Urs Kroll aus Rödental trampte von Sibirien nach Berlin
Autor: Rainer Lutz
Rödental, Freitag, 07. Oktober 2016
Nach einem Jahr Studium an der Uni im sibirischen Tomsk trampte der 23-jährige Urs Kroll über mehr als 10.000 Kilometer nach Hause.
Wenn Urs Kroll unterwegs sein muss, dann trampt er. Studium an der Humboldt-Uni in Berlin? Kein Problem, vom Elternhaus im Rödentaler Stadtteil Weißenbrunn in die Hauptstadt wird getrampt. Ein Jahr Auslands-Studium im sibirischen Tomsk? Auch kein Problem, was nach Berlin geht, das geht auch nach Tomsk - und zurück natürlich erst recht. Gerade ist der junge Mann wieder in Weißenbrunn angekommen - um Erfahrungen reicher, die kein Flugreisender je erleben wird.
Eine echte Studentenstadt
Was Urs Kroll ausgerechnet nach Tomsk führte, ist rasch erklärt. Er begann nach seinem Abitur am Coburger Albertinum in Berlin die russische Sprache und Literatur zu studieren, auch Volkswirtschaft, ja, aber seine Liebe gehört der Sprache und Kultur des riesigen Landes im Osten. Aber gerade Tomsk? "Moskau wäre auch gegangen, aber ich wollte lieber nach Tomsk", stellt der 23-Jährige fest. Auf gut eine halbe Million Einwohner kommen in der sibirischen Stadt mehr als 85 000 Studenten. "Es ist eine richtige Studentenstadt, und ich dachte, dort komme ich mehr dazu, Russisch zu sprechen. In Moskau sind viel mehr Ausländer, da wird bestimmt mehr Englisch gesprochen", war seine Überlegung. Sie erwies sich als richtig. Nicht nur das. In Tomsk fand er eine ungeheuer vielfältige Kulturszene, jede Menge Freunde und vor allem viel Gelegenheit, seine Sprachkenntnisse auszubauen. Ein ganzes Jahr hatte er dafür Zeit. Zwei Semester an der Uni in Tomsk, die einen ausgezeichneten Ruf genießt. Die Russischkenntnisse, die er aus Berlin mitgebracht hatte, konnte er unter diesen Rahmenbedingungen erheblich verbessern.
Abenteuerliche Route
So fiel ihm die Entscheidung leicht, den Heimweg komplett als Tramper zu bewältigen. Bei der Anreise war er dann doch ab Moskau mit dem Zug weiter gefahren bis Sibirien. Jetzt ging er dagegen daran, Länder und Leute auf der Heimreise hautnah im wörtlichen Sinn zu erfahren. Rucksack, Schlafsack, Isomatte ... Was gehört noch dazu, um so einen Trip auf sich zu nehmen? "Es sind zwei Sachen, die man braucht, das sind Gelassenheit und Zuversicht", sagt er über eine Tour durch Länder, deren Namen manch anderem schon Grusel verursacht. Und über eine Reise, bei der am Morgen meist nicht feststeht, wo sie bis zum Abend hin führt und wo sich ein Platz zum Schlafen findet.Da braucht es ein gutes Quantum Zuversicht, dass es schon klappen wird. Es braucht aber eben auch die Gelassenheit, zu akzeptieren, wenn es dann nur eine Bank ist, die Ladefläche eines Lkw-Anhängers oder ein steiniger Strand am Kaspischen Meer, der als Nachtlager herhalten muss.
Türkei nach dem Putschversuch
Von Tomsk aus ging es nach Kasachstan und immer Richtung Süden bis Kirgisistan. Von da nach Westen im großen Bogen um Usbekistan herum an die kasachische Küste des Kaspischen Meeres. Mit dem Schiff hinüber nach Baku in Aserbeidschan. Über Georgien erreichte er schließlich die Türkei - zwei Wochen nach dem Putschversuch von Teilen des Militärs, der für allerhand Unruhe in dem Land sorgte. Probleme für den jungen Deutschen gab es deswegen nicht im geringsten.Unterwegs traf er andere junge Leute, die ebenfalls trampend unterwegs waren. "Die waren total nett", erzählt Urs Kroll. Gemeinsam mit den neuen Freunden besuchte er deren Freunde und knüpfte so immer weitere neue Verbindungen in die Türkei. Überhaupt fällt recht oft der Satz "dort habe ich Freunde besucht", wenn der junge Mann über seine Tour erzählt. Wohl eine Folge seiner Art zu reisen, die naturgemäß zu mehr Kontakten mit anderen Menschen führt, als jede andere Art der Fortbewegung.
So heißt es dann auch bei der Ankunft in Istanbul, "dort habe ich dann Bekannte besucht". Rund zwei Wochen blieb der Weltenbummler in der Türkei, lernte Land und Leute kennen und schätzen und begann sich auch dort für die Sprache zu begeistern. Wenn er seine Studien in Berlin fortsetzt, könnte es gut sein, dass er auch Türkisch belegt - jetzt, wo er so viele Kontakte in dem interessanten Land geknüpft hat.
Über Bulgarien und Mazedonien führte Urs Kroll sein Weg nach Albanien. Von Tirana aus ging es mit der Fähre hinüber ins italienische Bari. Der kurze Stopp in Rom diente - wie sollte es anders sein - dazu, Freunde zu besuchen. Der Rest der Reise ging stracks nach Norden und Richtung Studentenwohnung in Berlin. An sich auch schon eine bemerkenswerte Tour, die nur als Teil einer Gesamtstrecke von Tomsk bis Berlin ein wenig an Strahlkraft verliert. Fast schon nicht mehr nötig zu erwähnen, dass er zum Besuch der Eltern in Weißenbrunn natürlich auch getrampt ist.
Vortrag in Planung
Was Urs Kroll auf seiner Reise erlebt hat, das weiß er, dürfte viele interessieren, die selbst so etwas nicht wagen würden, aber gerne hören würden, wie es ihm erging. Daher hat er einen Vortrag geplant, den er am Wochenende 19. und 20. November halten möchte.Ort wird voraussichtlich das Gemeindehaus in Weißenbrunn sein. Der genaue Zeitpunkt wird noch rechtzeitig bekannt gegeben. Urs Kroll steht dann den Teilnehmern auch gerne für Fragen rund um die Länder zur Verfügung, die er besucht und kennen gelernt hat.