Notrufstelle Coburg: "Frauen-Plausch" statt Ponyhof
Autor: Christiane Lehmann
Coburg, Mittwoch, 10. Mai 2017
Ein neues Angebot soll Frauen ermuntern, über ihre Situation zu sprechen. Es geht um das Miteinander. Nur wer mag, kann Gewalt zum Thema machen.
Die Frauen, die sich an die Notruf- und Beratungsstelle für gewaltbetroffene Frauen und Kinder in Coburg wenden, wissen, dass das Leben kein Ponyhof ist. Die Erfahrungen, die sie machen mussten - ob in jungen Jahren oder aktuell - sind ganz unterschiedlich und reichen von Mobbing im sozialen Netzwerk bis hin zu brutaler häuslicher Gewalt.
Die Zahlen der Notrufstelle für Coburg, Kronach und Lichtenfels für 2016: In 39 Fällen gab es Beratungsanlass, weil Frauen sexualisierte Gewalt vor kurzem erlebt haben. Bei immerhin 102 Fällen liegt die sexualisierte Gewalt in der Vergangenheit. "Meist sind es Kindheits- oder Jugenderfahrungen', sagt Karin Burkardt-Zesewitz, die die Stelle leitet. 189 Frauen erlebten psychische Gewalt, 117 physische. Stalking kam in 28 Fällen vor. "Bei den meisten Fällen handelt es sich dabei um den Ex-Partner", erläutert die Sozialpädagogin.
Es sei ein holpriger Weg, der betroffene Frauen zur Beratung bringt. Deshalb ist es Karin Burkardt-Zesewitz und ihrem Team, Anni Schuhmann-Demetz und Janina Bartlau, ein Anliegen, möglichst niederschwellige Angebote zu machen.
Neu ist der "Frauen-Plausch", der am 5. Juli erstmals stattfinden soll. Alle zwei Wochen, immer mittwochs zwischen 18 und 19.30 Uhr, öffnet die Beratungsstelle in der Hindenburgstraße 1 ihre Türen.
"Wir wollen zusammen lesen, kochen, vielleicht mal was basteln oder eine Yogaübung ausprobieren", sagt Anni Schuhmann-Demetz und verrät, dass beim ersten Frauen-Plausch gemeinsam Cocktails gemixt werden.
Frauen, für die ein Gruppengespräch abschreckend wirkt, sind beim Frauen-Plausch gut aufgehoben, versichern die Organisatorinnen. "Keine muss etwas erzählen, jede kann ihrem Herzen Luft machen", sagt Karin Burkardt-Zesewitz.
Es sei klar, dass die Frauen, die zusammenkommen, eine Geschichte haben. Doch darum soll es vorrangig nicht gehen. Die Beratungsstelle und das Team kennenlernen, steht im Mittelpunkt. Und die gemeinsame Aktion natürlich. "Wir wollen nicht nur im Kreis sitzen", betont Schuhmann-Demetz, sondern schöne, entspannte eineinhalb Stunden zusammenhaben, sozusagen als erste Kontaktaufnahme. Wer möchte, kann gerne eigene Ideen zur Programmgestaltung einbringen.
Immer wieder Studentinnen
Angesprochen sind alle, die bisher den Weg gescheut haben. Dabei ist die Klientel der Mädchen und Frauen, die bei der Notrufstelle Hilfe suchen, breit gefächert. Es gibt Mädchen, denen K.-O.-Tropfen ins Getränk gekippt wurden oder die in der eigenen Clique belästigt wurden. Manchmal bringen sie auch ihre Mütter oder Freundinnen mit. Mobbing in sozialen Netzwerken spielt eine Rolle, genauso wie Nacktfotos, wegen derer die Mädchen erpresst werden. "Immer wieder melden sich Studentinnen, die nach einem lustigen Abend im Studentenwohnheim überwältigt wurden", berichtet Anni Schuhmann-Demetz.
In dem Zusammenhang weisen die beiden erfahrenen Frauen darauf hin, dass mit dem neuen Sexualstrafrecht, das im November 2016 in Kraft getreten ist, ein sexueller Übergriff schon dann strafbar ist, wenn er gegen den erkennbaren Willen einer Person ausgeführt wird. Es kommt nicht mehr darauf an, ob eine betroffene Person sich gegen den Übergriff körperlich gewehrt hat oder warum ihr dies nicht gelungen ist. "Nein heißt Nein."