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Pflanzen wie auf einer Hallig, aber in Coburg


Autor: Rainer Lutz

LKR Coburg, Freitag, 17. August 2018

Ungewöhnliche geologische Gegebenheiten und ein Eingriff des Menschen haben im Coburger Land salzhaltige Standorte geschaffen.
Die Form seiner Blütenstände gab dem Erdbeerklee seinen Namen.


Der kleine braune Stängel, den Alexander Ulmer vor die Linse der Kamera hält, ist für den Laien unscheinbar. Botaniker sehen das anders. Für sie ist es schon eine kleine Sensation, dass diese Pflanze im Coburger Land wächst. Es ist die Salz-Binse. Sie kann ohne Salz im Boden nicht leben. Daher findet sie sich für gewöhnlich auf den Salzwiesen im Watt der Nordsee. Im Coburger Land würde sie niemand suchen.

Doch genau hier ist der Ökogeologe Alexander Ulmer, Geschäftsführer beim Landesbund für Vogelschutz in Coburg, auf die Salzbinse gestoßen. Genauer gesagt im Überleiter, der Hochwasser der Lauter in den Goldbergsee führen soll.

Angefangen hat es gar nicht mit der Salzbinse. Als Erstes hat ein gelber Blütenteppich im Überleiter die Aufmerksamkeit der Naturschützer auf sich gezogen. Was der botanisch interessierte Laie wohl noch als Hornklee erkannt hätte, stellte sich bei genauer Betrachtung als Salz-Hornklee heraus. Eine Pflanze, die einen Vorteil daraus zieht, mit salzigen Böden klar zu kommen, was den meisten Konkurrenten nicht gelingt. "Die Pflanze ist in Bayern äußerst selten. Hier im Überleiter kommt sie aber zu Tausenden vor", sagt Alexander Ulmer.

Es lohnte sich also ein genauer Blick auf die Flora des Überleiters, in dem durch das Abtragen der oberen Bodenschichten ein Pionierstandort entstanden ist. Dabei fand sich eine weitere Salz tolerierende Pflanze: Erdbeerklee, der mit seinen kugeligen Blütenständen recht auffällig zwischen den Schilfstängeln steht.

Viel unscheinbarer und in Bayern vom Aussterben bedroht: Kleines Tausendgüldenkraut. Auch dieses Pflänzchen mit seinen winzigen rosafarbenen Blüten findet sich im Bett des Lauter-Überleiters.

Erklärung im Boden

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"Pflanzen, die auf salzhaltigen Böden leben können, sind hier schon bemerkenswert. Aber eine Pflanze, die ohne Salz im Boden gar nicht leben kann, das ist schon eine Sensation", betont Alexander Ulmer. Es galt zu klären, wie die Salz-Binse hier leben kann.

Ein Hinweis waren weiße Krusten rund um austrocknende Pfützen. Salz. Die Erklärung steckt tiefer in der Erde. In dem Talgrund steht Gips-Keuper als Grundgestein an. Der enthält Sulfatgestein, wodurch sich Sulfat-Ionen erklären lassen, die im Grundwasser gelöst zu finden sind. Durch das Abtragen der Erde im Überleiter kam die Oberfläche dem salzhaltigen Grundgestein noch näher. Durch Verdunstung erhöht sich die Salzkonzentration weiter.

So konnte eine Pflanzengesellschaft Fuß fassen, die für das Binnenland schon sehr ungewöhnlich ist. "Wir haben acht Arten gefunden, die mit Salz leben können und eine, die nicht ohne Salz leben kann", sagt Alexander Ulmer.

Dass der Überleiter im Herbst stets gemäht wird, damit er seinen Zweck auch weiterhin erfüllen kann, schadet den Salzpflanzen übrigens nicht, wie Alexander Ulmer erklärt.

Lebensbedingungen, die solchen Pflanzen entgegenkommen, gibt es in Bayern bei Bad Reichenhall oder Bad Kissingen, wo Solewasser der Heilbäder abgeleitet wird und sich Salz im Boden anreichert, erklärt Ulmer. Neben dem im Lauter-Überleiter gibt es noch einen natürlichen Standort bei Bad Neustadt an der Saale. "Dort kommen sogar zwei Arten vor, die ohne Salz nicht leben können", weiß Alexander Ulmer.

Andere Standorte

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Auch im Coburger Land gibt es noch Böden, in denen sich Salze anreichern konnten. Der Althellinger Grund gehört dazu. Unweit davon, in Lindenau in Thüringen, wurde bis zum Zweiten Weltkrieg das Friedrichshaller Bitterwasser als Heilquelle gepriesen, das bei Darmträgheit helfen sollte.

Neben den Salzwiesen in der Wattregion der Nordsee nennt Alexander Ulmer noch einen weiteren Lebensraum, der den Salz tolerierenden Pflanzen bei der Ausbreitung hilft: Rand- und Mittelstreifen der Autobahnen. "Durch die Salzstreuung reichert sich das dort im Boden an. Dadurch wurde es Pflanzen aus dem Mittelmeerraum möglich, über die Alpen zu uns zu kommen", erklärt Alexander Ulmer. Die Suche nach seltenen Pflanzen im Coburger Land geht unterdessen weiter.