Druckartikel: Richter bescheinigt Ulrich S. "narzisstische Züge"

Richter bescheinigt Ulrich S. "narzisstische Züge"


Autor: Ulrike Nauer

Coburg, Donnerstag, 15. August 2013

Das Gericht glaubte dem 55-Jährigen nicht, dass der Tod seiner Ehefrau Marie ein tragischer Unfall war, sondern geht von vorsätzlichem Totschlag aus. Die Verteidigung will in Revision gehen.
Ulrich S. verlässt den Gerichtssaal - soeben wurde er zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Fotos: Oliver Schmidt


"Die Kammer geht davon aus, dass Ulrich S. seine Frau geliebt hat. Gleichwohl hat er sie erschossen." So brachte es Vorsitzender Richter Gerhard Amend am Donnerstag bei der Urteilsverkündung im Schützenhaus-Prozess auf den Punkt. Für zwölf Jahre muss der heute 55-jährige ehemalige Gastronom ins Gefängnis. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass Ulrich S. seine Frau Marie in der Nacht des 6. Oktober 2012 vorsätzlich getötet hat. Wenn ihm auch ein Mord nicht nachgewiesen werden konnte, sei dies "zumindest Totschlag" gewesen, sagte Amend.

Ulrich S., der das Urteil äußerlich gefasst aufnahm, hatte während der ganzen sechs Prozesstage an seiner Version festgehalten, er habe in jener Nacht mit der Schrotflinte im Keller des Alten Schützenhauses Ratten jagen wollen.

Mit der Waffe unterm Arm sei er über den Yorkshireterrier "Lily" gestolpert, das Gewehr sei ihm aus der Hand gerutscht und beim Auffangen habe sich der Schuss gelöst, der seine Frau in den Bauch traf und sie fast augenblicklich tötete.

Über 50 Zeugen waren geladen, die vielfach ähnliche Aussagen zur Beziehung von Ulrich S. zu seiner Frau Marie und zur vermeintlichen Rattenjagd mit der Schrotflinte machten. Doch am Ende bewertete das Gericht den Großteil dieser Zeugenaussagen als "Beiwerk drumherum" und knüpfte seine Entscheidung hauptsächlich an die Schilderungen des Münchner Hotelmanagers, bei dem Marie S. gearbeitet hatte, und ihrer "wohl einzigen Freundin", wie Amend ausführte.


München war entschieden

Laut diesen beiden Zeugen hatte sich Marie S. längst entschieden, künftig in München zu leben und zu arbeiten - "mit ihrem Uli", wie ihre Freundin betont hatte. Amend: "Sie hat ihn geliebt und er sie. Aber Ulrich S. wollte sein bequemes Leben nicht aufgeben." Aus dem Hintergrund sei schließlich immer seine Ex-Frau Eva-Maria S. eingesprungen, "wenn es brenzlig wurde" und er "wieder einmal gescheitert" sei.


"Ich lass Dich nicht gehen"

Die Kammer stützt ihre Urteilsbegründung auch auf eine SMS, die Ulrich S. seiner Frau noch am 2. September 2012 geschickt hatte - zu einer Zeit, als Streit und Trennung längst kein Thema mehr gewesen sei. In der SMS heißt es: "Ich lass Dich nicht gehen!" "Das sagt uns alles darüber, was im Kopf von Ulrich S. vorgegangen ist", betonte Amend. Marie S. habe sterben müssen, weil sie ein selbstbestimmtes Leben mit ihrem Ehemann führen wollte. "Und nachdem sie entschieden hatte, zu gehen, hat er entschieden, sie nicht gehen zu lassen - und zwar auf seine Art."

Erneut verwies Amend auch darauf, dass die Unfall-Version von Ulrich S. schon wegen des Winkels, in dem der Schuss Marie S. getroffen hatte, nicht stimmen könne. Laut Gutachten war die Mündung im Moment des Schusses mindestens 1,30 Meter über dem Boden, denn der Schuss erfolgte schräg nach unten. "Der Angeklagte hat aber hier immer demonstriert, dass die Mündung nach oben ging", erinnerte Amend. "Auch als er dann wusste, dass es anders sein muss, hat er es maximal auf einen Meter geschafft. Die Schüsse hätten dann ganz woanders hingehen müssen."

Zugunsten des 55-Jährigen, bei dem Amend narzisstische Züge erkannt haben will, wertete das Gericht nur, dass er ein "minimales Teilgeständnis" abgelegt habe. "Versuchen Sie, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen", gab er Ulrich S. mit auf den Weg. "Sie haben ja Hilfe, ihre geschiedene Ehefrau."

Verteidiger Hans-Heinrich Eidt will sich mit dem Urteil nicht zufrieden geben. Er wolle auf jeden Fall in Revision gehen, sagte er nach der Verkündung. Insbesondere habe er den Eindruck gewonnen, "das Urteil stand schon längst in diese Richtung fest".