Neukirchen: Von der Rechtsanwältin zur Schamanin
Autor: Oliver Schmidt
Coburg, Mittwoch, 03. November 2021
Christine Busl war als Anwältin tätig - bis sie irgendwann nicht mehr konnte. Heute ist sie selbstständige Schamanin. Wir sprachen mit ihr über ihren außergewöhnlichen Lebensweg.
Wenn Christine Busl aus ihrem Wohnzimmerfenster schaut, sieht sie vor allem Wald und Wiesen. Außerdem fließt gleich hinterm Haus die Lauter vorbei, deren Wasser ein kleines Mühlrad zum Drehen bringt. Ein paar Meter weiter steht eine prächtige Trauerweide. "Mein Lieblingsbaum", erklärt die gebürtige Münchnerin, die ihr Anwesen in Neukirchen auch liebevoll "Oase" nennt.
Wenn Christine Busl sozusagen "auf den Rest der Welt" schaut, fällt die Beobachtung nicht ganz so ruhig und idyllisch aus. Für viele Menschen würde es heute nur noch um ein "größer, weiter, schneller, besser" sowie um Konsum und schnelles Glück gehen, sagt die 52-Jährige. Was da völlig auf der Strecke bleibe, sei der Bezug zur Natur, die Freude an den kleinen Dingen und vor allem das "einfach mal zur Ruhe kommen". Das alles mündet für Christine Busl in der Analyse: "Viele haben es verlernt, auf ihre Seele zu hören."
Christine Busl hat bereits einige Male auf ihre Seele gehört. Wenn sie von den großen Wegpunkten in ihrem Leben erzählt, erscheint der Umzug vom großen München ins kleine Lautertal noch am gewöhnlichsten. "Ich wollte die Welt gerechter machen", sagt Christine Busl, wenn sie sich an ihre erste Berufswahl erinnert. In ihrer Kindheit war sie selber ein Opfer von sexueller Gewalt geworden.
Heute weiß sie, dass es bei solchen Delikten besonders wichtig ist, den Betroffenen so schnell wie möglich helfend zur Seite zu stehen. Deshalb engagiert sie sich seit einigen Jahren auch beim Weißen Ring - ehrenamtlich. Doch nach dem Abitur hatte sie zunächst noch den Anspruch, hauptamtlich die Welt gerechter zu machen.
Deshalb studierte sie Jura und wurde Rechtsanwältin. 20 Jahre lang ging das gut. Dann aber nicht mehr. "Ich konnte den Beruf nicht mehr ausüben", sagt Christine Busl mit leiser Stimme. Denn eine Anwältin müsse nun einmal zu 100 Prozent ihren Mandanten vertreten - egal, ob der die Wahrheit sagt oder nicht. "Es hat mich angewidert Lügner vertreten zu müssen", erinnert sie sich und stellt im Rückblick fest: "Ich wollte mich nicht mehr streiten. Vor allem nicht mehr für andere Menschen.
Denn das hat mich zunehmend krank gemacht." Nach einer Phase der Depression beendete sie ihre Tätigkeit in der Rechtsanwaltskanzlei und trennte sich auch von ihrem ersten Ehemann. Seinetwegen war sie bereits 1996 von München nach Thüringen gezogen, und mit ihm hatte sie 1998 eine Tochter und 2004 auch einen Sohn bekommen.
Die Bedeutung der Trommeln
Christine Busl fand schnell eine neue berufliche Herausforderung als Leiterin der Ausländerbehörde am Landratsamt in Hildburghausen. Parallel dazu vollendete sie die bereits zuvor begonnene Ausbildung zur Schamanin, nachdem sie sich auch schon in den Jahren zuvor spirituell weitergebildet hatte.