Nachtwache ist vorerst zu Ende: Wer passt jetzt in Bad Rodach auf?
Autor: Bettina Knauth
Bad Rodach, Freitag, 06. Sept. 2019
Am Pulverturm verabschiedeten sich die Bad Rodacher Nachtwächter in die Winterpause. Der Dienstälteste, Karl-Heinz Engelhardt, bestritt das Saisonfinale.
Die Freiluftsaison der Bad Rodacher Nachtwächter ist zu Ende: Am Donnerstagabend löschte Zweiter Bürgermeister Ernst-Wilhelm Geiling symbolisch das Licht der großen Laterne am Pulverturm. Zuvor hatte Bad Rodachs dienstältester Nachtwächter, Karl-Heinz Engelhardt, mit amüsanten, aber auch kritischen Versen sein Publikum unterhalten.
Vor dem festlich illuminierten Pulverturm warteten schon vor 20 Uhr zahlreiche Besucher auf den Auftritt des Nachtwächters. Neben einigen Einheimischen hatten sich überwiegend Gäste des Medical Parks in Bad Rodach und der Kurklinik in Bad Colberg eingefunden. Während die "Blaskapelle Meeder" vor der früheren Stadtmauer die gut 70 Besucher auf seinen Auftritt einstimmte, machte sich in der Abenddämmerung hinter dem alten Schulgebäude Nachtwächter Engelhardt bereit. Allein, denn weder sein Sohn Christian noch der neunjährige José Ramón Kienel konnten beim Saisonausklang dabei sein. Der Enkel des ehemaligen Zunftmeisters Walter Kienel war wegen der Schule heuer nur zum Saisonauftakt aufgetreten, und Heldentenor Christian Engelhardt kehrte nach fünf Einsätzen während der Theaterferien wieder an die Bremer Staatsoper zurück. So betrat einzig der dienstälteste Chronist die "Bühne", wie immer in den letzten 13 Jahren begleitet von Amy, seinem Labrador-Mischling. Geduldig wartete die treue Begleiterin darauf, dass der mittlerweile 73-Jährige seinen Auftritt über die Bühne brachte.
Lange Nachtwächtertradition
Mit Hellebarde, Laterne, Hut und schwarzem Mantel ausgestattet begann er den Reigen des mal vergnüglichen, mal nachdenklichen Reimens. Engelhardt hätte den Gästen den Unterschied zwischen einem "echten" Nachtwächter und einem Stadtführer im Nachtwächtergewand erklären können. Denn nur richtige wie die Bad Rodacher Nachtwächter gehören der gleichnamigen Zunft an. Und von ihnen gibt es lediglich rund 180 weitere Akteure in ganz Europa.
Dass diese Tradition gerade hier in der Kurstadt gepflegt wird, kommt nicht von ungefähr: Bad Rodach blickt auf eine lange Nachtwächtertradition zurück. In dem Städtchen, in dem manch romantischer Winkel zu einer Zeitreise einlädt, wurde das Nachtwächteramt bis 1896 ausgeübt, ehe Gendarmen die Aufgabe des nächtlichen Wachens übernahmen.
Der damalige Fremdenverkehrsverein regte 1982 an, diese Tradition wiederzubeleben. Erste Nachtwächtertreffen und die Idee einer europäischen Nachtwächter- und Türmerzunft machten Bad Rodach zur Nachtwächter-Metropole.
Das Hornblasen, mit dem Engelhardt seine selbst geschriebenen Reime abgrenzt, gehört ebenso fest zum Vortrag wie die Darbietungen der Musiker zu dessen Untermalung. In dem typischen "Hört Ihr Leute"-Singsang nahm der Nachtwächter das lokale wie das weltweite Geschehen aufs Korn: Der Klimawandel und seine Folgen kamen darin ebenso vor wie die brennenden Urwälder, die Flüchtlinge und die Schere zwischen Arm und Reich.
Kritik an der Kurstadt
In der Kurstadt, prangerte Engelhardt an, gebe es abends kaum eine Ausgeh- oder Einkehrmöglichkeit mehr. Dafür aber Tag für Tag reichlich Verkehr, der viel zu schnell durch die Stadt rase. Seine Idee: Mit dem beim nicht realisierten neuen Flugplatz gesparten Geld könne doch die Innenstadt untertunnelt werden.