Neustadter stehen Flüchtlingen als Paten bei
Autor: Rainer Lutz
Neustadt bei Coburg, Mittwoch, 30. Sept. 2015
Damit Flüchtlinge sich bei uns zurecht finden, muss sie jemand an die Hand nehmen. Das sollen Flüchtlingspaten übernehmen. Jeder kann bei dem neuen Projekt mitmachen.
Manchmal sind es die kleinen Dinge des Alltags, mit denen man in einem fremdem Land erst einmal klar kommen muss. Das gilt für Urlauber, es gilt aber noch viel mehr für Flüchtlinge, dachten sich einige Neustadter und initiierten die Aktion "Flüchtlingspaten".
"Unsere Unterstützung zielt auf den zweiten Schritt nach der Aufnahme, auf die soft skills, die im Alltag gebraucht werden", erklärt Bernd Gärtner. Der SPD-Stadtrat hat die Aktion zusammen mit seinen Fraktionskollegen Wolfram Salzer und Heinrich Luthardt ins Leben gerufen. Inzwischen ist der rund 20-köpfige Helferkreis aber fraktionsübergreifend aufgestellt, jeder kann mitmachen. Auch Ines Förster, die Leiterin des Familienzentrums am Schützenplatz ist dabei, wenn die Flüchtlingspaten ihre Arbeit planen.
Gärtner legt Wert darauf, dass die Flüchtlingspaten keiner anderen Hilfsorganisation ins Handwerk pfuschen, sich nirgends einmischen wollen.
72 Flüchtlinge suchen Paten
Zurzeit geht es da um 72 Menschen, weiß Ines Förster. Sie leben bereits in Wohnungen oder in einer größeren Unterkunft in der Innenstadt. Adressen wollen die Helfer nicht mehr gern nennen. Sie wissen, dass nicht jeder den Flüchtlingen so freundlich gegenüber steht wie sie selbst.Sie wissen auch, dass es nicht einfach ist, wenn vor allem junge Männer nach all dem, was sie hinter sich haben, beengt und untätig zusammen leben müssen. "Die brauchen auch Bewegung, die brauchen Beschäftigung", weiß Ines Förster. Da setzen die Flüchtlingspaten an.
Bei ihren Treffen sammeln sie Ideen, überlegen mögliche Kontakte, die geknüpft werden könnten. Sie wollen Mittler sein zwischen den Asylbewerbern und Vereinen oder Organisationen wie der Feuerwehr. Denn warum sollten Flüchtlinge nicht im Sport oder beim Dienst in der Feuerwehr aktiv werden?
Die Paten wollen aber auch direkt bei Kleinigkeiten selbst helfen. "Dass bei uns Müll getrennt wird oder dass es wichtig ist, an einem bestimmten Tag eine bestimmte Mülltonne rauszustellen, das wissen die einfach nicht, das muss man ihnen sagen", erklärt Bernd Gärtner.
Oberbürgermeister Frank Rebhan (SPD) nennt ein Beispiel: "Wir stecken eine Pfanddose in den Automaten. Er nimmt sie nicht. Wir glätten sie ein wenig, damit er den Strichcode erkennt - dann wird die Dose vom Automaten zerquetscht. So was muss man jemandem erklären."
Andererseits können die Flüchtlingspaten auch helfen, Potenziale zu erkennen, die bei den Neuankömmlingen vorhanden sind. Ines Förster berichtet von Studenten in der Gruppe, die zurzeit in Neustadt zusammen lebt. "Einer hat sogar schon einen Bachelor-Abschluss an einer internationalen Uni", weiß sie. Hier Wege zu finden, wie die Asylbewerber ihre Ausbildung fortsetzen oder nutzen können, das wollen die Paten versuchen.
Integration funktioniert nur durch Kontakt. Das weiß auch Wolfram Salzer. Er ist begeisterter Läufer und will den jungen Flüchtlingen Möglichkeiten bieten, im Laufsport aktiv zu werden. Wenn es am 3. Oktober heißt: "Neustadt bewegt sich, Neustadt wandert", wollen die Paten die Flüchtlinge in die Aktion einbinden. Die Gedenkveranstaltung zum Fall der innerdeutschen Grenze bietet für Bernd Gärter eine Möglichkeit "ihnen zu erklären, dass bei uns auch nicht immer alles Friede und Freude war."
Jeder kann Pate werden
Wer sich für diese niederschwellige Hilfe für die Flüchtlinge interessiert, kann jederzeit Kontakt mit den Initiatoren der Aktion Kontakt aufnehmen oder zu einem der Infotreffs kommen. Diese finden jeden Freitag von 17 bis 18 Uhr im Café "Teddybär" in der Kirchstraße statt.
Es geht nicht um Geld
Wichtig ist den Initiatoren, dass sich damit keinerlei finanzieller Aufwand verbinden soll. Der neue Pate lernt vor der Übernahme seiner Patenschaft die Einzelperson oder die Familie, um die er sich kümmern soll, erst einmal kennen.
"Es muss zwischenmenschliches Verständnis und Vertrauen da sein, das dürfte für den Erfolg einer Patenschaft von nicht unerheblicher Bedeutung sein", ist Wolfram Salzer überzeugt.Der Pate ist danach vor allem ein Ansprechpartner für ganz alltägliche Fragen. Er hilft Besonderheiten unserer Kultur und unseres Miteinander zu verstehen, um Konflikte zu vermeiden. In welchem Umfang sich jeder Pate einbringt, entscheidet er selbst.