Druckartikel: Nach Fall bei AWO: Dürfen Unternehmen wegen politischer Einstellung kündigen?

Nach Fall bei AWO: Dürfen Unternehmen wegen politischer Einstellung kündigen?


Autor: Christian Pack

Rödental, Sonntag, 20. November 2016

Eine Pflegerin wird wegen ihrer politischen Gesinnung entlassen. Der Fall löst Diskussion aus hat. Wir haben Unternehmen und Behörden befragt.


Eindeutige Kommentare in den Sozialen Medien, Videos mit klaren politischen Statements: Weil eine Hilfspflegerin eines Rödentaler Seniorenheims (Landkreis Coburg) im Internet ihre rechtsextreme Seite offen zeigte, wurde sie von ihrem Arbeitgeber, der Arbeiterwohlfahrt (Awo), fristlos entlassen. Die Frau passe mit ihrer politischen Einstellung nicht ins Team, begründete Randolf Spang, der geschäftsführende Vorsitzende des Awo-Bezirksverbandes. "Hätten wir bei der Bewerbung von der politischen Einstellung gewusst, dann hätten wir sie nicht eingestellt."

Im Internet wird die Entscheidung der Awo intensiv diskutiert. Rein rechtlich ist der Wohlfahrtsverband auf der sicheren Seite. Die Frau war noch in der Probezeit. Dann ist - unter Einhaltung der Probezeit-Kündigungsfrist - eine Entlassung ohne Grund möglich. "Es kommt daher nicht darauf an, warum der Arbeitgeber gekündigt hat, vorausgesetzt er hat nicht aus rechtsmissbräuchlichen Erwägungen gekündigt", erklärt Nadja Häfner-Beil, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei den AfA-Rechtsanwälten Bamberg. Solche Erwägungen werde man bei einer nach außen offen getragenen rechtsextremen Gesinnung nicht annehmen können.

Grundsätzlich sind politische und religiöse Anschauungen Privatangelegenheiten des Arbeitnehmers und dürfen weder erfragt noch bewertet werden. Allein die Tatsache, dass die persönlichen Ansichten des Arbeitnehmers nicht mit denen des Arbeitgebers übereinstimmen, dürfe nicht zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen, erklärt Häfner-Beil. "Etwas anderes gilt nur dann, wenn die persönlichen Ansichten des Arbeitnehmers sich auf das Arbeitsverhältnis so gravierend auswirken, dass dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann, das Arbeitsverhältnis fortzuführen."



Politisch-religiöse Einstellungen nicht Teil eines Vorstellungsgesprächs

Bei einem Vorstellungsgespräch muss man sich grundsätzlich nicht zu seinen politischen oder religiösen Einstellungen äußern. Etwas anderes, so Häfner-Beil, könne nur gelten, wenn die Einstellungen dazu führen, dass der Bewerber die Tätigkeit nicht ausführen kann oder die Einstellung geschäftsschädigend ist. "Etwa, wenn ich mich als strikte Veganerin nicht in der Lage sehe, Kunden beim Wurstkauf zu beraten, mich aber als Fleischereifachverkäuferin bewerbe."

Eine Einschränkung gelte bei sogenannten Tendenzbetrieben, also Betrieben die vorwiegend z.B. politischen, karitativen, erzieherischen, oder künstlerischen Bestimmungen dienen. Das betrifft zum Beispiel Gewerkschaften, Parteien, kirchliche Einrichtungen, Kindergärten oder Schulen. "Diese Betriebe haben das Recht, auch in Einstellungsgesprächen die Bewerber nach Inhalten zu fragen, die für deren Zweck wesentlich sind." Beispielsweise, ob ein Bewerber als Erzieher vorbestraft ist, oder ob ein Bewerber für eine Stelle als Krankenpfleger in einem Krankenhaus der Caritas auch Mitglied in der christlichen Kirche ist.


Internet kein rechtsfreier Raum

Was sonstige persönliche Angelegenheiten betrifft, muss ein Arbeitnehmer ebenfalls keine Auskünfte erteilen - es sei denn, der Arbeitnehmer hat ein berechtigtes Interesse an der Information. Zum Beispiel im Bezug auf eine Krankheit, die die Eignung für eine bestimmte Arbeit infrage stellt.

Allerdings muss sich ein Arbeitnehmer in seiner Freizeit an Regeln halten. Wer sich beispielsweise im Internet an Diskussionen beteiligt, sollte Beleidigungen und Schmähkritiken unterlassen. "Das kann zu einer Kündigung führen", erklärt die Kölner Fachanwältin für Arbeitsrecht, Nathalie Oberthür.

Auch könnten persönliche Ansichten problematisch werden, wenn erkennbar wird, wer der Arbeitgeber ist. "Generell sollten Äußerungen im Netz von derselben Zurückhaltung geprägt sein wie im öffentlichen Umgang", so die Kölner Rechtsanwältin.



Das sagen Firmen und Behörden aus der Region:



Firma Brose: Beim Automobilzulieferer Brose existiert ein Verhaltenskodex mit Standards, "die wir für unser ethisches Verhalten zu Grunde legen", so Peter Lehnert, Leiter Externe Kommunikation der Brose-Gruppe. Damit wolle man gegenseitigen Respekt, Ehrlichkeit und Fairness gewährleisten. Der Verhaltenskodex berücksichtige die vielfältigen Kulturen und Wertvorstellungen der Mitarbeiter in aller Welt "und ist ein Bekenntnis zur gesellschaftlichen Verantwortung unseres global ausgerichteten Familienunternehmens".

Brose befürworte grundsätzlich das gesellschaftliche Engagement seiner Mitarbeiter in Vereinen und Organisationen oder in öffentlichen Funktionen auf kommunaler sowie überregionaler Ebene. Für dieses Engagement, insbesondere für die Mitwirkung in Stadt-, Gemeinderäten und Kreistagen, räumen die Vorgesetzten ihren Mitarbeitern die notwendigen Freiräume ein. "Jeder Mitarbeiter hat im Rahmen seines persönlichen Engagements jedoch dafür Sorge zu tragen, dass das Unternehmen nicht in politische Kampagnen oder öffentliche Auseinandersetzungen verwickelt wird", erklärt Lehnert.

Brose fördere ein Arbeitsklima, das Vielfalt zulässt. Unterschiede zwischen den Mitarbeitern würden geschätzt und respektiert. Diskriminierungen, Belästigungen oder Einschüchterungen aufgrund von Rasse, Geschlecht, Hautfarbe, Religion, Staatsangehörigkeit, Alter, Personenstand, sexueller Orientierung, Abstammung, sozialem Status oder körperlicher Behinderung seien verboten, "denn sie widersprechen dem Ziel eines respektvollen und fairen Umgangs - sowohl im beruflichen als auch privaten Umfeld". aga

Baur-Gruppe: "In den vergangenen Jahren mussten wir uns zum Glück nicht mit solch einem Vorfall beschäftigen", sagt Manfred Gawlas, Pressesprecher der Baur-Gruppe in Burgkunstadt. Dieser wäre generell aber sicher nicht mit den grundsätzlichen Werten der Unternehmensgruppe vereinbar. "Wir würden uns sehr genau den Einzelfall anschauen und nach einschlägiger Prüfung alle arbeitsrechtlichen Möglichkeiten offen halten. Klar ist, dass wir in unserer Unternehmensgruppe menschenverachtende, ausländerfeindliche und rechtsradikale Positionen nicht tolerieren", so Gawlas. kdm

Landratsamt Forchheim: Die politische, weltanschauliche und religiöse Ausrichtung der Mitarbeiter spielt am Landratsamt Forchheim in der alltäglichen Praxis eine untergeordnete Rolle. "Alle Beamte haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Die gleiche Pflicht gilt auch für Tarifbeschäftigte", erklärt Pressesprecherin Kathrin Schürr. Mitarbeiter, die einer extremistischen Organisation angehören, seien dem Landratsamt Forchheim nicht bekannt. Ebenso gab es bisher keine extremistischen Vorfälle von Mitarbeitern, "wonach arbeitsrechtliche oder disziplinarische Maßnahmen geboten gewesen wären". Für den Fall, dass solche Konstellationen bekannt werden sollten, "würden selbstverständlich die erforderlichen Maßnahmen ergriffen". mg

Stadt Bamberg: Auch im Bamberger Rathaus gab es in der Vergangenheit keinen vergleichbaren Fall. Mitarbeiter im öffentlichen Dienst würden bei der Einstellung bzw. der Verbeamtung Verfassungstreue geloben und sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen, erklärt Stadt-Sprecherin Ulrike Siebenhaar. Einem Mitarbeiter, der in einer extremen politischen Ecke aktiv sei, könne sofort fristlos gekündigt werden. "Wenn er sich erst später dazu bekennt, überprüft das der Verfassungsschutz." Sollte der Mitarbeiter in einer Art und Weise tätig sein, dass es nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu vereinbaren ist, werde er ebenfalls umgehend aus dem Dienst entfernt. chp

Landratsamt Haßberge: Beim Landratsamt Haßberge ist in den letzten 22 Jahren kein Fall bekannt geworden, bei dem ein Mitarbeiter aufgrund seiner extremen politischen Einstellung entlassen werden musste. Im öffentlichen Dienst, so Pressesprecherin Monika Göhr, gibt es aber allgemein Gebote der "Mäßigung und Zurückhaltung", die über den dienstlichen Bereich hinaus gehen. "Wird jemand in radikalen Kreisen aktiv und sind Anzeichen dafür da, dass ein Mitarbeiter verfassungswidrig agiert, würden wir die Sache aufgreifen." Es gäbe dann die Möglichkeiten des Tarif- und Dienstrechtes‎ bis hin zur Entfernung aus dem Dienst."

Landratsamt Bad Kissingen: Das Landratsamt Bad Kissingen verlangt von jedem Arbeitnehmer vor der Einstellung ein Führungszeugnis. Außerdem erfolgt eine Belehrung zur Verfassungstreue inklusive der vorherigen Beantwortung eines Fragebogens. Vergleichbare Vorkommnisse, wie dem Fall in Rödental, sind in Bad Kissingen nicht bekannt. "Auch unser Geschäftsführer kann sich an nichts Vergleichbares in seiner nun fast 30-jährigen Dienstzeit im Landratsamt erinnern", so Sprecherin Lena Pfister.
Auch im Rathaus von Bad Kissingen gab es noch keinen vergleichbaren Fall. "Falls dies so wäre, würde jeder Einzelfall individuell überprüft und bewertet. Eine pauschale Regelung ist nicht umsetzbar", unterstreicht Stadt-Sprecher Thomas Hack. Grundsätzlich würde man sich in dieser Frage an die gesetzlichen Vorgaben halten. Gemäß Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes dürfe niemand wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Die Tarifverträge und Beamtengesetze würden vorschreiben, dass die Beschäftigten im öffentlichen Dienst sich als verfassungstreu bekennen. pz

Kulmbacher Brauerei: Helga Metzel von der Kulmbacher Brauerei erklärt, dass sich das Unternehmen "im Rahmen des normalen politischen Spektrums zur Neutralität verpflichtet" fühlt. Darüber hinaus würde man es im Sinne des Betriebsklimas begrüßen, "dass keiner unserer Mitarbeiter an den extremen Rändern des politischen Spektrums auffällig ist", so die Leiterin der Unternehmenskommunikation. am