Prozess um Auftragsmord in Coburg: "Er sollte nicht sterben!"
Autor: Ulrike Nauer
Beiersdorf bei Coburg, Mittwoch, 26. November 2014
Maria S., die Lebensgefährtin des getöteten Wolfgang R., sagte vor dem Gericht in Coburg umfangreich aus. Dabei ging es auch um das Dreiecks-Verhältnis mit ihrem Ehemann, das offenbar Anlass zur Eifersucht gab.
Ein "perfekter Partner", sehr ruhig, ausgeglichen, der sich wunderbar um die Kinder von Maria S. kümmerte. Wenn die zierliche Brasilianerin im schwarzen Hosenanzug von ihrem Lebensgefährten erzählt, klingt das eigentlich nach einer normalen, stabilen Partnerschaft. Dennoch ist unbestritten, dass die 42-jährige Angeklagte am Abend des 11. Dezember 2013 zumindest ihre Zustimmung gab, dass zwei Bekannte zum Haus ihres Lebensgefährten nach Beiersdorf fuhren, um ihm - wie Maria S. sagt - "ihm Arme und Beine zu verstauchen, so dass er zwei, drei Tage ausfällt".
Abgesehen davon, dass ihr Lebensgefährte den nächtlichen Besuch von Peter G. und Paul K. nicht überlebte, sind die Motive auch nach der umfangreichen Aussage der 42-jährigen noch recht nebulös und, wie nicht nur Vorsitzender Richter Gerhard Amend fand, teilweise unlogisch. Ursprünglich hatte Maria S. zum Tathergang gar keine Angaben machen wollen. Dass sie es, unterstützt von einer Portugiesisch-Dolmetscherin, beim gestrigen Prozessauftakt dann doch tat, brachte zwar den gesamten Ablaufplan gehörig durcheinander. Was der nächtliche Überfall - wenn er denn tatsächlich "nur" als Denkzettel gedacht war - bezwecken sollte, konnte sie aber nicht überzeugend erklären.
Geboren ist die Angeklagte in Recife in Brasilien. "Meinen leiblichen Vater kenne ich nicht." Er hatte die Familie verlassen, als Maria S. noch ein Baby war. Aufgezogen wurde sie von ihrer Mutter und ihrem Stiefvater. Weil sie seit der Geburt an einem Herzfehler leide, habe sie "eine sehr schlechte Schulbildung" erhalten, konnte erst mit zehn Jahren die Schule besuchen.
Als Prostituierte gearbeitet
Bei der Arbeit lernte sie später zunächst eine Brasilianerin kennen, die mit einem Deutschen verheiratet war, und über diesen Kontakt 1990 schließlich ihren Ehemann, Erhard S.. Der 57-Jährige muss sich ebenfalls in dem Prozess verantworten. Ihn beschuldigt die Staatsanwaltschaft des Totschlags. Das Ehepaar S. hat zusammen drei Töchter im Alter von 14 bis 22 Jahren. Als sich Maria und Erhard S. 2007 trennten, blieben die Mädchen bei ihrem Vater.
Nach ihrer Übersiedelung nach Deutschland fing Maria S. an, als Prostituierte zu arbeiten, teils in Würzburg, überwiegend in Coburg, wie sie dem Gericht erzählte. Im Sommer 2012 lernte sie dabei Wolfang R. kennen - zunächst als Kunden. Anfangs habe er noch mit einer anderen Frau zusammengelebt, doch im Mai 2013 wurde die Beziehung zu Maria S. ernster. Sie zog zu Wolfgang R. in den Eichenweg in Beiersdorf. Zwei Monate später übernahm die Angeklagte dann die Bar "Clou" in der Unteren Salvatorgasse. Wolfgang R. habe sie dazu animiert, sagt die 42-Jährige - damit sie nicht mehr als Prostituierte arbeiten und nicht "zu Hause rumsitzen" müsse. "Er hat mir versprochen, mir dabei zu helfen." Mit einer Finanzspritze von 10 000 Euro startete die Angeklagte in ihre neue Karriere als Gastronomin. Jeden Monat steuerte Wolfgang R. weitere 1000 Euro bei - bis er im Dezember 2013 die Zahlungen einstellte.
Selbstverständlich habe es wegen dieser Entscheidung auch Streit gegeben, das räumte Maria S. ein. Eine körperliche Auseinandersetzung, wie Vorsitzender Richter Gerhard Amend mutmaßte, habe es aber nie gegeben. "Nur einmal hat er mir eine Ohrfeige gegeben", sagte die 42-Jährige.
Anlass für Diskussionen sei immer wieder die Eifersucht von Wolfgang R. gewesen. Der störte sich offenbar daran, dass der Noch-Ehemann seiner Lebensgefährtin nach der Eröffnung im "Clou" mithalf. "Er stellte mich vor die Entscheidung: Er und das ,Clou‘ oder der andere." Maria S. entschied sich für Wolfgang R., Erhard S. beendete sein Coburg-Gastspiel. Amend bohrte nach: "Hatte Wolfgang R. denn Grund zur Eifersucht?" "Nein, wir waren nur noch wegen der Kinder zusammen", versicherte die Angeklagte.
Eifersucht auf beiden Seiten
Auch in der Aussage von Erhard S. war das Verhältnis der Eheleute noch einmal Thema. Fakt ist, Erhard S. übernachtete nach dem Tod von Wolfgang R. noch in der Coburger Wohnung der Angeklagten. Als die Polizei die 42-Jährige am 19. Dezember in eben jener Wohnung festnahm, lag sie in ihrem Bett, neben ihr - pikanterweise - ihr Noch-Ehemann. Auf Amends Nachfrage, wie es denn dazu kam, begründete Erhard S. forsch: "Niemand will auf dem Fußboden schlafen." Rechtsanwalt Thomas Weckbrodt, der Wolfgang R.s Tochter als Nebenklägerin vertritt, wurde deutlicher: "Sind Sie noch liiert?" Die ebenso deutliche Antwort: "Wir sind seit sieben Jahren getrennt, es gab keinen Geschlechtsverkehr mehr!"
Dass Wolfgang R. dieses Dreiecks-Verhältnis offenbar nicht guthieß, geht aus den Aussagen hervor. Doch auch die Angeklagte selbst scheint nicht frei von Eifersucht gewesen zu sein. Dass sich der 66-Jährige für einige der "Mieterinnen" in seinem Etablissement im Coburger Kanonenweg etwas mehr interessiert haben soll, gefiel seiner Lebensgefährtin gar nicht. "Ja", sie sei eifersüchtig gewesen, gestand sie. Aber sie habe ihn gemocht und geschätzt. Und auch auf die Frage Gerhard Amends, ob Wolfgang R. sie geliebt habe, fiel die Antwort eindeutig aus: "Ja!"
Bleibt die Frage, wie Maria S. zulassen oder sogar den Auftrag erteilen konnte, dass ihr Lebensgefährte einem Verbrechen zum Opfer fällt. Bei der Erinnerung daran, wie sie den toten Wolfgang R. frühmorgens in seinem Haus gefunden hatte, bricht die Brasilianerin in Tränen aus: "Er sollte nicht sterben. Ich habe vielleicht erwartet, dass er ohnmächtig ist oder bewusstlos, aber nicht tot."
Der Prozess wird heute, Donnerstag, um 9 Uhr am Landgericht fortgesetzt. Live-Berichte gibt es wieder auf infranken.de und auf der Tageblatt-Facebook-Seite.