Pflicht auszusagen." Die Zeugin beharrte allerdings darauf, nicht aussagen zu wollen. "Er hat ihr geholfen und fertig", wiederholte sie mehrmals beharrlich - trotz Christoph Gillots immer ernsterem Tonfall. "Sie müssen aussagen, sonst machen Sie sich strafbar", erklärte er. Ein Zeugnisverweigerungsrecht gäbe es nicht. Auch als sich Staatsanwältin Jana Huber einschaltete und der Frau schließlich scharf mit der Festnahme durch die Polizei und Beugehaft drohte, blieb es bei der Weigerung. "Macht, was Ihr wollt, sperrt mich ein, zehn, 20 Jahre, ich sage dazu nichts mehr", erwiderte die Frau.
Zum Zerreißen gespannt
Die Situation im Gerichtssaal war zum Schneiden gespannt, es wurde laut: Erst als Gillot die Aussageverweigerung der Zeugin schriftlich aufnehmen ließ und sie auf die Frage zu ihrem Verhältnis zur Hauptbelastungszeugin doch antwortete, entspannte sich die Situation. "Ja", gab die Zeugin schließlich zu, ihre Schwester habe ihr erzählt, dass der 63-jährige sie mit dem Finger penetriert habe. "Aber", sagte sie, "er hat sie gefragt, ob er das machen darf." An fünf Frauen soll der Angeklagte 2015 laut Staatsanwaltschaft sexuelle Handlungen vorgenommen haben und dabei sein Behandlungs- und Vertrauensverhältnis massiv missbraucht haben. Zu einer Patientin soll er sich zudem auf die Massageliege gelegt und versucht haben, den Geschlechtsverkehr zu vollziehen, so die Anklage. Bei der minderjährigen Tochter der Frau, die unter Rückenschmerzen litt, soll er eine Brustmassage durchgeführt haben.
Der Mann ist wegen ähnlicher Delikte bereits vorbestraft: Im Jahr 2009 musste sich der Masseur wegen sexuellen Missbrauchs in insgesamt 23 Fällen, darunter auch sexuellem Missbrauch von Kindern in mindestens einem Fall, verantworten. Das Gericht ahndete die Taten mit vier Jahren Freiheitsstrafe und einem Berufsverbot. Für Anwalt Alexander Schmidtgall war diese Tatsache der Grund, immer wieder nachzuhaken: Haben die Zeuginnen, darunter die Hauptbelastungszeugin, die zusammen mit ihrer Tochter als Nebenklägerin auftrat, von der Verurteilung gewusst?
Sexueller Übergriff
Die Frau entband ihren behandelnden Psychologen von der Schweigepflicht. Sie habe sich Vorwürfe gemacht, ihre Tochter mit zu einer Behandlung bei dem Masseur genommen zu haben, sagte der Psychologe aus. Er habe die Frau nach der Tat zwei Monate lang in der offenen Psychotherapie stationär einer Klinik behandelt. Die Patientin habe ihm von dem sexuellen Übergriff berichtet, erklärte der Zeuge. Sie habe unter den Folgen des Ereignisses stark gelitten, Schlafstörungen gehabt und sei in Angst aufgelöst gewesen. Der Psychologe diagnostizierte eine Depression und eine akute Belastungsreaktion. Er räumte aber ein, dass die Frau, die nach der Geburt der Tochter 2001 fünf Jahre lang in nervenärztlicher und psychotherapeutischer Behandlung war, auch vorher schon depressiv gewesen sei. Beide Kinder der Frau litten unter einer Behinderung, erzählte er, und die Mutter habe sich alleine um sie kümmern müssen. Die Beziehung zum Vater der Kinder sei gescheitert.
Das Verhältnis zu Männern?
Immer wieder hakte der Anwalt des Angeklagten nach: Ob ihr Verhältnis zu Männern thematisiert worden sei? Ob die Frau, die mittlerweile mit einer Frau zusammen lebt, Männern gegenüber generell eher vorsichtig eingestellt sei? Das verneinte der Psychologe: Er habe keinen Hinweis auf sexuellen Missbrauch durch Vater oder Ehemann. Auch die sexuelle Orientierung seiner Patientin sei kein Thema gewesen. Als Therapeut habe er die anfängliche Zurückhaltung der Frau, sich zu öffnen, als fehlendes Vertrauen gegenüber Menschen gesehen, nicht gegenüber Männern.Am Freitag, 22. Juni, wird das Urteil gesprochen.