Reise in den Süden: Viele heimische Vögel kehren nicht zurück
Autor: Thomas Heuchling
Stöppach, Donnerstag, 28. August 2014
Langsam beginnen die Vögel im Landkreis ihren Flug in wärmere Gefilde. Für viele von ihnen ist es eine Reise ohne Wiederkehr. Denn Vögel wie die heimischen Schwalben und Störche gelten in den Ländern am Mittelmeer als Delikatesse.
Ein Naturschauspiel der besonderen Art findet zur Zeit im Pferdestall von Horst Müller, in der Ahorner Straße in Stöppach, statt. Er hat dort extra ein Kupferrohr angebracht, wo sich bereits rund 50 junge Rauchschwalben sammeln und auf den Flug in wärmere Gefilde vorbereiten.
Horst Müller beklagt, dass die Zugvögel in der Natur nur noch wenige Möglichkeiten zum Sammeln hätten, denn viele Freileitungen, so auch in Stöppach, seien beseitigt worden.
Diesen Kritikpunkt kann Alexander Ulmer, Geschäftsführer der LBV-Kreisgruppe Coburg, nicht bestätigen. Einen Mangel an Sammelplätzen gebe es nicht. Große Schilfgebiete oder Hausdächer seien für die insektenfressenden Schwalben als Schlaf- und Sammelorte ausreichend, erklärt Ulmer. Aber dennoch nehme die Schwalbenpopulation hierzulande ab: "Wir haben einen dramatischen Rückgang von 50 Prozent", sagt Ulmer. Schuld daran sei die Landwirtschaft, aber nicht die Landwirte selbst, fügt Ulmer an. Vor allem die Rauchschwalben fänden in hermetisch abgeriegelten Schweineställen und durch gesetzliche Verbote von Nestern in den Ställen kaum noch Brutplätze.
Die bekannteren Nester außerhalb von Häusern sind die der Mehlschwalbe. Sie startet ihren Flug in den Süden auch als erste. Ungefähr Mitte September gehe es los, rund eine Woche später bricht die Rauchschwalbe auf, so Ulmer.
Licht und Hormone
Aber fliegen die Tiere bei dem ungewöhnlich kühlen und nassen Wetter nicht schon eher in Richtung Afrika? Der Coburger LBV-Geschäftsführer verneint: "Das Wetter hat nur in gewisser Weise einen Einfluss. Der Hormonhaushalt der Vögel wird vom Licht beeinflusst und ruft eine Zugunruhe hervor."
Allerdings gibt es bei Kälte und Regen weniger Insektenflug, das macht es für die Vögel schwieriger, sich die nötigen Fettreserven für den langen Flug anzufressen. Denn auf ihrer Reise leisten sie Erstaunliches, weiß Ulmer: Viele tausend Kilometer Flugstrecke sind es sowohl für Mehl- als auch für Rauchschwalben in die afrikanischen Länder südlich der Sahara, bis hinunter an die südafrikanische Küste.
Gefahren lauern auf der Reise
Tagelange Flugetappen ohne Nahrung über Mittelmeer und Wüste sind zwar eine große Herausforderung, aber die größte Gefahr ist der Mensch. An der nordafrikanischen Küste, aber auch auf den Mittelmeerinseln wie Zypern oder in Teilen Italiens, Frankreichs oder Spaniens gelten viele Vögel als Delikatesse. "Am Mittelmeer werden jährlich Millionen Vögel vom Himmel geschossen. Das ist dort Volkssport", sagt Ulmer. Obwohl die Jagd auf viele Arten durch EU-Gesetze verboten sei.
Die Bekassine - Vogel des Jahres 2013 - verliere durch Abschüsse über Frankreich ein Drittel ihrer Population. Kleinere Vögel würden in Netzen oder auf mit Leim beschmierten Ästen - sogenannte Leimruten - gefangen und anschließend verspeist. Für die Schwalbe ist die Gefahr jedoch gering, da sie sehr weit oben zieht, ergänzt Ulmer.
Der Frühstarter unter den heimischen Vogelarten sei der Mauersegler. Er startet seine 15 000 Kilometer lange Reise als Erster und kommt im Frühjahr auch als Letzter wieder. "Er fliegt fast immer. Auch schlafen und essen erledigt er in der Luft. Nur zum Brüten setzt er sich hin", sagt Ulmer. Die Schwalben und andere heimische Arten fliegen weg und Seidenschwänze und Bergfink kommen. Denn für Zugvögel aus Skandinavien eignen sich bereits die Länder Mitteleuropas als Winterquartier. "Die Masse dieser Wanderung ist stark vom Wetter im nördlichen Europa abhängig."
Sieben neue Störche
Und wie sieht es in diesem Jahr bei den Störchen mit Nachwuchs und dem Zugverhalten aus? Hier weiß Hans Schönecker, der Storchenbeauftragte der LBV-Kreisgruppe Coburg, am besten Bescheid: "Sieben Horste waren in diesem Jahr im Landkreis besetzt, aber nur in Dreien gab es eine erfolgreiche Brut. In Kaltenbrunn und Bad Rodach sind jeweils drei, in Meschenbach ein Storch zur Welt gekommen." Das sei zwar einer mehr als im vergangenen Jahr, aber da sei die Bilanz sehr schlecht gewesen. "2015 hoffe ich auf ein besseres Ergebnis", fügt Schönecker an. Diese detaillierten Zahlen betreffen Weißstörche. Deren schwarze Artgenossen brüten im Wald und seien weniger gut erfassbar, so Schönecker.
Stromleitungen und die Vogeljagd in den Ländern Südeuropas und Nordafrika seien für Störche während ihrer Reise die größten Gefahren. Der Start für den langen Flug sei sehr unterschiedlich, sagt Schönecker.
Bei einem Weißstorchenpaar aus Meschenbach weiß er über das Zugverhalten jedoch Genaueres: Vergangene Woche seien Vater und Kind noch da gewesen. Die Mutter habe sich wahrscheinlich einer Gruppe von zehn bis 20 Störchen angeschlossen. Der Rest der Storchenfamilie werde sich auch einer vorbeifliegenden Gruppe anschließen.