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Mit Corona infizierter Regiomed-Arzt wehrt sich gegen absurde Vorwürfe: So hat er sich angesteckt


Autor: Christoph Böger

Coburg, Mittwoch, 01. Juli 2020

Matthias Schwenk, Chefarzt der Gefäßchirurgie am Klinikum in Sonneberg, erklärt, wie es zu seiner Ansteckung mit dem Coronavirus kam. Er wundert sich über haltlose und verleumderische Aussagen von Kollegen.
Matthias Schwenk, Chefarzt der Gefäßchirurgie am Klinikum in Sonneberg, lag fast drei Wochen im Coburger Krankenhaus und wurde wegen des Coronavirus erfolgreich behandelt. Er erklärt, wie es zu der Infektion kam, und räumt mit Vorwürfen auf, die ihn sehr geärgert haben. Und vor allem stellt er sich vor seine vielen Mitarbeiter, die fälschlicherweise kritisiert worden seien. Foto: Christoph Böger


Matthias Schwenk hält es mit Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt: "In der Krise beweist sich der Charakter", sagt der Chefarzt der Gefäßchirurgie am Klinikum in Sonneberg. Der 59-Jährige hat eine schwere Zeit hinter sich und erlebte während seiner Krankheit, wie sich die Gesellschaft seinen Worten zufolge durch Covid-19 auf Mikroebene spaltet.

Der beliebte Mediziner erzählt uns am Montagabend nach einem anstrengenden Tag mit einer langen Operation am Vormittag in Sonneberg und einem zusätzlichen, unvorhergesehenen Eingriff am Nachmittag in Coburg seine bewegende Geschichte. Dabei wirkt der zweifache Großvater ausgeglichen und ruhig. Wut ist bei ihm keine zu spüren, obwohl es dazu reichlich Anlass gäbe.

REGIOMED-Arzt mit Coronavirus infiziert: "Erhobene Vorwürfe sind absurd"

Es war gegen halb zwei morgens, als ihn seine Kollegen des Rettungsdienstes zu Hause abholten und auf die Intensivstation fuhren. Wie viele Menschen weltweit, ist Schwenk zu diesem Zeitpunkt schwer an Corona erkrankt. Doch dank der Hilfe der Mitarbeitenden des Regiomed-Verbundes des Krankenhauses Coburg kann Schlimmeres verhindert werden. Der Chefarzt darf nach rund drei Wochen wieder nach Hause. Er hat ein Krankenhaus in diesen Tagen als Patient und nicht, wie sonst üblich, als Arzt kennengelernt.

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Dabei hat er einerseits viel Zuspruch und Besorgnis über seinen Gesundheitszustand erlebt. Nicht nur langjährige Kolleginnen und Kollegen, sondern auch die Geschäftsführung des Krankenhauses Sonneberg hielten regelmäßig Kontakt zu ihrem anerkannten und geschätzten Chefarzt. "Leider wurde andererseits auch eine - mittlerweile viel diskutierte - Stimme laut, wonach die Infizierten aufgrund ihres angeblichen Fehlverhaltens selbst Schuld an ihrer Erkrankung hätten", blickt Schwenk kritisch zurück. Deshalb schildert er die Umstände, die zur Infektion führten.

"Dass das Patientenwohl in unserem Verbund an oberster Stelle steht, ist unbestritten. Das gilt selbstverständlich auch für die Gefäßchirurgie des Krankenhauses Sonneberg. Gerade deshalb stand - wenn auch unter erschwerten Bedingungen - außer Frage, dass Notfallpatienten unkompliziert und schnellstmöglich geholfen werden muss." Zur Behandlung kamen zwei dialysepflichtige Patienten aus unterschiedlichen Landkreisen, die zum Zeitpunkt der Behandlung nicht getestet waren und erst während des stationären Aufenthaltes Corona-Symptome zeigten.

Trotz Mundschutz angesteckt - und nicht bei "Fahrten in Kleintransportern"

"Für die an der Behandlung beteiligten medizinischen Fachkräfte", so Schwenk, kam der positive Patiententest zu spät. "Eine Ansteckung war trotz Mundschutz nicht mehr zu verhindern, da Arbeit am Patienten eben auch bedeutet, vor Ort zu sein. Für uns eine Selbstverständlichkeit. Diese Operationen waren der Grund der Ansteckung. Die gegen uns erhobenen Vorwürfe, es hätten betriebsausflugähnliche Fahrten in Kleintransportern stattgefunden, sind absurd", ärgert sich der Arzt. Spätestens an dieser Stelle redet Schwenk Tacheles und stellt sich vor seine Kollegen: "Diese Behauptungen sind schlechtweg eine Frechheit. Wir haben überhaupt keinen solchen Bus".

Und weiter: "Sie wirken in Anbetracht der Situation wie der berühmte Schlag ins Gesicht. Zu keiner Zeit fanden Treffen außerhalb des Erlaubten statt. Umso mehr verwundern mich die ebenso haltlosen wie verleumderischen Aussagen des unkollegialen Kollegen, die nicht nur durch die Wortwahl negativ auffallen - völlig zu Unrecht wirft er ein schlechtes Licht auf engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ihr eigenes Wohl zurückstellten, um eine notwendige Patientenversorgung sicherzustellen".

Zum Hintergrund: Der Chefhygieniker von Regiomed, Professor Klaus-Dieter Zastrow, hatte in einem Interview Mitarbeiter, die sich bei Patienten ansteckten, als "dumm" bezeichnet. Diese Wortwahl hatte für erheblichen Wirbel gesorgt. Zastrow hat sich später nach Mitteilung des Klinikverbundes bei den Mitarbeitern schriftlich für seine Wortwahl entschuldigt.

Schwenk ist aber auch enttäuscht über das Verhalten einzelner Personen, die seit vielen Jahren Kooperationspartner des Klinikums sind. Der Kreis reiche von Mitarbeitenden des Gesundheitsamtes bis hin zu Bestattungsunternehmen, die das offene Wort gegenüber der Mitarbeiterschaft scheuen und durch Flüsterpost zur Stigmatisierung ganzer Familien beitragen würden. "Zum Glück sind das aber nur wenige", so der Sonneberger Chefarzt.

Ein großer Imageschaden

Der entstandene Imageschaden lasse sich nur langsam reparieren - "wenn wieder alle zusammenarbeiten, ein Miteinander gelebt wird und nicht im Namen eines Konzerns Akteure medienwirksam verbal angegriffen werden."

Nichtsdestoweniger trage die engagierte Arbeit der Mitarbeiterschaft des Klinikums Früchte: "Die Patientensicherheit und eine adäquate stationäre Versorgung sind gewährleistet. Genau das sind die positiven Ansätze, die es nun weiter zu verfolgen gilt. Deshalb wünsche ich allen weiterhin viel Kraft und Ausdauer bei der Bewältigung der anstehenden Herausforderungen", so Schwenk abschließend.