Rentner muss in die Psychiatrie
Autor: Gabi Arnold
Coburg, Montag, 01. Februar 2016
Er stellt wohl eine Gefährdung für die Allgemeinheit dar, der 79-Jährige, der am Montag wegen versuchten Totschlags in Coburg vor Gericht stand.
Wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung musste sich am Montag ein 79-jähriger Mann aus dem Landkreis vor dem Landgericht Coburg verantworten. Da der Mann aufgrund einer seelischen Erkrankung schuldunfähig ist, ordnet die 1. Große Strafkammer unter dem Vorsitz Christoph Gillot die Unterbringung in eine psychiatrischen Klinik an. Das Gericht geht davon aus, dass der Mann eine Gefährdung für die Allgemeinheit darstellt.
Es war ein Streit unter zwei Mietparteien, der im Sommer des vergangenen Jahres in einer Messerattacke eskalierte. Zur Vorgeschichte: Der Beschuldigte und seine 72 Jahre alte Ehefrau lebten seit 13 Jahren in einer Mietwohnung in einem Gemeindeteil von Ebersdorf. Im Februar des vergangenen Jahren zog ein Ehepaar, ein 60-jähriger Schreiner mit seiner Ehefrau, in das Erdgeschoss ein, die Wohnung befindet sich unter der Wohnung des Beschuldigten.
Bereits beim Einzug kam es zu Differenzen. Der 79-jährige fühlte sich durch den Lärm, insbesondere durch Renovierungsarbeiten wie Hämmern, Schrauben oder Nageln, gestört. Der 79-Jährige glaubte auch, dass der neue Mieter den Bewegungsmelder des Hauses so verstellt habe, dass er im Dunkeln im Treppenhaus stehen müsse. Als der Beschuldigte seinen 60-jährigen Nachbarn beleidigende Worte an den Kopf warf wie "Gauner und Verbrecher" und auch ein Gespräch der Mietparteien mit dem Vermieter nicht fruchtete, erhielten der alte Mann und seine Frau eine Abmahnung. Der Vermieter erklärte im Zeugenstand: "Ich wollte die Kindereien nicht mehr länger mitmachen."
Filmreife Szenen
Es folgte ein Schriftverkehr unter den Anwälten, worauf hin die Situation komplett aus dem Ruder geriet.
Denn was sich einige Tage später in dem sonst beschaulich Dorf zutrug, war ein filmreifes Szenario: Als der Schreiner sich im Keller aufhielt, griff der alte Mann den 60-Jährigen mit einem Schlachtermesser mit einer 20 Zentimeter langen Klinke an und stach diese seinem Nachbar in den Bauch mit den Worten: "Jetzt habe ich dich." Die Ehefrau des Schreiners hörte die Schreie, eilte hinzu, beide versuchten nun, dem 79-Jährigen das Messer wegnehmen - vergeblich. Das Ehepaar flüchtete vor dem Wüterich auf die Straße. Die Frau rettete sich blutbefleckt in ein Auto, das mit quietschenden Reifen vor dem zornigen Rentner, der mit dem Messer in Hand folgte, wegfuhr. Der Schreiner rannte blutüberströmt in ein Nachbarhaus, wo Polizei und Rettungsfahrzeug alarmiert wurden.
Auf der Anklagebank sitzend wirkte der Beschuldigte alt, krank, niedergedrückt und verwirrt. Er gab an, keine Erinnerung an den Vorfall zu haben. "Ich habe mir tausend Mal den Kopf zerbrochen, ich bring das nicht hin." Die 72-jährige Ehefrau berichtete von wahnsinnigen Kopfschmerzen, die ihren Mann seit einem Unfall im Jahr 1985 plagen, seitdem sei er arbeitsunfähig, sein Zustand habe sich in letzter Zeit verschlechtert. "Er verkraftet nicht viel, wenn gehämmert und gebohrt wird, dann hält er das nicht aus." Das geschädigte Ehepaar trat in Begleitung von Mitarbeitern des Opferschutzes "Weisser Ring" in den Zeugenstand. Beide gaben an, dass sie sehr unter den Folgen des Angriffs litten und sich in psychiatrischer Behandlung befänden.
"Langfristig Ähnliches erwartbar"
Der Münchner Psychiater Cornelis Stadtland kam zu dem Schluss, dass der 79-Jährige aufgrund eines organischen Psychosyndroms zum Tatzeitpunkt schuldunfähig war und für die Allgemeinheit eine Gefährdung darstelle.
"Langfristig sind ähnliche Vorfälle zu erwarten." Richter Gillot folgte in seiner Urteilsbegründung dem psychiatrischen Gutachten und Oberstaatsanwalt Martin Dippold. Damit wurde der Unterbringungsbefehl in die geschlossene Psychiatrie aufrecht erhalten. "Auch wenn man alt und krank ist, kann man durchaus gefährlich für Mitmenschen sein", sagte Gillot.
Gegen das Urteil kann Revision eingelegt werden.