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Pokémon-Kämpfe neben Gräbern


Autor: Simone Bastian

Coburg, Donnerstag, 11. August 2016

Die bayerische Schlösserverwaltung will die Pokémon aus einigen ihrer Liegenschaften verbannen. Wie sieht es mit Coburg aus?
Zu erkennen sind im Display der Hauptweg zum Mausoleum, der von der Straße Hinterer Glockenberg abzweigt. Das Gebilde am Ende des Weges stellt eine Arena dar. Hier können die Mitglieder des roten Teams ihre Pokémon trainieren oder gegen die Pokémon der Teams Gelb und Blau kämpfen. Fotos: Simone Bastian, Montage: Dagmar Klumb


Das Handy weist den Weg, durchs Tor auf den Friedhof und auf das Mausoleum zu. Das Display zeigt eine Kartenansicht, ähnlich wie bei einem Navi: Die Hauptwege des Friedhofs und die Straße Hinterer Glockenberg sind deutlich zu erkennen. Dort, wo sich in der echten Welt das Mausoleum befindet, dreht sich auf dem Bildschirm ein futuristisches Gebilde - eine Arena. Dort können Pokémon-Go-Spieler ihre virtuellen Taschenmonster gegeneinander kämpfen lassen.

Dass ausgerechnet das Herzogliche Mausoleum eine Arena ist, hatte vor den Sommerferien schon für etwas Ärger gesorgt: Um ihre Pokémon kämpfen zu lassen, müssen sich die Spieler am Ort der Arena befinden - ihre Smartphones müssen die entsprechenden Ortungssignale senden. Pokémon Go funktioniert mit Hilfe von GPS, wie ein Navi eben. Nur, dass es nicht in erster Linie zu Sehenswürdigkeiten oder Hotels lotst, sondern zu Pokéstops und Arenen. Zwei Pokéstops liegen in unmittelbarer Nähe des Mausoleums - das Kriegerdenkmal und das Krematorium. Wie diese Pokéstops ausgewählt werden, wie die Macher des Spiels in Kalifornien an die entsprechenden Fotos, Daten und Informationen kommen, darüber gibt es "keine offizielle Auskunft", wie die mit der Pressebetreuung beauftragte Agentur in München mitteilt.

Als die ersten Pokémon-Go-Spieler auf dem Friedhof aufgetaucht waren, schickte die Stadt ein Schreiben an die Schulen: Sie sollten darauf hinweisen, dass auf dem Friedhof Rücksicht genommen werden müsse. Denn derzeit finden die Trauerfeiern im Mausoleum statt, weil die Aussegnungshalle renoviert und umgebaut wird.
Das Einzige, was man tun kann, wenn eine Arena oder ein Pokéstop unerwünscht sind, ist, dies an die Entwicklerfirma Niantic zu melden. Die hat dafür sogar ein Formular im Internet eingerichtet. Bei der Stadt Coburg sei an einen solchen Schritt aber noch nicht gedacht, sagt Pressesprecher Maximilian Heller. "Wir werden weniger in der digitalen Welt aktiv werden", sondern eher in der realen, sagt er. Dazu gehöre der Brief an die Schulen, dazu könnten auch Platzverweise gehören.


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Sollten Trauerfeiern gestört werden, dann werde das Friedhofspersonal vom Hausrecht Gebrauch machen, sagt Friedhofsleiter Michael Beutel. "Aber die Kollegen, die Trauerfeiern betreuen, haben noch keine Rückmeldung gegeben, dass es Störungen gab." Beutel hofft lieber auf positive Nebeneffekte: "Vielleicht kriegt der eine oder andere mit, wie schön unsere Anlage ist."

Ähnlich positiv sahen es am Anfang die Verantwortlichen der bayerischen Schlösserverwaltung. Inzwischen sei für etliche Liegenschaften bei Niantic der Antraggestellt worden, sie zu löschen, sagt Cordula Mauß. "Wir fanden es am Anfang schön, dass so viele junge Leute kommen", sagt sie. "Aber das Problem ist, dass so viele den Blick nicht vom Display wenden", sondern quer durch die Parkanlagen laufen würden, ohne Rücksicht auf Beete, Hecken oder Statuen. Deshalb will die Schlösserverwaltung nun unter anderem den Bamberger Rosengarten, den Hofgarten der Bayreuther Eremitage, den Schlossgarten Fantaisie und den Felsengarten Sanspareil aus der Pokémon-Welt entfernen.


Spieler meist vernünftig

Die Veste Coburg steht noch nicht auf dieser Streichliste, betont Cordula Mauß. Denn in Coburg gebe es noch keine Probleme, auch, wenn vor knapp zwei Wochen Unbekannte versuchten, über eine Leiter und ein Gerüst in die Veste zu gelangen. Doch es ist noch nicht einmal erwiesen, ob das Pokémon-Go-Spieler waren. "Niemand ist eingedrungen, und niemand wurde von der Mauer geholt", betont Klaus Weschenfelder, Direktor der Kunstsammlungen auf der Veste. Wenn es tatsächlich Pokémon-Jägern gelingen würde, nachts in die Veste einzudringen, "hätten wir ein Sicherheitsrisiko". Die Burganlage wird derzeit abends um 18.30 Uhr geschlossen. In den Grünanlagen unterhalb halten sich auch danach noch Besucher auf, aber nicht erst, seit das Spiel Pokémon Go verfügbar ist.

"Ich denke, dass hier das Problem bei den Spielern liegt und nicht bei der App", sagt Benno Scheler, der die Facebook-Gruppe "Pokémon Go Coburg und Umgebung" gegründet hat. Es sei gar nicht nötig, bis auf den letzten Meter an einen sogenannten Pokéstop heranzugehen. "Der Radius eines Spielers reicht etwa 50 Meter", sagt er. Die meisten Spieler seien vernünftig genug, nicht auf Privatgrundstücke zu gehen, betont Scheler. Freilich: Einen Friedhof als Standort einer Arena hält auch Scheler für wenig glücklich. Der 28-Jährige, der schon als Kind das Gameboy-Spiel Pokémon spielte, verweist auf die positiven Seiten des Spiels: Es schafft Kontakte zwischen den Spielern, die sich draußen bewegen müssen. "Das Rumlaufen finde ich das Beste daran."

Ob es schon Anträge gab, Arenen in Coburg oder Umgebung zu löschen, lässt Niantic nicht wissen. Klar ist nur: Wenn eine Arena gelöscht wird, ist sie weg, erklärte eine Sprecherin. Es solle aber demnächst ermöglicht werden, Standorte von Arenen oder Pokéstops vorzuschlagen.


Hier sollen die Pokemon verschwinden

Insidern zufolge wurden viele Pokéstops aus einer vorhergehenden Entwicklung von Niantic übernommen. Für das Spiel Ingress hatte Niantic schon mit realen Orten gearbeitet, die mit GPS-Daten, Foto und kurzen Angaben hinterlegt waren. Auch für dieses Spiel müssen diese Orte tatsächlich aufgsucht werden.

Für folgende Liegenschaften hat die Bayerische Schlösserverwaltung nach eigenen Angaben die Löschung bei Niantic beantragt. Ansbach Hofgarten, Bamberg Rosengarten und Seehof, Bayreuth Hofgarten Eremitage, Park Fantaisie, Felsengarten Sanspareil, Burggarten Cadolzburg, Gärten Kaiserburg Nürnberg, Hofgarten Veitshöchheim, Hofgarten Residenz Würzburg, Festung marienberg, Schlosspark Nymphenburg, Herrenchiemsee.