Operettenfans bejubeln in Coburg Frischzellenkur für "Die Fledermaus"
Autor: Jochen Berger
Coburg, Sonntag, 10. November 2019
Wie das Publikum im Landestheater Coburg die Neuinszenierung der temporeich in die Gegenwart geholten Operette "Die Fledermaus" von Johann Strauß erlebt.
Im Hause von Eisenstein liegt Untreue in der Luft. Gabriel und Rosalinde sind Gefangene in einer Welt des schönen Scheins. Der Schönheitschirurg und seine Gattin - sie sehnen sich nach Leidenschaft und überraschenden Gefühlen und müssen doch die Maske der gediegenen Wohlanständigkeit tragen. Ein Ehepaar auf dem Sprung - zum Seitensprung. Das ist die Ausgangslage in der "Fledermaus", der erfolgreichsten Operette von Walzerkönig Johann Strauß - zumindest in der Sichtweise von Gast-Regisseur Holger Potocki.
Gewitzt und temporeich
Am Landestheater Coburg gelang Potocki mit seiner Inszenierung das turbulente und gewitzte Kunststück, ein fast schon zum Überdruss bekanntes Stück intelligent, temporeich und hintersinnig in die Gegenwart zu holen, ohne die Dramaturgie des Werks zertrümmern zu müssen.
Psychologische Tiefenschärfe
Das Regie-Konzept Potockis wirkt schlüssig und lässt zugleich Raum für mancherlei Anspielungen, die das vor fast eineinhalb Jahrhunderten uraufgeführte Werk auch für jüngere Zuschauer interessant erscheinen lassen. Mit klugem Einfühlungsvermögen schärft Potockis Deutung die Figuren, verleiht ihnen in seiner runderneuerten Textfassung durch zusätzliche Details psychologische Tiefenschärfe und lässt inmitten der verwechslungsreichen Handlung die Motive der Protagonisten gut nachvollziehbar werden.
Dazu hat Potockis Ausstatterin Lena Brexendorff ein Bühnenbild entworfen, das ebenso Eleganz und morbiden Charme ausstrahlt wie die sorgfältig detailreich gestalteten Kostüme. Gerade der 2. Akt wird regelrecht zum Festival schrill-witziger Kostüme, die verstaubte Operettenfiguren flott in die Gegenwart holen.
Tanz am Abgrund
Gabriel von Eisenstein (Marvin Zobel) und Rosalinde (Judith Kuhn) zelebrieren den Tanz am Abgrund der Untreue mit stilsicherem Gesang und pointiertem, sehr lebendigem Spiel. Der Schönheitschirurg mit fatalem Hang zu Kunstfehlern und seine amourösen Abenteuern durchaus nicht abgeneigte Gattin werden zum Traumpaar dieser Inszenierung.
Tenoraler Charme
Aber nicht nur sie profitieren von Potockis stimmiger Regie. Emily Lorini als Prinz Orlofsky, Peter Aisher mit tenoralem Charme als Rosalindes Verehrer Alfred, Bartosz Araszkiewicz (Michael Lion) als Gefängnisdirektor Frank und Christian Huber als raffiniert intrigierender Dr. Falke - sie profilieren sich ebenso in Potockis gut umgesetztem Konzept wie Dirk Mestmacher als Dr. Blind, Francesca Paratore als Kammermädchen Adele und Laura Incko als Stubenmädchen Adele. Brillant: Stephan Mertl als Gefängniswärter und Gefängnispsychologe Frosch.
Einen entscheidenden Beitrag zum Gelingen dieser Neuinszenierung leistet der von Mikko Sidoroff bestens einstudierte Chor des Landestheaters, der nicht nur musikalisch stets überzeugt, sondern durch seine Spielfreude auch das Geschehen auf der Bühne beflügelt.