Druckartikel: Polizeihubschrauber filmt letzte Minuten der Amokfahrt

Polizeihubschrauber filmt letzte Minuten der Amokfahrt


Autor: Jannik Reutlinger

Coburg, Dienstag, 18. Sept. 2018

Am Dienstag ist der Prozess um einen 39-jährigen Kraftfahrer am Coburger Landgericht fortgesetzt worden. Der angeklagte Harald B. war am 23. Januar mit seinem Sattelzug durch mehrere fränkische Landkreise gerast und hatte dabei eine Schneise der Verwüstung hinterlassen.
Der Angeklagte Harald B. wartet im Gerichtssaal des Coburger Landgerichts auf seine Verhandlung. Foto: Jannik Reutlinger


Dabei ist am zweiten Verhandlungstag ein mehrminütiges Video als Beweismittel eingeführt worden, welches vom Polizeihubschrauber aufgenommen wurde. Auf dem Video sind die letzten Augenblicke einer beinahe neunzigminütigen Verfolgungsjagd mit der Polizei zu sehen.

Harald B. ist mit seinem 22 Tonnen schweren Sattelzug als Geisterfahrer auf der B4 in Richtung Bamberg unterwegs. Dahinter folgt auf der richtigen Fahrspur eine lange Polizeikolonne. Zehn Fahrzeuge passiert Harald B., ohne dass es dabei zu einem Unfall kommt.

Festnahme in wenigen Sekunden

Als es dem Polizeihubschrauber nach mehreren Kilometern gelingt den Fahrer zu blenden und der Sattelzug zum Stehen kommt, geht alles ganz schnell. Auf den Infrarotbildern sind etliche Menschen zu erkennen, die mit gezogenen Waffen schnell das Fahrerhaus umstellen.

Es dauert nur wenige Sekunden, ehe Harald B. aus dem Lkw gezogen und am Boden gefesselt wird. Vorsitzender Richter Christoph Gillot vernahm am zweiten Verhandlungstag weitere Zeugen, darunter den ehemaligen Arbeitgeber des Angeklagten, mehrere Beamte sowie weitere Betroffene, die dem Kraftfahrer auf seiner Irrfahrt begegnet sind.

Der ehemalige Arbeitgeber schilderte, dass es vor der Tat keine Auffälligkeiten mit Harald B. gegeben habe. Erst als sich die Polizei während der Verfolgungsjagd bei ihm meldete, habe er mit Telematik, einem Softwareprogramm, die Daten des Sattelzugs abgerufen. "Da war dann alles voll mit Warnungen", erklärt der Zeuge.

Die Polizei ließ den Speditionskaufmann trotzdem im Dunkeln darüber, was passiert sei. "Ich habe es erst am nächsten Morgen aus dem Frühstücksfernsehen erfahren," erklärte er. Auch die Nebenkläger, zwei Polizeibeamte, traten als Zeugen in Erscheinung. Beide haben noch heute mit den Nachwirkungen des Vorfalls zu kämpfen, wie sie berichteten. Sie konnten sich nur durch ein Ausweichmanöver ins Gleisbett vor dem heranrasenden Sattelzug retten.

Vergleich mit Formel 1-Autos

Weitere Beamte äußerten sich zur Festnahme und der Verfolgungsjagd mit dem Angeklagten. Dabei bestätigten die Polizisten in ihren Aussagen vor Gericht, dass der 39-Jährige wisse, was er mit seinem Lkw mache. Ein Polizist beschrieb die Fahrweise, wie "wenn Formel 1-Autos ihre Reifen warm fahren". Dem Gutachten von Christoph Mattern zur Folge befand sich Harald B. während seiner Tat aufgrund des Speed-Konsums in einem Vollrausch.

Zwar habe er einen Drogenmissbrauch feststellen können, aber keine Abhängigkeit. "Solange er Blaulicht sieht, dreht er erst recht auf und gibt nicht nach", erklärte Mattern den Zustand nach dem Amphetaminkonsum. Daher lasse sich der Rauschverlauf aus Sicht des Experten erklären, genau wie die Erinnerungslücken des Angeklagten.

Für das Schwurgericht gilt es die Frage zu klären, inwieweit Harald B. für seine Taten unter Drogeneinfluss verantwortlich gemacht werden kann. Ein Urteil wird voraussichtlich am 28. September erwartet.