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Regiomed: Müssen nun die Aufsichtsräte haften?


Autor: Simone Bastian

Coburg, Donnerstag, 05. Februar 2015

Eine anonyme Anzeige in Sonneberg, Fragen der Linken-Fraktion im Kreistag von Hildburghausen und eines Coburger Stadtratsmitglieds im Zweckverband Klinikum Coburg: Wer verantwortet die Abfindung von vermutlich 800 000 Euro für die geschasste Hauptgeschäftsführerin?
Der rechtliche Sitz ist Sonneberg, aber die Hauptverwaltung von Regiomed residiert in Coburg.  Foto: CT-Archiv


Eigentlich sollte alles ausgestanden sein: Nach der Trennung von der früheren Hauptgeschäftsführerin Katja Bittner sollte Ruhe einziehen in den sieben Kliniken, den Medizinischen Versorgungszentren, Heimen und weiteren Einrichtungen des Klinikverbunds Regiomed. Doch nun drohen womöglich Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen die Sonneberger Aufsichtsratsmitglieder, Landrätin Christine Zitzmann (parteilos) und das Sonneberger Kreistagsmitglied Wilhelm Rainer Häusler (CDU).

In einer anonymen Anzeige, die dem Tageblatt vorliegt, werden Zitzmann und Häusler des "Treuebruchs" beschuldigt: Sie hätten durch ihre Zustimmung zur fristlosen Kündigung Bittners das Vermögen des Klinikverbunds Regiomed geschädigt. Denn die Coburger Kammer für Handelssachen ließ in der Verhandlung am 22. Januar erkennen, dass sie die Gründe für die fristlose Entlassung nicht unbedingt für stichhaltig hält. Richter Andreas Bauer schlug damals vor, dass die Parteien sich per Vergleich einigen und schlug als Abfindungssumme für Katja Bittner 800 000 Euro vor. Wie hoch die Summe am Ende tatsächlich ausfiel, darüber wollten beide Parteien gegenüber der Öffentlichkeit Stillschweigen vereinbaren.

Ungeachtet dessen, ob die vor Gericht vorgebrachten Gründe für eine Kündigung ausreichten - Tatsache war offenbar, dass eine Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder Katja Bittner nach gut zwei Jahren im Amt loswerden wollten. Bittner hatte sich, platt gesagt, mit allen Geschäftsführern der beteiligten vier Klinikgesellschaften angelegt - drei habe sie fristlos entlassen wollen, sagt Coburgs Landrat Michael Busch (SPD). Zudem habe Bittner "vehement eine Änderung des Gesellschaftervertrages aus dem Gründungsjahr 2008 betrieben, die den kommunalen Einfluss auf die Entscheidungsprozesse durch die Kreisgremien fast völlig in Frage gestellt hätte", sagt der Lichtenfelser Landrat Christian Meißner (CSU). Er sei - zusammen mit dem Kreistag Lichtenfels - Anfang 2013 kurz davor gewesen, den Klinikverbund wieder zu verlassen.

Deshalb, so berichteten es mehrere Aufsichtsratsmitglieder übereinstimmend, habe der Aufsichtsrat den Vertrag mit der Hauptgeschäftsführerin ohnehin vorzeitig auflösen wollen. Landrat Busch: "Auch mit einer gütlichen Trennung wäre eine Abfindung notwendig gewesen. Und das relativiert den Schaden deutlich, der jetzt durch die Abfindung nach der Verhandlung entstand." Und Landrat Meißner betont: "Tatsache ist, dass der Konzern jetzt im ruhigen Fahrwasser ist."

Trotzdem: Diese Kosten für die Abfindung muss Regiomed nun aufbringen. In Sonneberg liegt eine anonyme Anzeige vor, angeblich von einem Mitglied des Kreistages. Ob ermittelt wird, ist indes noch offen - die zuständige Staatsanwaltschaft Meiningen hatte die Anzeige am Mittwoch "noch nicht im System", wie deren Sprecher Markus Knapp erläuterte.

In Hildburghausen hinterfragt die Kreistagsfraktion der Linken die Geschehnisse. Schließlich sei die Kündigung in der Zeit "durchgedrückt" worden, als der Hildburghäuser Landrat Thomas Müller (CDU) Vorsitzender des Aufsichtsrats war und kurz nachdem Bittner die Geschäfte einer Tochtergesellschaft der Henneberg-Kliniken von Wirtschaftsprüfern hatte untersuchen lassen. Die warnten vor einer Insolvenz, was Müller gegen Bittner aufbrachte: Es sei in der Prüfung nicht berücksichtigt worden, dass die GmbH nach dem Bilanzstichtag hohe ausstehende Zahlungen erwarten konnte.

Neben Landrat Müller sitzt der Schleusinger Bürgermeister Klaus Brodführer (CDU) im Aufsichtsrat. Die Linken-Fraktion will das Thema im Kreistag behandelt wissen, da Müller und Brodführer gewusst haben müssten, dass im Falle einer Kündigung eine hohe Schadensersatzforderung droht. Lediglich die beiden Coburger Vertreter im Aufsichtsrat, Landrat Busch und der damalige Oberbürgermeister Norbert Kastner (SPD), stimmten im August 2013 gegen die fristlose Kündigung, obwohl auch Busch die Trennung für nötig hielt. Doch Kastner, selbst Jurist, hielt die Gründe für nicht ausreichend belastbar.

Auch Landrat Busch wird sich im Zweckverband Klinikum Coburg der Frage stellen müssen, ob die Aufsichtsratsmitglieder, die für Bittners Entlassung stimmten, nun Schadenersatz leisten müssen. Das müsse juristisch geprüft werden, fordert Hans-Heinrich Eidt (FPD), Coburger Mitglied in der Zweckverbandsversammlung. Diese juristische Prüfung sei vorab erfolgt, sagen die Landräte Busch und Meißner.

Doch Eidt will noch mehr wissen - gerade im Hinblick auf die Wirtschaftsprüfungen, die Bittner hatte durchführen lassen und die unter anderem zutage förderten, dass eine Tochtergesellschaft der Henneberg-Kliniken hohe Mieten für leerstehende Räume in Römhild bezahlte. Doch diese Anmietung sei durch einen Beschluss des Aufsichtsrats der Henneberg-Kliniken gedeckt, sagte am Rande des Prozesses der Hildburghäuser Landrat Thomas Müller.

Auch mahnt Eidt eine Strukturreform des Aufsichtsrats an, hin zu mehr "wirtschaftlichem Sachverstand" und im Sinne des GmbH-Gesetzes. Eine neue Zusammensetzung hat der Aufsichtsrat bereits: Den acht Vertretern der Gesellschafter sitzen nun sechs Vertreter der Arbeitnehmer gegenüber. "Wir haben den Aufsichtsrat umstrukturiert, um anstehende Probleme im Dialogprozess mit den Arbeiternehmervertretern lösen zu können. Und ich freue mich sehr über das konstruktive Miteinander auch in schwierigen Fragen", sagt der Lichtenfelser Landrat Michael Meißner.

Auch Katja Bittner hat einen neuen Job: Sie soll ab 1. April die Kliniken und Heime des Bezirks Oberfranken managen.