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Patient kritisiert Coburger Schmerztagesklinik


Autor: Helke Renner

Coburg, Montag, 02. Februar 2015

Ein Patient mit Spannungskopfschmerz verbrachte eine Woche im Schmerzzentrum Coburg - ohne Linderung zu erfahren. Den Grund dafür vermutet er in unzureichender Therapie. Der Chefarzt dagegen spricht von speziellen Methoden.
Schmerzen? Oft dauert es lange, bis Betroffene eine wirksame Therapie erhalten können.  Foto: Ronald Rinklef


Nach vielen Versuchen, endlich seine Spannungskopfschmerzen in den Griff zu bekommen, wandte sich ein Patient aus dem Landkreis an die Schmerztagesklinik in der Ketschendorfer Straße. "Ich hatte so gehofft, dass die mir helfen können, war nach einer Woche Therapie aber nur enttäuscht", sagt der Mann, der anonym bleiben möchte. Autogenes Training, Gymnastik in der Gruppe, Spaziergänge, Schwimmen - all das seien Kurse, die er auch an der VHS belegen könne. "Man soll sich ablenken. Das mache ich schon selbst, dazu brauche ich keine Schmerzklinik", schimpft der Patient. Diese eine Woche Therapie habe ihm nichts gebracht, die Kopfschmerzen seien ihm geblieben.

Der Chefarzt des Schmerzzentrums am Klinikum, Klaus Post, ist überrascht. "Normalerweise sind viele Patienten sehr dankbar dafür, dass zum ersten Mal jemand Zeit für sie hat, der sie versteht", erläutert er. Für die Schmerzbehandlung sei ein strukturiertes Therapieprogramm erstellt worden. Aber: "Schnelle Lösungen gibt es bei uns nicht." Ein lange andauernder Schmerz sei wie eine Narbe im Gehirn. "Wir brauchen Zeit, die Patienten in eine neue Spur zu bringen."

Los gehe es mit einer sogenannten Basiswoche, in der eine Probetherapie erfolge. "Der Patient sollte eine gewisse Einsicht mitbringen und es ist unerlässlich, dass er mitarbeitet." Nach einer Woche werde entschieden, ob er die Kriterien für eine multimodale Schmerztherapie erfüllt (siehe Info am Textende), denn nur dann zahlen die Krankenkassen.

Eine langjährige chronische Schmerzerkrankung habe Auswirkungen auf das soziale Umfeld. "Manche Patienten ziehen sich zurück, sind nicht mehr arbeitsfähig oder werden depressiv, leiden unter Ängsten und Erschöpfungszuständen", erläutert der Chefarzt. Um all das im Vorfeld zu klären, wird den Patienten ein Fragebogen zugeschickt. Darauf folgt eine zweitägige Eingangsuntersuchung. Liegen die Voraussetzung für eine multimodale Schmerztherapie vor und sei der Patient bereit, sich darauf einzulassen, dann beginne die Behandlung, die sich alles in allem über fünf Wochen erstrecke. "Vier Wochen kommen die meist unter chronischen Schmerzen leidenden Menschen zu uns. 25 Stunden pro Woche werden sie therapiert", erzählt Klaus Post. Zunächst gehe es darum, dass geklärt wird, was Schmerz ist, wie und wo er entsteht. Außerdem werde über Schmerzbewältigung, Schlafhygiene und Medikamente gesprochen.

Es wird in kleinen Gruppen zu acht Personen gearbeitet. "Das ist hochintensiv." Schmerzlinderung kann durch verschiedene Methoden erreicht werden - nicht zwingend nur durch Medikamente. In der Tagesklinik werden über vier Wochen neue Schmerz- und Stressbewältigungsstrategien, Methoden zur Verbesserung der Lebensqualität sowie ein effektives Pausen- und Konfliktmanagement vermittelt. "Wichtig ist auch ausreichende Bewegung. Deshalb steht zum Beispiel zweimal pro Woche ein Besuch im Bewegungsbad auf dem Programm. Bei uns gibt es keine passiven Verfahren. Wir massieren nicht und spritzen selten." Nach der Therapie gingen 60 Prozent der Patienten mit weniger Schmerzen und niedrigerem Medikamentenverbrauch nach Hause, stellt Klaus Post fest. Darum kümmern sich drei Ärzte, zwei Psychologen, drei Krankengymnasten, Pflegekräfte und Organisationspersonal. Nach einem Vierteljahr gibt es noch einmal eine Woche Nachsorge.
Seit einiger Zeit bietet die Schmerztagesklinik ein spezielles Seniorenprogramm an.

Kopfschmerzen bei Gymnasiasten

Relativ neu ist die Kinderkopfschmerzgruppe. "Vor allem Gymnasiasten, die in der Stadt leben, sind davon betroffen. Denn sie haben zu wenig Zeit, sich zu erholen und werden zu schnell erwachsen. Das hat im Übrigen nichts mit dem G 8 zu tun", betont der Chefarzt. Er habe alle Schulen in Coburg angeschrieben und die Kinderkopfschmerztherapie als Projekt angeboten. "Das könnte über zehn Wochen mit je einer Stunde pro Woche laufen."

In Zukunft möchte Klaus Post noch mehr als bisher mit Naturheilverfahren in Verbindung mit Schulmedizin arbeiten. "Da haben wir in Coburg noch einen großen Bedarf." Doch dafür braucht die Schmerztagesklinik mehr Platz. Den wird sie 2017 bekommen, wenn das neue Bettenhaus fertig ist, in das die Klinik einziehen soll.

Mehr Kapazität durch Neubau

Dann können auch mehr Patienten betreut werden. Momentan bekommen nur 30 Prozent der Hilfesuchenden eine Therapie. Die 70 Prozent, denen zunächst abgesagt werden muss, erfüllen oft nicht die von den Krankenkassen geforderten Kriterien oder müssen auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet werden.
Wer aber unter akuten Schmerzen leidet, dem wird trotzdem geholfen. Dafür ist die Schmerzambulanz da.

Kriterien für multimodale Schmerztherapie