Rödentaler Wehr für Zugunglücke ausgebildet
Autor: Rainer Lutz
Rödental, Montag, 02. Dezember 2013
Mehr Bahnverkehr durch die Region bringt auch mehr Risiken. Die DB-Netz AG bildet vor Ort Feuerwehrkräfte für den Umgang mit Chemieunfällen aus.
Mit leisem Plätschern rinnt eine klare Flüssigkeit aus einem etwa 20 Zentimeter langen Riss in einem Kesselwagen auf dem Bahnhof Oeslau. Die Beschilderung weist auf ein Gefahrgut hin. Die Feuerwehr ist alarmiert. Kreisbrandrat Manfred Lorenz und Kreisbrandmeister Stefan Zapf sind schon vor Ort. Die Stimmung ist entspannt. Es ist "nur" eine Übung.
In den vergangenen Tagen wurden die Einsatzkräfte der Rödentaler Wehr von Gefahrgutspezialisten der Bahn an diesem speziellen Zug ausgebildet, der jetzt auf einem Nebengleis steht und tropft. "Ausbildungszug Gefahrgut der DB Netz AG - Notfalltechnik" lautet der volle Name des Ungetüms, das aus drei Waggons besteht. Ein Personenwagen wurde zum Unterrichtsraum umfunktioniert - für die Theorie. Dahinter hängt ein Ausbildungswagen. "Da sind alle Ventile und Bedienelemente dran, die es an den verschiedenen Wagentypen gibt, die im Einsatz sind", erklärt Stefan Zapf.
ADR-Gefahrzettel, UN-Nummer, Gefahrnummer oder Klassifizierungscode sind Begriffe, die Gefahrgut-Spezialisten kennen müssen. Sie verraten ihnen, womit sie es im Einsatz zu tun haben. Wie sie mit dem Waggon umzugehen haben, wurde ihnen in den vergangenen Tagen vermittelt. In einem rasch aufgebauten Zelt bereitet sich der Einsatztrupp vor. Atemschutz wird angelegt. Inzwischen werden draußen die Infos über den Waggon ausgewertet. Stefan Zapf zieht die Brauen hoch: "Substituiertes Nitrophenol Pesitzid, da haben sie uns eine ganz schön harte Nuss zum Knacken gegeben." Für die aktiven Übungsteilnehmer kommen wichtige Informationen online über das "Einsatzleiter-Wiki". Stefan Zapf gibt weiter, was sein Tablet-Computer ausspuckt: "Gefährlich für Haut, Augen, Atemwege. Sehr giftig bei Verschlucken, Einatmen und Hautkontakt, Flammpunkt unter 60 Grad, leichter als Wasser. Die Dämpfe können unsichtbar sein und sind schwerer als Luft. Sie breiten sich am Boden aus und können in Kanalisation und Kellerräume eindringen..."
Nur im Schutzanzug
Für das Vorgehen wird Chemikalienschutzanzug CSA-Vollschutz angeordnet. "Wäre es keine Übung, müssten wir im Umkreis von 100 Metern absperren", sagt Zapf. Doch darauf kann bei der Übung verzichtet werden. Was da aus dem Waggon tropft, ist in Wirklichkeit reines Wasser.
An neun verschiedenen Stellen des Kesselwagens kann so ein Leck simuliert werden. In jedem Fall sind andere Maßnahmen erforderlich. Mit einer speziellen Plane rücken drei Männer in Schutzanzügen vor. Sie legen die Plane vor dem Wagen aus, werfen Leinen darunter hindurch. Zwei gehen auf die andere Seite und ziehen die Plane in Position. Dann wird sie aufgefaltet und am Wagen befestigt. Das alles geht nicht so schnell, wie man glaubt. Unter Atemschutz rennt es sich schon schwer hin und her.
Der noch darübergezogene Chemikalienschutzanzug behindert zusätzlich die Sicht, beschlägt ständig von innen, so dass die Männer nur mit äußerster Umsicht vorgehen können, damit sie weder stürzen, noch hängen bleiben und den Anzug beschädigen. Schließlich hängt die provisorische "Wanne" in Position. "Jetzt könnten wir Keile mit Lappen umwickeln und in das Leck schlagen, um es abzudichten", erklärt Stefan Zapf. Doch diesen Übungsabschnitt müssen die Männer nicht mehr bewältigen. Sie haben schon gezeigt, worauf es ankam.
"Diese Ausbildung und die abschließende Übung machen wir natürlich mit Blick auf den ICE, der ab 2017 durch die Region fahren wird", sagt Stefan Zapf. "Auf der ICE-Strecke werden ja auch eine Menge Güterzüge unterwegs sein und wir haben einen Überholbahnhof." Gerade beim Stopp auf solchen Überholbahnhöfen, könnte unter Umständen ein Leck entdeckt werden. Dann bleibt der Zug stehen und wird zum Problem der zuständigen Feuerwehr. Darauf sollen die Rödentaler Kräfte vorbereitet sein. Der Grundstock ist gelegt.
Nun gilt es, das Gelernte in weiteren Übungen zu vertiefen. Auch wenn Zapf vor allem hofft: "Dass wir das möglichst nie in einem Ernstfall anwenden müssen."