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Nachtwächter werden in Bad Rodach


Autor: Christoph Wiedemann

Bad Rodach, Donnerstag, 03. Mai 2018

Rodachs Nachtwächter sind ab heute wieder auf Tour. Die Zeiten, in denen sie vom Bürgermeister einen Maulkorb verpasst bekamen, sind vorbei.
Lars Otto führt die Bekleidung eines Nachtwächters vor. Dabei versucht er das Horn zu stoßen, um die Saison zu eröffnen. Foto: Christoph Wieedmann


"Hört ihr Leut und lasst euch sagen,..." Mit diesem Ausruf ziehen ab dem 3. Mai in schwarz gekleidete Männer durch Bad Rodach. In den Händen halten sie eine Hellebarde und eine Laterne. Um den Hals baumelt ein Horn. Man trifft sie jeden Donnerstag in den Abendstunden und kann ihren Reimen lauschen.

Die Nachtwächter sind wieder unterwegs. Und sie benötigen Nachwuschs, um weiterhin jeden Donnerstag für Einheimische und Touristen einen Stadtrundgang anbieten zu können. Am Sonntag gibt es ein Seminar für alle, die Nachtwächter werden wollen.

"Man lernt, vor Menschen aufzutreten", erläutert der Vorsitzende Netzwerk Bad Rodach, Lars Otto. Reimen muss man beherrschen, "denn die Nachtwächter tragen ihre Geschichten gereimt vor", sagt Otto. Das Schwierigste dabei sei es, die Reime selbst zu schreiben.

"Stimmgewaltig muss ein Nachtwächter sein", berichtet Ramona Stegner vom Stadtmarketing Bad Rodach. Außerdem solle der Nachtwächterumhang schon ausgefüllt werden, sagt Stegner. Am Sonntag, den 6. Mai, werden all diese Dinge, die ein Wächter braucht, gelehrt. Es ist das erste Seminar für Nachtwächter seit 1997, erklärt Otto.


Traditioneller Singsang

"Das überhöhte Sprechen muss geübt werden, denn die Wächter tragen ihre Reime in einem Singsang vor", erläutert Ramona Stegner. Dann sei es wichtig das Reimen zu lernen. Dabei sei die geeignete Reimform wichtig. "Die müssen kurz und knackig sein", sagt Stegner. "Das richtige Auftreten ist wichtig. Man muss sich präsentieren können", so Stegner. Zuletzt müssen die Nachwuchsnachtwächter die Geschichte der Nachtwächter und der Stadt kennen lernen.

Immerhin muss der Nachtwächter nicht mehr die Aufgaben übernehmen, die er früher ausüben musste. "Sie waren dafür zuständig, das Licht ein und auszuschalten", erzählt Otto. "Und sie haben den Leuten heimgeleuchtet, wenn sie nicht mehr eigenständig nach Hause gefunden haben", sagt er weiter.

Heute läuft ein Nachtwächter einen Rundgang durch die Stadt. Dabei erzählt er Anekdoten und Geschichten. Am Pulverturm reimt der Wächter einige Verse über das aktuelle politische Geschehen der Region.


Maulkorb-Erlass


"Damit haben wir es in den 80er Jahren sogar schon in die Bunte geschafft", erinnert sich Otto. Ein Nachtwächter hatte in seinen Reimen "Internas aus der Stadtratssitzung preisgegeben", sagt er. Um dem vorzubeugen, verhängte der Rodacher Bürgermeister den Maulkorb-Erlass. Er zensierte die Reime der Nachtwächter.


Auch während der Fußball-WM?


19 Wochen treten die Nachtwächter bei Wind und Wetter vor ihr Publikum. Aktuell sind sie zu dritt. "Da muss man mit der Urlaubsplanung aufpassen", sagt Stegner. "Im letzten Jahr ist er nie ausgefallen", sagt Ramona Stegner.

Einzig bei der Fußball-WM "lagen die Interessen auf anderen Dingen, als einer Nachtwächterführung", erinnert sich Otto, "da gab es bei deutschen Spielen keinen Rundgang."