Druckartikel: Ohne die Coburger kein Europa

Ohne die Coburger kein Europa


Autor: Simone Bastian

Coburg, Montag, 10. März 2014

Das Herzogshaus Sachsen-Coburg und Gotha veränderte das Selbstverständnis der Monarchie, sagt der Historiker Arturo E. Beéche.
Historiker Arturo E. Beéche (links) und Andreas Prinz von Sachsen-Coburg und Gotha. Das Buch von Beéche enthält zahlreiche Fotografien aus dem privaten Archiv des Hauses Sachsen-Coburg und Gotha. Außerdem durfte Beéche auf die Memoiren von Prinz Andreas Mutter Viktoria-Luise zurückgreifen. Foto: Simone Bastian


Als Kind in Costa Rica lernt Arturo E. Beéche einen deutschen Adeligen kennen, der ihn mit der Feudalgeschichte Europas vertraut macht. Als Historiker in den USA bleibt Beéche seinem Thema treu und landet bei seiner Beschäftigung mit den Adelshäusern Europas irgendwann bei den Coburgern. Große Fürsten waren die Herzöge von Coburg nie: Zu klein war ihr Reich, zu gering das Vermögen, das aus diesen Ländereien gewonnen werden konnte.


Aber die Coburger waren eine alte Familie, Teil der Wettiner, und um die Wende des 18. Zum 19. Jahrhundert traf es sich, dass einige günstige Umstände zusammenkamen: Herzog Franz Friedrich Anton hatte die energische und ehrgeizige Augusta Reuß von Ebersdorf geheiratet und mit ihr zehn Kinder gezeugt; sieben davon überlebten. Die Coburger Prinzessinnen und Prinzen sahen gut aus.

Das, der Kriegsruhm ihres Onkels, Prinz Friedrich Josias, und die Tatkraft der Mutter beförderten die weitere Entwicklung: Prinzessin Juliane heirate in die russische Zarenfamilie, Leopold eroberte das Herz der englischen Kronprinzessin, Prinz Ferdinand heiratete die ungarische Magnatentochter Antoinette von Kohary und begründete den katholischen Zweig der Familie.


Leopold war nur kurz britischer Prinzgemahl, dann starb Prinzessin Charlotte im Kindbett. Damit gab es im Vereinigten Königreich keinen legitimen Thronerben mehr - alle Brüder von König George IV. waren noch kinderlos. Leopold erreichte, dass seine verwitwete Schwester Victoire den Herzog Edward von Kent heiratete. Sie gebar die künftige Königin von England, Victoria. Leopolds Bruder, Herzog Ernst I., erweiterte das Coburger Herrschaftsgebiet um Gotha und hatte zwei Söhne: Den späteren Herzog Ernst II. und Albert, der 1840 wiederum seine Kusine Victoria heiraten sollte.


Den Kindern der britischen Königin standen alle Türen offen - "Europa wäre ohne die Coburgs nicht vorstellbar", sagt Arturo E. Beéche. Er hat aufgeschrieben, was aus den "Coburgs of Europe" wurde, und auch, wenn das Buch den Titel "Aufstieg und Fall von Alberts und Victorias Familie" trägt, so klingt doch das Ende versöhnlich. Denn am Ende steht - derzeit - Prinz Andreas von Sachsen-Coburg und Gotha, Chef des Hauses.

Memoiren verarbeitet

Seit 20 Jahren kennen sich Prinz Andreas und Arturo Beéche, und dass nun das Buch vorliegt, hat auch mit Andreas Drängen zu tun, es endlich zu vollenden, räumt Beéche ein. Präsentiert wurde das gut 360 starke großformatige Werk am Samstag auf Schloss Callenberg, auf Einladung von Prinz Andreas. 1100 Stück hat Beéche drucken lassen, 70 Prozent davon habe er schon vor der Präsentation verkauft, erzählt er. "Ich wollte ein leicht lesbares Buch schreiben", eines, das dem Anspruch eines seriösen Historikers gerecht wird, aber in erster Linie als Einstieg in die Materie dient.


Denn die Materie ist nicht gerade wenig: Allein die Vorgeschichte bis zur Hochzeit des Coburger Prinzen Albert mit Victoria füllt schon 60 Seiten. Beéche verfolgt die Entwicklung der einzelnen Familienzweige bis heute, mit einem Schwerpunkt auf den Coburger Coburgs.


Als "meinen Freund und meinen Prinzen" bezeichnete Beéche Andreas Prinz von Sachsen-Coburg und Gotha bei der Buchvorstellung. Vor allem die letzten Kapitel des Buches beruhen auf den Memoiren von Andreas Mutter Viktoria-Luise. Aber Andreas öffnete für den Historiker auch das Familienarchiv. Andere Coburger Archive wie Landesbibliothek oder Staatsarchiv habe er nicht genutzt, sagt Beéche. Er habe auf eigenes Material und das Windsor-Archiv zurückgegriffen.


Was bleibt vom Coburger Erbe in Europa? Die Coburger hätten das Bild der Monarchie revolutioniert und sie damit stabilisiert, sagt Beéche. "Leopold I. und Baron von Stockmar öffneten die Palasttüren." Vorher fußte die Herrschaft der Könige nach derem Selbstverständnis auf göttlichem Recht; die Coburger sahen sich, so Beéche, dem Wohl des Volkes verpflichtet und vom Willen des Volkes abhängig. Dieser Sichtweise hätten sich dann die übrigen Monarchen angeschlossen. Ohne die Zustimmung der Bevölkerung könne sich kein Königshaus halten, sagt Beéche: "Denken Sie an den König von Spanien!"




Buch & Autor



Autor Arturo E. Beéche ist in Costa Rica geboren und studierte in den USA. Er lebt in Kalifornien. Seit 1997 leitet er die Gesellschaft Eurohistory, die mehrere Bücher zum Thema Adelsgeschichte publiziert hat.

Buch Arturo E. Beéche. The Coburgs of Europe. The Rise and Fall of Queen Victoria und Prince Albert's European Family. 376 Seiten, über 500 Abbildungen. East Richmond Heights, California, 2013. ISBN 978-0-9854603-3-4, Um 40 Euro.



Die Coburgs: Von Franz-Friedrich Anton bis Prinz Andreas



Herzog Franz-Friedrich Anton von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1750 - 1806) ist der Stammvater der weitverzweigten Familie, sein Sohn Ernst I. vergrößerte das Herrschaftsgebiet durch die Heirat mit Louise von Sachsen-Gotha-Altenburg. Seitdem trug das Haus den Namen Sachsen-Coburg und Gotha. Herzog Ernst II., der ältere Bruder von Prinzgemahl Albert, war der Ehrgeizige, sagt Beéche - er habe sogar davon geträumt, deutscher Kaiser zu werden.


Ein Sohn von Albert und Viktoria folgte Ernst II. auf den Coburger Thron: Alfred, Herzog von Edinburgh. Für Beéche der widerstrebende (reluctant) Herzog; Alfred, weitgereister Flottenadmiral, nannte Coburg "tödlich langweilig". Dank seines Vermögens habe er bei seinem Tod ein Herzogtum mit geordneten Finanzen hinterlassen können, sagt Beéche.

Es folgte der letzte Herzog, Carl-Eduard, "der Eifrige" (eager), wie Beéche ihn nennt. Als 16-Jähriger musste Carl-Eduard seine Identität als englischer Prinz (Duke of Albany) aufgeben und ein deutscher Fürst werden. Aus Carl-Eduards eigener Sicht war er darin erfolgreich, meint Beéche - aber Carl-Eduards Bestreben, n ach dem Ersten Weltkrieg die alte Würde zurückzugewinnen, habe ihn dazu gebracht, sich mit den Nationalsozialisten einzulassen. Vor 60 Jahren, am 6. März 1954, ist Coburgs letzter regierender Herzog gestorben. Nach wie vor ist er umstritten. Auch Beéche zitiert aus den Protokollen des Entnazifizierungsverfahrens, in denen Carl-Eduard die Existenz von Konzentrationslagern anzweifelte. "War er so begriffsstutzig oder naiv", fragt Beéche. Für seinen Enkel, Prinz Andreas, zeigt Beéches Buch ein stimmiges Bild von Carl-Eduard.

Andreas Vater, Prinz Friedrich Josias, ist in Beéches Charakterisierung "der abwesende Herzog": Seine 1942 geschlossene Ehe mit Viktoria-Luise von Solms-Baruth scheiterte nach Kriegsende, als Prinz Andreas drei Jahre alt war. Friedrich-Josias hielt sich selten in Coburg auf, lebte meist in Grein.

Andreas, sein Nachfolger, wuchs in den USA auf, nachdem seine Mutter einen amerikanischen Offizier geheiratet hatte. Vor 40 Jahren kam er zurück nach Coburg und trat sein Erbe an - Beéche nennt ihn den "Wiederaufbauer". Nicht nur, dass Andreas die Verbindungen zu den verwandten Häusern neu knüpfte und sich in seiner (Wahl-)Heimatstadt engagierte, er verhandelte nach der Wiedervereinigung auch erfolgreich mit Thüringer Stellen um den alten Besitz der Familienstiftung. Dass er auf einen langen Rechtsstreit und alle Ansprüche auf Schloss Friedenstein verzichtete, brachte ihm große Anerkennung und Respekt auf Thüringer Seite ein. Die Hochzeit von Erbprinz Hubertus und Prinzessin Kelly 2009 in Coburg, die von zahlreichen Vertretern von Fürsten- und Königshäusern besucht wurde, sei der Beweis, dass die Coburger zu ihrem alten Stellenwert zurückgefunden hätten, schreibt Beéche.