Proben-Marathon am Coburger Landestheater
Autor: Jochen Berger
Coburg, Donnerstag, 17. Sept. 2015
Was verbindet Paul Abrahams "Ball im Savoy" mit Theo van Gogh "Interview"? Mit Hochdruck laufen auf allen Bühnen die Vorbereitungen für die ersten Premieren der neuen Spielzeit in Coburg.
Niklaus Scheibli darf sich an diesem Vormittag ausführlich umschwärmen lassen. Als Attaché der türkischen Gesandtschaft in Paris genießt er in Paul Abrahams "Ball im Savoy" das amouröse Bad in der Menge, die in diesem Fall aus den Chordamen des Landestheaters besteht. Im Lied des Mustapha "Am Bosporus" singt er sein frivoles Credo der Lebenslust.
Wiederhören mit Milen Bozhkov
Als Zeremonienmeister des temporeichen Frohsinns dirigiert Gastregisseur Tobias Materna auf der Probebühne im Bürglaß die schwärmerisch gesinnten Choristinnen. "Fast wie ,Im weißen Rössl'" sagt Materna und macht Scheibli und den Sängerinnen vor, wie er sich Mustaphas Auftritt vorstellt. Noch bleibt reichlich Zeit, Paul Abrahams Revue-Feuerwerk von 1932 flott und kurzweilig auf die Bühne zu bringen: Premiere im Großen Haus ist am 24. Oktober.Fast schon am Ziel dagegen ist wenige Meter weiter Konstanze Lauterbach. Kurz vor der Premiere von Bellinis "Norma" an diesem Samstag im Landestheater feilt sie nur noch an einigen wenigen Details. Die in römischer Zeit angesiedelte Geschichte um eine Druiden-Priesterin, die ein heimliches Verhältnis mit einem römischen Großkonsul in Gallien führt, ist in dieser Fassung kein Drama aus scheinbar längst vergangener Zeit. Vielmehr eine zeitlose Geschichte von Liebe und Verrat im Spannungsfeld zwischen Politik und privatem Glück.
Bellinis Melodrama, das erstmals seit Jahrzehnten wieder auf dem Spielplan des Landestheaters steht, verspricht dramatische Szenen und eine Fülle wunderbarer Melodien. Nicht zuletzt aber auch Solisten, die das Coburger Publikums bereits bestens kann. In der Rolle des römischen Prokonsuls Pollione gibt es ein Wiederhören mit dem Tenor Milen Bozhkov, der viele Jahre festes Ensemblemitglied des Landestheaters war. In der Titelrolle: Celeste Siciliano, die in der vorletzten Saison in Verdis "Maskenball" begeisterte.
Heftige Wortgefechte
Um die Liebe und die verzweifelte Suche nach Glück geht es auch auf der anderen Seite des Schlossplatzes - im Theater in der Reithalle. Hier wird gleich auf zwei Ebenen geprobt. Besser: regelrecht mit Worten gerungen. Auf der Probebühne unterm Dach arbeitet Coburgs Schauspieldirektor Matthias Straub mit Kerstin Hänel und Stephan Mertl an einer Szene aus "Wie im Himmel" nach dem gleichnamigen Film von Kay Pollak. Mertl und Hänel liefern sich als Pfarrer Stig Berggren und dessen Ehefrau Inger ein heftiges Wortgefecht um theologische Grundsatzfragen. "Es gibt keine Sünde", wirft Inger ihrem Mann an den Kopf: "Gott vergibt nicht, weil er niemals verdammt hat."
Duell mit Worten
Ist die Sünde nur eine Erfindung der Kirche, um die Gläubigen zur Räson bringen zu können? Heftig wehrt sich Stig gegen diesen Versuch, die Sünde für nichtig erklären zu lassen. Und schließlich muss er auch noch eine schlechte Zensur als Ehemann ertragen. Stig muss reichlich Kritik einstecken bei diesem Disput, doch pathetisch soll der Streit der beiden Eheleute trotzdem nicht werden, warnt Regisseur Straub: "Es darf keine Verzweiflung sein. Es ist nur eine Niederlage."Drunten auf der Bühne der Reithalle findet der nächste Zweikampf der Worte statt. Theo van Goghs Schauspiel "Das Interview" zeigt nur scheinbar genau das, was der Titel verspricht.
Der als Kriegsberichterstatter erprobte Journalist Pierre Peters, gespielt von Nils Liebscher, trifft auf das Soap-Opera-Starlet Katja Schuurman (Sarah Zaharanski). Denn in Wahrheit wird dieses Interview zum gnadenlosen psychologischen Duell zweier Menschen, der aus ganz unterschiedlichen Sphären kommen.