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Protest am Anger, Mahnung vom Coburger Rathausbalkon


Autor: Jochen Berger

Coburg, Dienstag, 06. Juni 2017

Verbaler Protest begleitet den nächtlichen Fackelzug zur Mahnstunde. In seiner Ansprache ruft Festredner Peter Scheben auf dem Markt zur Zivilcourage auf.
Auf dem Coburger Marktplatz endete der traditionelle CC-Fackelzug beim Pfingstkongress.Foto: Jochen Berger


Auch musikalisch prallen an diesem Abend in Coburg Welten aufeinander. Wummernde Techno-Beats treffen an der Angerkreuzung zu nächtlicher Stunde auf scheppernde Marschmusik. Aber nicht nur die musikalischen Welten sind höchst gegensätzlich und scheinen kaum vereinbar. Auch weltanschaulich bietet der Fackelzug beim 149. Pfingstkongress des Coburger Convents schroffe Kontraste.


Großes Polizeiaufgebot


"Eliten abschaffen", fordern mehrere Dutzend Demonstranten, die sich schon lange vor Beginn des Fackelzugs vor der alten Angerturnhalle friedlich versammelt haben - flankiert von Absperrgittern und vielen Polizeikräften.
Wenn sich der Fackelzug kurz nach halb elf Uhr marschierend in Bewegung setzt, fliegen manche Beschimpfungen in Richtung der CC-Teilnehmer durch die Luft. Reichlich aufgebotene Polizei sorgt freilich allein durch ihre Anwesenheit dafür, dass es bei verbalen Attacken bleibt.


Denn alle neuralgischen Punkte und Seitenstraßen auf dem Weg des Fackelzugs sind lange im Vorfeld schon von der Polizei besetzt. Von der Goethestraße über Ernstplatz, Viktoriastraße, Löwenstraße und Mohrenstraße führt die Route der Marschierenden schließlich traditionell über die Spitalgasse bis zum Marktplatz.


Erinnerung an die Bücherverbrennung durch die Nazis


Auf dem Weg dorthin wartet aber am Gräfsblock noch eine weitere kleine Gruppe von Demonstranten auf den Zug der Fackelträger. Mit Videoprojektionen erinnern sie daran, dass 1933 durchaus auch manches Mitglied einer schlagenden Studentenverbindung in der ersten Reihe jener stand, die Bücher auf den Scheiterhaufen warfen.


"Wegducken gilt nicht mehr"


Bei der obligatorischen Ansprache vom Rathausbalkon bleibt es dann freilich ruhig auf dem Marktplatz - so ruhig, wie der Festredner im Tonfall wie inhaltlich spricht. Alt Altherrenvorsitzender der in diesem Jahr präsidierenden Landmannschaft Gottinga bekennt sich Peter Scheben zur Toleranz: "Demokratie ist im Kern eine rechtlich geregelte und geschützte Praxis der Toleranz." Ausdrücklich fordert Scheben eine engagierte Toleranz gegenüber Andersdenken." Zugleich plädierte er für Zivilcourage, um demokratische Werte auch in Zeiten politischer Anfechtungen zu bewahren. "Wegducken gilt nicht mehr."


Lautstark aus Hunderten von Kehlen erklingt dann nach dem feierlichen Zapfenstreich die Nationalhymne zur Melodie von Joseph Haydn. Doch nach dem offiziellen Ende durch ganz offizielle als "Mahnstunde zur gesellschaftlichen Einheit" deklarierten nächtlichen Feier gehört Joseph Haydns jüngerem Bruder Michael Haydn die letzten musikalischen Töne kurz vor Mitternacht - in Gestalt des Coburger Marsches.