Druckartikel: Musik und Liebe besiegen im Landestheater Coburg den Tod

Musik und Liebe besiegen im Landestheater Coburg den Tod


Autor: Jochen Berger

Coburg, Freitag, 13. Juni 2014

Mit ihrer Inszenierung von "Madama Butterfly" haben Magdolna Parditka und Alexandra Szemerédy vor gut einem Jahr für Furore gesorgt - nicht nur in Coburg. Mit einem doppelten Opernabend kehrt des junge Regie- und Ausstattungs-Duo ans Landestheater zurück.
Magdolna Parditka (vorne) und Alexandra Szemerédy bringen Glucks "Orpheus und Eurydike" und "Savitri" von Gustav Holst auf die Bühne des Landestheaters. Im Hintergrund: musizierender Engel mit Harfe. Foto: Jochen Berger


"Orpheus und Eurydike" von Christoph Willibald Gluck und "Savitri" von Gustav Holst sind zwei Opern, die eineinhalb Jahrhunderte trennen und die dennoch viele Gemeinsamkeiten besitzen. In beiden Opern geht es um den Kampf eines Liebenden gegen den Tod. Am Landestheater Coburg bringt das junge ungarische Theater-Duo Magdolna Parditka und Alexandra Szemerédy beide Werke an einem Abend auf die Bühne.

Sie arbeiten seit neun Jahren zusammen. Verraten Sie uns: Wie "funktioniert" ein Regie- und Ausstattungs-Duo?
Alexandra Szemerédy: Das funktioniert durch fruchtbare Diskussionen. Natürlich vertiefen wir uns auch einzeln in die Materie. Schon in einer ziemlich frühen Phase tauschen wir die ersten Eindrücke und Gedanken aus, hören die Oper gemeinsam an.

Dabei entstehen die ersten Fragen: Wie sehen wir den Ort, wie sind die Charaktere, was wollen wir sagen?
Magdolna Parditka: Das wichtigste bei einer solchen Zusammenarbeit ist der ständige Austausch. Gerade dadurch entwickelt sich das Konzept extrem harmonisch, wobei sich der Raum, in dem wir unsere Geschichte erzählen, mit unserer Erzählweise verbindet.

Wie haben Sie auf das Angebot reagiert, nach "Madama Butterfly" als zweite Arbeit am Landestheater Gluck und Holst auf die Bühne zu bringen?
Alexandra Szemereéy: Wir waren sehr froh, als uns Bodo Busse gerade die Kombination "Orpheus" und "Savirtri" angeboten hat. Uns war sofort klar: Das ist etwas für uns. Dieser Themenbereich interessiert uns besonders - es führt in eine Welt des Schlafs, des Traums, des Todes, es geht um das Unbewusste. Das ist ein Labyrinth, in dem man sich gerne verliert.

Wie nähern Sie sich dem Stück an?
Magdolna Parditka: Die beiden Stücke behandeln sehr existenzielle Frage. Natürlich kann man sehr pathetisch mit dem Thema Leben und Tod umgehen. In diesem Fall war uns aber sehr wichtig, dass wir dieses Thema sehr persönlich angehen - ohne Pathos und sehr intim.
Alexandra Szemerédy: Unser Ziel ist es nicht, den großen Mythos in den Mittelpunkt zu stellen, sondern die kleinen Abschiede. Das ist viel menschlicher.
Magdolna Parditka: Trotzdem bleibt das Ganze auf einer archaischen Ebene gültig. Sowohl die ästhetische Sprache als auch die Erzählweise ist abstrakt.
Alexandra Szemerédy: Ästhetisch ist das sehr zurückhaltend gehalten, sehr puristisch. Es gibt ein gemeinsames Bühnenbild für beide Opern, aber wir sehen nicht immer das gleiche Bild - der Raum entwickelt sich.

Wie sehen Sie die Figur Orfeo?
Magdola Parditka: Dadurch, dass wir beide Stücke gemeinsam interpretieren, verschieben sich die Betonungen. Jetzt liegt das Gewicht auf dem Thema männliches und weibliches Prinzip. Das Thema Künstlertum bleibt sehr wichtig. Trotzdem werden die Fragen von Leben und Tod im Vergleich wichtiger.
Alexandra Szemerédy: Orfeo ist Sinnbild des Sängers, aber gleichzeitig Sinnbild des individuellen Menschen - ein Renaissancemensch, der sagt, ich gebe nicht soviel auf die göttliche Ordnung, ich will meinen eigenen Weg gehen. Diese kritische Geisteshaltung ist sehr wichtig. Das wiederum ist sehr ähnlich zu Savitri. Sie sagt auch: Tod komm, aber ich überzeuge Dich schon, dass Du wieder gehst.

Wo steht Gluck für Sie stilistisch: näher am Barock oder näher an der Klassik? Oder ist er vielleicht doch ein Komponist, der irgendwie aus der Zeit gefallen ist ?
Alexandra Szemerédy: Er fußt auf den Grundlagen des Barock und bewegt sich in Richtung Klassik. Bei ihm fängt im Grunde schon das Regietheater an. Es ist bei ihm wunderbar zu lesen, was in den Noten steht - konkrete Regieanweisungen. Er hat immer das Einfache gesucht - nicht die langen Arien, bei denen es nur um die Verzierungen für die Virtuosen ging. Auf mich wirkt Gluck heute immer noch sehr modern.

Wie würden Sie die Musik von Gustav Holst beschreiben?
Magdolna Parditka: Sie ist sehr atmosphärisch. Was uns sehr inspiriert hat ist der archaische Unisono-Anfang, wo aus dem Nichts heraus der Tod anfängt, Savitri zu rufen. Sehr interessant ist auch die Orchestrierung mit zwei Streichquartetten. Auf der Bühne haben wir eine ähnliche Konstellation - wir haben vier Balletttänzer und vier Balletttänzerinnen.

Haben Sie stilistische Vorbilder?
Alexandra Szemerédy: Klar hat man Respekt vor großen Regisseuren, aber es ist schon so, dass wir unsere eigene Sprache entwickeln.
Magdolna Parditka: Man muss immer versuchen, bei sich selber zu bleiben. Nur so schafft man etwas Neues - etwas, das wirklich wirkt. Man muss die eigene Sprache finden.

Wie beschreiben Sie Ihren Stil?
Magdolna Parditka: Es gibt Dinge, die immer wieder bei uns auftauchen, die uns beschäftigen - zum Beispiel die Tür als Symbol für einen Durchgang. Was uns vielleicht auch charakterisiert, ist, dass sich der Charakter der handelnden Personen auch im Bühnenbild widerspiegelt.
Alexandra Szemerédy: Wichtig ist uns, dass sich die Geschichte auf mehreren Ebenen erzählt. Wir erzählen nicht nur mit den Darstellern, sondern die Bilder sagen auch enorm viel. Das Visuelle ist extrem wichtig.

Was schätzen Sie besonders am jeweiligen Gegenüber?
Alexandra Szemerédy: Was ich bei Magdolna sehr schätze, ist ihre Fähigkeit, den Dingen immer auf den Grund zu gehen. Das ist auch der Grund, warum die Diskussionen mit ihr immer so viel bringen. Man seziert etwas so gründlich, bis man das findet, was wirklich wichtig ist. Sie gibt einfach nicht auf, immer weiter und weiter zu fragen.
Magdolna Parditka: Alexandra behält so wahnsinnig den Überblick. Sie weiß immer, wohin die Geschichte sich entwickeln soll. Es gibt oft so unterschiedliche Wege und Fäden. Man kann sich so leicht verlieren. Sie aber behält immer den Überblick. Das finde ich sehr beruhigend.

Wie erleben Sie Coburg in der Probenzeit?
Alexandra Szemerédy: Spazieren zu gehen ist hier wunderschön - egal, in welche Richtung man geht, man findet immer etwas Tolles.Es gibt hier so viele Zeitebenen, durch die man läuft. Das ist sehr inspirierend. Es ist sehr angenehm ruhig, aber sehr lebendig.
Welche Premieren-Rituale pflegen Sie?
Magdolna Parditka: Ich rauche immer eine Zigarette bei der Premieren-Feier, obwohl ich ansonsten gar nicht rauche.
Alexandra Szemerédy: Wir sitzen immer im Zuschauerraum bei der Premiere.
Magdolna Parditka: Ganz viele Kollegen machen das extra nicht, aber uns ist es extrem wichtig, die Premiere mit zu erleben, um mit dem ganzen Herzen, der ganzen Seele dabei zu sein.
Alexandra Szemerédy: Es wäre so schade, wenn man das nicht miterlebt. Ich glaube, die Künstler brauchen auch gerne diesen Spiegel. Vor der Premiere bin ich auch nervös, aber wenn es anfängt, bin ich plötzlich total ruhig. Wenn ich draußen bleiben würde, wäre ich nervöser.




Doppelter Premieren-Abend am Landestheater Coburg


Premieren-Tipp "Orpheus und Eurydike" / "Savitri" - Oper von Christoph Willibald Gluck/ Kammeroper von Gustav Holst, Sonntag, 22. Juni, 19.30 Uhr, Landestheater Coburg; Einführungs-Matinee: 15. Juni, 11 Uhr, Theater in der Reithalle

Produktionsteam Musikalische Leitung: Anna-Sophie Brüning; Inszenierung, Bühnenbild, Kostüme: Alexandra Szemerédy / Magdolna Parditka; Choreografie; Mark McClain;
Dramaturgie: Renate Liedtke; Choreinstudierung: Lorenzo Da Rio

Interpreten Orpheus: Verena Usemann; Eurydike: Anna Gütter/Julia Klein; Amor: Julia Jakob; Savitri: Anna Gütter/Betsy Horne; Satyavan: David Zimmer
Tod: Rainer Scheerer

Termine
27., 29. Juni, 2. Juli, 19.30 Uhr, 12. Juli, 16 Uhr, 17. Juli, 19.30 Uhr

Hintergrund Glucks "Orpheus und Eurydike" wurde in der sogenannten Wiener Fassung 1762 uraufgeführt.
Die Kammeroper "Savitri" von Gustav Holst basiert auf einer Episode aus dem indischen Heldenepos "Mahabharata". Das 1908 komponierte Werk wurde 1916 uraufgeführt.

Handlung Glucks "Orpheus und Eurydike" erzählt von Orpheus, der in den Hades hinabsteigt, um seine tote Gattin Eurydike wieder ins Leben zurück zu holen. Die Kammeroper "Savitri" erzählt davon, wie die Frau des Holzfällers Satyavan den Tod überlistet und dadurch ihren Mann zurück gewinnt.

Das Regieteam
Alexandra Szemerédy und Magdolna Parditka verbindet seit dem Studium am Béla-Bartók-Konservatorium in Budapest eine enge künstlerische Zusammenarbeit. Unter anderem inszenierte das Team auf Einladung des Dirigenten Adam Fischer in Budapest 2006 Wagners "Parsifal". Mit "Madama Butterfly" stellten sie sich 2013 erstmals dem Coburger Publikum vor. Diese Produktion wurde für den Theaterpreis "Faust" nominiert.

Gluck-Festspiele Die Aufführung am 17. Juli am Landestheater ist zugleich ein Beitrag zu den "Gluck Opern-Festspielen", die vom 14. bis 27. Juli zum 300. Geburtstag des Komponisten in Nürnberg, Fürth, Erlangen, Berching, Freystadt und Coburg stattfinden.