Wie die Reichsbürger illegal in der Coburger Schule getagt haben
Autor: Oliver Schmidt
Coburg, Montag, 07. Februar 2022
Die freie Waldorfschule im Stadtteil Beiersdorf war Schauplatz eines geplanten Treffens von Reichsbürgern aus ganz Deutschland. Die Polizei löste das Treffen auf. Wie es dazu kam, schildert der Schulleiter.
Am Montagvormittag herrscht unterhalb von Schloss Callenberg wieder mal Idylle pur: Der Wald strahlt Ruhe aus, auf einer Wiese grasen Rinder, und vom Schulhof der Rudolf-Steiner-Schule ist lautes Kinderlachen zu hören. 36 Stunden ist es hier jedoch alles andere als idyllisch zugegangen: In einer regelrechten Nacht- und Nebelaktion haben sich 55 Reichsbürgern aus ganz Deutschland im Festsaal der Schule getroffen. Wohlgemerkt:
Die Schulleitung wusste davon nichts; wer auf welche Weise den Reichsbürgern geholfen hat, um am Samstagabend in das Gebäude zu gelangen, ist derzeit noch völlig unklar. Deshalb bleibt auch dem Schulleiter Hans-Joachim Döhner vorerst nicht viel anderes übrig, als sich von dem Treiben zu distanzieren. "Wir sind entsetzt und einfach fassungslos", sagt er im Gespräch mit dem Tageblatt, "der Schock steckt uns noch immer in den Knochen." Und er betont immer und wieder, auch wenn Anrufe von besorgten Eltern kommen: "Unsere Schulgemeinschaft distanziert sich klar von jeder Form von Reichsbürgertum."
Der Festsaal, der Platz für 200 Personen bietet, befindet sich in einem separaten Gebäude mitten auf dem Schulgelände am Callenberg im Stadtteil Beiersdorf. Es gibt zwar eine Verbindung zum eigentlichen Schulhaus. Doch die Reichsbürger haben offensichtlich eine Tür benutzt, die vom Außenbereich direkt in den Saal führt. Der Raum könne zwar für Veranstaltungen, beispielsweise zur feier von Jubiläen, genutzt werden, erklärt Döhner. "Aber nicht für politische Veranstaltungen, und schon gar nicht für eine solche." Für besagten Samstag habe es aber keine Vermietung gegeben. Was sich am Samstagabend in der Schulaula abgespielt hat, schildert der Schulleiter wie folgt:
19 Uhr: Bis eben fand im Festsaal der Rudolf-Steiner-Schule eine interne Veranstaltung statt, bei der Schüler ihre Jahresarbeiten präsentierten. Ende war gegen 18 Uhr, danach wird noch aufgeräumt. Gegen 19 Uhr verlässt die letzte Lehrkraft die Aula und schließt alle Türen ab.
20.30 Uhr: Hans-Joachim Döhner ist zu Hause, als die Polizei bei ihm anruft. Ob er von der Veranstaltung wisse, die gerade in seiner Schule stattfindet, wollen die Beamten wissen. "Das habe ich verneint und bin dann sofort ins Auto gestiegen, um zur Schule zu fahren."
Gegen 21 Uhr: Der Leiter trifft an der Schule ein. "Da habe ich schon gesehen, dass die Polizei unsere Schule weiträumig abgeriegelt hat." Hans-Joachim Döhner wird vom Einsatzleiter darüber informiert, dass in der Aula ein Treffen von Reichsbürgern stattfindet. Der Schulleiter ist schockiert. Was er da noch nicht wissen kann: Die oberfränkische Polizei wusste bereits seit längerem, dass am Samstagabend ein Reichsbürgertreffen irgendwo im Raum Coburg geplant ist. Der genaue Ort stand bis zuletzt allerdings nicht fest.