"Peter Grimes" am Landestheater Coburg: Ergreifende Macht des Scheiterns
Autor: Jochen Berger
Coburg, Sonntag, 27. Januar 2019
Wie Gastregisseur Alexander Charim Benjamin Brittens Außenseiter-Drama "Peter Grimes" als Coburger Erstaufführung auf die Bühne des Landestheaters bringt.
Für Peter Grimes ist der Weg durch das Leben ein Weg in den Abgrund. Unweigerlich. Denn Peter Grimes ist irgendwie anders - anders als die Mehrheit, die es sich bequem gemacht hat in ihren Vorurteilen. Peter Grimes ist ein Außenseiter - unübersehbar.
Davon erzählt in der Coburger Erstaufführung von Benjamin Brittens Oper "Peter Grimes" schon das Bühnenbild ganz unmissverständlich. Der Fischer namens Peter Grimes - in Ivan Bazaks eindringlichem Bühnenbild lebt er auf einer kleinen Insel, mitten hinein gebaut in den Zuschauerraum des Landestheaters.
Symbolischer Ort
Borough, das kleine Dorf an der rauen Ostküste Englands, in dem Brittens "Peter Grimes" spielt - in der Inszenierung von Alexander Charim wird daraus kein realistischer Ort mit Fischerdorfromantik, sondern ein symbolischer Ort, in dem sich die Gemeinschaft der Einheimischen verschwört gegen den von außen kommenden Fremden.
Hass und Gewalt
Die Stürme, die in dieser Oper toben - sie sind nicht nur Stürme der Natur, sondern zugleich auch innere Stürme. Konsequent erzählt Charims Regie, wie aus Argwohn und Misstrauen schließlich Hass und Gewalt entsteht. Klugerweise verzichtet der junge Gastregisseur aus Wien darauf, allzu platte politische Anspielungen zu inszenieren. Vielmehr zeigt Charim, wie aus Unkenntnis, Halbwahrheiten, Vermutungen und Unterstellungen Fremdenhass entsteht. Oper nicht als kulinarisches Spiel, sondern als packendes Musiktheater.
Roman Payer fasziniert
In der Titelrolle als Peter Grimes: Roman Payer. Der Tenor, der am Anfang seiner Karriere einige Spielzeiten Ensemblemitglied des Landestheaters war und nun als Gast zurückkehrt, hat sich inzwischen zum bemerkenswert intensiv gestaltenden Sängerdarsteller entwickelt. Sein lyrisch geprägter Tenor besitzt die notwendige Durchsetzungskraft, um auch dramatische Momente überzeugend zu gestalten. Zugleich aber hat seine Stimme die Fähigkeit bewahrt, zarte Zwischentöne intensiv zu artikulieren. Faszinierend, wie Payer Leben und Leiden dieses bisweilen merkwürdig sich verhaltenden Außenseiters stimmlich wie darstellerisch gestaltet.
Brillante Musik
Zwei junge Lehrlinge kommen an der Seite von Peter Grimes zu Tode (beeindruckend als Lehrjunge John: Thomas Kaschel). Und immer lauter werden die Stimmen, die Peter Grimes einen Mörder nennen. Die Musik, die Britten für seine 1945 uraufgeführte Oper geschrieben hat, ist brillant instrumentierte Theatermusik.
Faszinierend farbenreich bringt das Philharmonische Orchester die Partitur zum Klingen - jederzeit umsichtig und klug disponierend geleitet von Roland Kluttig. Coburgs Generalmusikdirektor sorgt stets für die Balance zwischen Bühne und Orchestergraben, zwischen Gesang und fein ausformulierten instrumentalen Details.