Rathaussturm der besonderen Art in Neustadt
Autor: Manja von Nida
Neustadt bei Coburg, Montag, 25. Februar 2019
Beim Tag der offenen Baustelle im Neustadter Rathaus zeigte sich, dass die energetische Sanierung des Gebäudes in vollem Gange ist.
Neustadts Oberbürgermeister Frank Rebhan (SPD) wird den Blick aus seinem Arbeitszimmer auf die Dächer der bayerischen Puppenstadt nach der Rathaussanierung nicht missen müssen. Das Oberbürgermeisterzimmer bleibt, wo es war, im 2. Obergeschoss. Auch die Stadträte werden an gleicher Stelle ihre Plätze im großen Sitzungssaal oben wiederfinden. Die Braut darf sich allerdings dann bereits im Erdgeschoss vom Bräutigam "über die Schwelle" ins Trauzimmer tragen lassen. Und Diplom-Bibliothekarin Brigitte Rößler-Reuß erhält ein großzügiges Leseparadies mit ganz viel Tageslicht. Am Samstag konnten die Neustadter beim "Tag der offenen Baustelle" schon einmal einen Blick ins Innere erhaschen.
Noch steht das umhüllte, innen inzwischen völlig entkernte Neustadter Rathaus wie ein gerade aufgestelltes Fertighaus da. Die Innenarbeiten laufen, das Innenleben nimmt Formen an. Momentan wirkt der gesamte Innenbereich derzeit wie ein noch nicht vollendetes Großraumbüro. Kabel und Strippen hängen an den Decken, aufgestellte Streben werden noch Wände erhalten. Wichtige Funktionsleitungen für Kabel- und Leitungstrassen sind verlegt und mit Isoliermaterial umhüllt. Nur die erkennbaren Treppen sind geblieben, alles andere ist weg, nichts erinnert mehr an früher.
Wie in einer Tropfsteinhöhle
Oft wurde OB Rebhan von Neustadts Bürgern auf der Straße angesprochen, wie die Sanierungsarbeiten im Rathaus laufen würden. Also organisierte OB Rebhan mit seinem Bauamt samt Planern und Architekten einen "Tag der offenen Baustelle" und führte durch die Baustelle, informierte und beantwortete Bürgerfragen. "Es hat sich schon einiges getan", sagte OB Rebhan dem interessierten Publikum. Dieses Rathaus sei schon fast 50 Jahre alt, "und war dringend sanierungsbedürftig, zwar sowohl in energetischer wie auch in baulicher Hinsicht". Rebhan sagte, man habe ihm bei seinem Amtsantritt gesagt, am Rathaus müsste was gemacht werden. Damals hätte die Stadt dies selbst bezahlen müssen. Stark geschädigter Sichtbeton der Außenfassade, großflächige, schlecht gedämmte Fensterelemente, überalterte Heizungsanlage mit Leitungsführungen, überalterte Ver- und Entsorgungssysteme von Strom, Trinkwasser, Datenleitungen, Kanal, verschlissene Büro- und Flurtrennwände, Dacheindeckung und vieles mehr mussten auf Vordermann gebracht werden. "Es war schon so, dass wir Tropfsteinhöhlen hatten. Die Schädigungen gingen viel tiefer, als ursprünglich gedacht."
Größere Flächen der Außenfassade mussten mit den Hochdruck-Wasserstrahllanzen bearbeitet werden. Rebhan dankte den Anwohnern und Gewerbetreibenden für ihre monatelange Geduld aufgrund der sehr lauten Fassadenarbeiten. Es werde eine Innendämmung statt einer Außendämmung erfolgen.Daher hätten sich die Proportionen im Inneren des Rathauses verschoben. Aus dem kommunalen Investitionsprogramm und aus Mitteln der Städtebauförderung gebe es erhebliche Fördergelder, dankte Rebhan den zuständigen Regierungsstellen. "Aber wir müssen auch selbst aktiv in die Tasche greifen. Es war zumindest nicht schädlich, dass ich in den Vergabegremien gesessen habe. Ohne diese Fördergelder wäre dieses Vorhaben für die Stadt nicht finanzierbar. Unser Verdienst ist, dass wir da sehr schnell und tief in die staatlichen Kassen gegriffen haben. Wir kriegen so um die fünf Millionen dafür", sagte Rebhan. Bei einer Summe von über 11 Millionen würden 6 Millionen bei der Stadt bleiben. "Aber nur mit dieser Förderung war es überhaupt möglich, das durchzuführen. Gab's früher alles nicht."
Ende 2019 fertig?
Die Innenausbauarbeiten laufen auf vollen Touren. Die Innendämmung an den Außenwänden wurde im 1. OG fertiggestellt. Restliche Fensterelemente im 2. OG folgen in den nächsten Wochen. Die Betonsanierungsarbeiten in der Tiefgarage würden im Zeitplan liegen. Sanierungsarbeiten der Sichtbetonaußenfassaden wie auch die Dacheindeckung würden witterungsabhängig in den nächsten Wochen fortgeführt und abgeschlossen. Sobald die restlichen Innenausbaugewerke (Fliesen/Bodenbeläge) termingerecht vergeben und die Innenausbauarbeiten ohne größere Probleme weiterlaufen, könne das Rathaus wie ursprünglich geplant, Ende 2019, fertiggestellt werden.
Bevor die halbstündigen Führungen erfolgten, gab Architekt Marcel Ebert vom Coburger Architekturbüro Eichhorn noch ein paar Informationen: "Das Erdgeschoss hat natürlich die größte räumliche Veränderung und auch die wichtigste für Sie. Denn hier hat der Bürger, vom Marktplatz kommend, den direkten Zugang." Alles werde modern, mit unterschiedlicher Nutzung. Da gelte es auch, die Schmuddelecken ein bisschen auszuräumen und einen großen Raum zu schaffen. Viel Licht und Transparenz wolle man hineinkriegen. "Wo ich jetzt stehe, da stehen dann Braut und Bräutigam", so Ebert. 1969 sei hier der Grundstein gelegt worden. "Es ist ein hervorragendes Bauwerk als Kind seiner Zeit. Die Architekten hatten sehr viel Gespür."
Mediathek doppelt so groß
Stadtbauamtsleiter Richard Peschel führte ebenso durch die Stockwerke. "Wir haben viel Glas, wie Sie sehen. Das Rathaus war also eine Energieschleuder. Es war alles reif, da gibt es viel Verschleiß, zumal ein öffentliches Gebäude viel genutzt wird. Wir haben Sanierung energetisch gehabt, haben Verschleiß gehabt." Die Außenhülle werde in den nächsten Wochen fertiggestellt. Anschließend erklärte Peschel einzelne Details zu allem. "Die Mediathek wird doppelt so groß sein und es wird der Innenhof mitgenommen und überdacht. Wir haben jetzt so Riesenprojekte, die alle fünfzig Jahre passieren. Jetzt wird die Stadt noch mit dem Marktplatz umkrempeln anfangen und die Heubischer Schule wartet auch darauf".