Premierenfahrt auf Coburger ICE-Abschnitt
Autor: Berthold Köhler
Schönstädt, Freitag, 09. Sept. 2016
Am 10. Dezember 2017 soll der ICE-Verkehr zwischen München und Berlin seinen Betrieb aufnehmen. Jetzt gab es im Coburger Land eine Testfahrt.
Da bummelt er dahin, mit 20 Kilometern pro Stunde. In seinem normalen Berufsalltag ist Mike Dressel mit einem Diesel-Regionaltriebwagen VT 612 deutlich schneller unterwegs. "Maximale Reisegeschwindigkeit: 160 Kilometer pro Stunde", sagte der Lokomotivführer, der gestern eine Premiere feiern durfte: Mit rund 100 Ehrengästen an Bord steuerte Dressel die erste (halb)offizielle Zugfahrt auf der ICE-Neubaustrecke 8.1 zwischen Thüringen und Bayern. Vier Kilometer lang war die Reise - zwischen Roth (Landkreis Sonneberg) und der Brücke über den Froschgrundsee.
Vor der Fahrt wurde an Superlativen nicht gespart: Von "einer epochalen Errungenschaft" sprach Innenminister Joachim Herrmann, eine "herausragende verkehrspolitische Meisterleistung" sah Klaus Sühl (Staatssekretär im Thüringer Infrastrukturministerium) und Klaus-Dieter Josel (Bevollmächtigter der Bahn für Bayern) freute sich über einen "wesentlichen Meilenstein" bei der Verwirklichung der ICE-Neubaustrecke. Einer stand daneben und freute sich: Olaf Drescher. "Das Lob geht runter wie Öl", gestand der Gesamtprojektleiter für die ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen München und Berlin.
Drescher erinnerte bei der Feier am Südportal des "Müß"-Tunnels im Landkreis Sonneberg aber auch an andere Zeiten: Als sich die Politiker im Bund und den Ländern über Teile des Streckenverlaufs und erst recht die Finanzierung uneins waren, machte in Bahn-Kreisen der Freigabetermin 2040 für die ICE-Neubaustrecke die Runde. Inzwischen weiß jeder: Am 10. Dezember 2017 beginnt das ICE-Zeitalter auch im Coburger Land. Wobei Drescher einräumte, dass es schon noch "viele kleine Dinge" auf der Trasse zu erledigen gebe.
Zweifel, dass dieser Termin eingehalten werden kann, ließ Klaus-Dieter Josel in seiner Begrüßung gar nicht erst aufkommen: "Die Arbeiten liegen im voll Zeitplan." Das wiederum war Olaf Drescher schon noch einen erhobenen Zeigefinger wert: Den vor zehn Jahren festgelegten Eröffnungstermin eingehalten und das finanzielle Budget (drei Milliarden Euro für den Neubauabschnitt zwischen Ebensfeld und Erfurt) um nicht einmal zehn Prozent überschritten zu haben - das war für den Projektleiter "nicht gerade typisch für die heutige Zeit".
Viel zu lange gestritten
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ließ aber schon durchblicken, dass es allmählich Zeit für die versprochenen Vier-Stunden-Fahrten von München nach Berlin wird. Zu lange habe die Politik über die Neubaustrecke gestritten, räumte Herrmann ein. Ab dem kommenden Jahr sei die Bahn mit einer Reisegeschwindigkeit von bis zu 300 Kilometern pro Stunde dem Individualverkehr auf der Straße überlegen und mit dem innerdeutschen Flugverkehr zumindest auf Augenhöhe. Wobei, so spöttelte der Innenminister mit Blick auf den Berliner Airport: "Der große Unterschied der Bahn zum Flugverkehr ist: Der Hauptbahnhof ist schon fertig."Bei der Jungfernfahrt mit dabei war auch Michael Busch. Der Coburger Landrat erwartet mit dem ICE eine "deutliche Verbesserung" bei Fahrten nach Berlin - alleine schon deshalb, weil der Hochgeschwindigkeitszug von der Fahrzeit her "kalkulierbarer" sei. Meistens, zumindest. Ein Thema am Zugtisch mit Busch, Friedrich Herdan und Norbert Tessmer war freilich auch der ICE-Halt Coburg. Der Landrat jedenfalls zeigte sich "sehr dankbar", dass am Ende aus den Verhandlungen unter Beteiligung des Freistaates Bayern sechs ICE-Halte für Coburg heraussprangen. Verbunden mit den deutlich verbesserten Regionalzugverbindungen sei das Coburger Land nun "wirklich gut" an den Bahnverkehr angebunden.
Die zähen Verhandlungen wohl noch im Hinterkopf, ging auch Joachim Herrmann noch einmal auf den ICE-Halt Coburg ein. Sechs Abfahrten am Tag, die bezeichnete der Innenminister als einen "ersten Schritt, einen Kompromiss". Deshalb gab Herrmann der Bevölkerung in Nordwestoberfranken und Südthüringen eine Botschaft mit auf den Weg: "Sie haben es in der Hand." Je mehr der Zughaltepunkt Coburg genutzt werde, desto leichter tue man sich als Freistaat Bayern, die Bahn von einer Ausweitung des Angebotes zu überzeugen.