Rollstuhl und Tanz? Doch, das geht!
Autor: Berthold Köhler
Seßlach, Samstag, 13. Oktober 2012
Corinna Frerichs und Thomas Schuler sind im Rollstuhltanz in ganz Europa unterwegs und feiern inzwischen beachtliche Erfolge - so holten sie sich bereits den Deutschlandpokal.
"Rollstuhltanzen?" Wenn Corinna Frerichs von ihrem Hobby erzählt, muss sie immer erst einmal mit Missverständnissen aufräumen. Denn die Rückfragen kommen sofort: "Wieso denn das? Du sitzt doch gar nicht im Rollstuhl!" Tut sie nicht! Aber seit einem guten halben Jahr bildet die Seßlacherin zusammen mit ihrem Partner Thomas Schuler ein nicht alltägliches, aber erfolgreiches Tanzpaar - er im Rollstuhl, sie zu Fuß.
Die Idee zu dieser ungewöhnlichen Tanz-Disziplin hatte die 29-Jährige. Schon als Schülerin tanzte sie begeistert, als Turniertänzerin sammelte sie erste Erfahrungen und Erfolge. Bis ihr damaliger Tanzpartner nach dem Abitur die Region verließ. "Lange Zeit lag mein Hobby brach", berichtet Frerichs, die viele noch als Seßlacher Christkund kennen. Aber es kribbelte noch immer...
Als sie Thomas Schuler kennen- und lieben lernte, schien er ihre Tanzbegeisterung kaum teilen zu können. Der 30-Jährige ist seit seiner Geburt gehbehindert. Und auch wenn er im Alltag mit einer Gehhilfe auskommt, so reichte es fürs Tanzen nicht: "Thomas meinte immer, er könne ja nicht", erinnert sich Corinna Frerichs.
Schließlich schlug Corinna ihrem Thomas vor, für den Tanzsport den Rollstuhl zur Hilfe zu nehmen: "Es gibt viele, etwa in den Ballsportarten, die mit Gehhilfen gehen oder selbst ohne laufen können, aber für den Sport auf das Hilfsmittel Rollstuhl zurückgreifen." Als Zuschauer reiste das Paar erstmals zu einem Turnier, um sich das Zusammenspiel zwischen dem Tänzer im Rollstuhl und dem Tänzer auf zwei Beinen anzusehen. Beide waren begeistert.
Trotz ihrer noch relativ jungen Karriere als Tanzpaar traten Corinna und Thomas bereits bei Turnieren an. Erst vor wenigen Tagen tanzten sie beim international besetzten Turnier des Tanzsportclubs Blau-Orange in Wiesbaden - einem der wichtigsten Turniere in Deutschland. Just dem Turnier, bei dem sie im vergangenen Jahr noch Zaungast waren. Wie bei "normalen" Tanzturnieren gab es in Wiesbaden je eine Wertung in den Standard- und in den Lateintänzen, außerdem ein separates Discofox-Turnier. 40 Tanzpaare aus fünf Nationen beteiligten sich.
Deutschlandpokal gewonnen
Abhängig vom Grad der Behinderung wird bei den Rollstuhltänzern in zwei Klassen gewertet, nicht nach Anfängern und Leistungsklasse. Die Anfänger belegten in ihrer Klasse Latein 2 bei ihrem erst dritten Turnier den zweiten Platz (von fünf Paaren) und mussten sich nur einem erfahrenen Geschwisterpaar aus Belgien geschlagen geben. Schon bei ihrem ersten Wettbewerb hatten Frerichs/Schuler im niederländischen Cuijk auf Anhieb das Halbfinale erreicht und in Rheinsberg bei Berlin im April den Deutschlandpokal gewinnen können.
Auch wenn es in diesem bisher noch recht unbekannten Sport höchstens drei Turniere pro Jahr gibt, trainieren die beiden Turniertänzer drei- bis viermal pro Woche. Entweder auf einer kleinen Parkettfläche zuhause in Seßlach oder in der Turnhalle der Schule am Hofgarten. Dort ist Thomas Referendar und versucht in diesem Schuljahr, auch interessierten Schülern in einem Nachmittagskurs das "Rolli-Tanzen" beizubringen.
Corinna Frerichs und Thomas Schuler starten gemeinsam für den Tanzsportverein Rot-Gold-Casino in Fürth, weil sie in der Nähe sie keinen Verein fanden, der auch Rollstuhlsportler als tanzende Mitglieder hat und ein entsprechendes Training anbieten kann.
Bald geht es nach Malta
Den nächsten großen Wettbewerb haben Corinna und Thomas auch schon im Blick: Im November fliegen die beiden Tänzer nach Malta zu einem der größten Rolltanzturniere Europas. Im nächsten Jahr will das Paar beim Moskauer Turnier an den Start gehen. Dort werden sie mit einer Konkurrenz von bis zu 20 Paaren rechnen müssen. "Es ist ein internationaler Sport", sagt Corinna Frerichs. Das heißt: Man braucht nicht nur viel Zeit, sondern sieht sich auch hohen Kosten gegenüber.