NikolAUSzeit...
Autor: Cindy Dötschel
Neustadt bei Coburg, Freitag, 04. Dezember 2020
Seit neun Jahren ist Michael Grosch in Neustadt als Nikolaus unterwegs. Dieses Jahr muss er pausieren. Dass er am Nikolausmarkt- Wochenende nicht in die Seniorenheime kann, geht ihm besonders nahe.
In seinem Nikolaus-Kostüm sitzt Michael Grosch auf seinem Sofa. "Die Mütze habe ich verlegt. Normalerweise hänge ich das Kostüm bereits im November zurecht", sagt er. Wegen Corona wird der Neustadter den Nikolaustag in diesem Jahr zu Hause verbringen. Das Risiko, jemanden anzustecken, sei zu groß.
Senioren freuen sich wie Kinder
Seinen ersten Auftritt als Nikolaus hatte Grosch bereits vor neun Jahren. "Mein Vater hat für die Weihnachtsfeier des Gesellenvereins einen Nikolaus gesucht, den niemand erkennt", erzählt der heute 33-Jährige. Er sei offen und dreist genug gewesen, zuzusagen. Damit ihn auch beim Kauf seines Kostüms niemand sieht, hat er damals extra einen Termin bei Müller Festartikel in Thann ausgemacht. "Die Vereinsmitglieder haben fast zwei Jahre lang gerätselt, wer der Nikolaus war."
Durch Mund-zu-Mund-Propaganda haben immer mehr Vereine bei Grosch angefragt. Außerdem hat er angefangen, die Kinder von Freunden und Verwandten als Nikolaus zu besuchen. "Vor drei Jahren hat die Stadt Neustadt angefragt, ob ich gemeinsam mit dem Christkind die Seniorenheime am Nikolausmarktwochenende besuche."
Der Termin ist für ihn etwas ganz Besonderes. "Leuchtende Kinderaugen sind echt etwas Schönes. Wenn man Senioren überrascht, ist die Freude mindestens genauso groß", findet Grosch. Manche Senioren hätten sogar Freudentränen in den Augen. Weil wegen der Corona-Pandemie in den Altenheimen gerade ohnehin wenig Abwechslung geboten ist, findet er es umso bedauerlicher, dass der Nikolaus-Besuch ausfallen muss.
Mit der Drehleiter ans Fenster
"Ich hatte schon einige alternative Ideen, von denen sich aber keine umsetzen lässt", sagt Grosch. Ihm ist wichtig, dass für die Pfleger keine zusätzliche Arbeit entsteht. Eine Idee sei es gewesen, sich mit der Drehleiter vor die Fenster fahren zu lassen. "Aber es wird schwer, an alle Fenster zu gelangen. Und die Senioren in einem Raum zu versammeln ist wahrscheinlich auch nicht möglich."
Auf jeden Termin vorbereitet
Dass die Nikolausbesuche in diesem Jahr ausfallen müssen, trübt die Weihnachtsstimmung des Neustadters. Sein Haus hat er bislang noch nicht weihnachtlich dekoriert. Seine Glocke, ein Familienerbstück mit der Aufschrift 1824, und die Rute aus Reisig, die er auf seinen Wohnzimmertisch gelegt hat, hat er nur für das Gespräch mit dem Coburger Tageblatt aus dem Keller geholt. Genauso, wie das Kostüm und sein goldenes Buch.
In seinem goldenen Buch macht sich Grosch vor jedem seiner Einsätze als Nikolaus Notizen. "Ich gehe nie blanko wohin und lasse mir immer Informationen über die Kinder geben", erzählt Grosch. Für Vereinsweihnachtsfeiern lässt er sich immer Anekdoten erzählen, beispielsweise darüber, wer im vergangenen Jahr bei gemeinsamen Aktionen zu tief ins Glas geguckt hat.
Die Illusion bewahren
Grosch liegt es am Herzen, dass die Kinder möglichst lange an den Nikolaus glauben. "Wenn ich Dinge weiß, die eigentlich niemand außerhalb der Familie wissen kann, wirkt es authentischer" , sagt Grosch über seine Tätigkeit als Nikolaus.
Er ist überzeugt davon, dass Kinder noch bis ins Grundschulalter an den Nikolaus glauben, wenn dieser überzeugend ist. "In einer zweiten Klasse, die der Sohn einer Bekannten besucht, glauben noch 60 Prozent der Kinder an den Nikolaus."