Mörder musikalisch betrachtet
Autor: Dr. Carolin Herrmann
Coburg, Mittwoch, 11. März 2015
Ein Verbrechen, allein um des Tötens willen. Im Coburger Theater in der Reithalle kommt "Thrill me" von Stephen Dolginoff zur Premiere. Es handelt sich um ein Musical.
Die pure Lust am Bösen. Sie steckt sehr wohl auch im Menschen, trotz Jahrtausende langer zivilisatorischer Anstrengungen. Verbrechen ohne sonstige nachvollziehbare Motiva tion entsetzen uns mehr als alle anderen, konfrontieren uns mit der dunklen Seite des menschlichen Wesens. Und manchmal scheint es, als nehme der Zerstörungsgeist und die Mitleidlosigkeit gerade in der Wohlstandsgesellschaft zu.
"Thrill me" heißt das neue Reithallen-Stück, das am Samstag Premiere in der Reithalle hat. Es geht zurück auf einen wahren Mordfall, der 1924 die amerikanische Öffentlichkeit entsetzte und zahlreichen Autoren und Filmemachern als Vorlage diente, unter anderem Alfred Hitchcock ("Cocktail für eine Leiche", 1948) oder Richard Fleischer ("Der Zwang zum Bösen", 1959). Das Besondere an der theatralen Bearbeitung des amerikanischen Autors Stephen Dolginoff: Er versucht sich dem Abgrund mit den Mitteln der Musik zu nähern. "Thrill me" ist ein Musical.
Mai 1924: In der Nähe von Hammond (Indiana) wird die Leiche eines 14-jährigen Jungen gefunden. Es handelt sich um den vermissten Robert "Bobby" Franks aus Chicago. Als Täter werden der 19-jährige Nathan Leopold und der 18-jährige Richard Loeb ermittelt. Die beiden jungen Männer aus wohlsituierten Häusern passen in kein Erklärungsschema.
Beide wuchsen wohlbehütet und gefördert auf, galten als außerordentlich intelligent: Leopold, der fünf Sprachen fließend beherrschte, studierte Jura an der Universität Chicago; und auch Loeb war ein hochbegabter Schüler, der mit 17 als jüngster Absolvent in die Geschichte der University of Michigan einging.
Während des Prozesses gestanden beide, die Tat vor allem wegen des Nervenkitzels begangen zu haben. Der Fall der "Thrill Killers von Chicago" erregte größtes Aufsehen . Spektakulär war der Prozess auch deshalb, weil das Plädoyer des Verteidigers Charles Darrow eine zwölfstündige Rede war, in der der Anwalt die inhumanen Methoden und Strafen des amerikanischen Justizsystems anprangerte. Darrow gelang es, Leopold und Loeb vor der Todesstrafe zu retten, beide wurden zu lebenslanger Haft verurteilt. Loeb starb 1936 im Gefängnis, Leopold kam nach 33 Jahren auf Bewährung frei und starb 1971 in Puerto Rico.
Constanze Weidknecht, seit 2012 Regieassistentin in Coburg, kümmerte sich im letzten Jahr um die märchenhafte "Arabische Prinzessin". Bei ihrer zweiten eigenständigen Regie will sie jetzt versuchen, in die Seelen zweier junger Männer zu blicken, die den Weg des Menschlichen verlassen, um des puren Kicks wegen.
Weidknecht hat die Prozessakten und Gutachten studiert: "Es ist wirklich gruselig, es lässt sich kein Grund finden, warum die beiden diesen Mord begangen haben - nur die bloße Lust am Töten. Das Stück ist heute nicht weniger aktuell: Erinnern wir uns beispielsweise an den alten Mann, der vor die S-Bahn gestoßen wurde oder an den Jugendlichen, der auf dem Berliner Alexanderplatz zu Tode geprügelt wurde."
Songs in deutscher Sprache
In den Rollen von Richard Loeb und Nathan Leopold sind in Coburg Andreas Langsch und Manuel Dengler zu sehen und zu hören. Die beide stehen derzeit in "Hair" als Berger und Woof auf der Coburger Bühne.
"Thrill Me" kam erstmals 2003 in New York auf die Bühne. Nach der erfolgreichen Off-Broadway-Produktion 2005 durch die York Theatre Company wurde das Musical weltweit in fast 100 Inszenierungen gezeigt. In Coburg wird in deutscher Sprache gesungen, begleitet von Dominik Tremel am Klavier. Die Musik versucht auf eher zeitlos-klassischem Wege, die Emotionen und Stimmungen der Protagonisten auszuloten, nicht im herkömmlichen rock-poppigen Stil moderner Musicals. Erzählt wird in Rückblenden.
Der Autor Der New Yorker Komponist Stephen Dolginoff wurde auch für sein Musical "Thrill Me" mehrfach ausgezeichnet. Andere Stücke von ihm sind "Flame", "One foot out the door", "Most men are", eine eigene Version von Jule Vernes "Reise zum Mittelpunkt der Erde" sowie das Musical "Panic" über die Geschichte hinter Orson Welles' berühmtem Hörspiel "Krieg der Welten".
Constanze Weidknecht, geboren in Nürnberg und seit 2012 Regieassistentin am Landestheater Coburg, stellte sich vor einem Jahr mit der "Arabischen Prinzessin" erstmals als Regisseurin vor. Constanze Weidknecht studierte Gesang, Tanz und Schauspiel in New York sowie Theaterwissenschaften in Wien. Das Regiehandwerk erlernte sie unter anderem bei Peter Konwitschny.
Die Produktion Stephen Dolginoff "Thrill Me", Musicaldrama nach einem wahren Kriminalfall. Musikalische Leitung Dominik Tremel; Inszenierung Constanze Weidknecht; Ausstattung Susanne Wilczek, Dramaturgie Renate Liedtke; Darsteller Andreas Langsch und Manuel Dengler. Premiere: Samstag, 14. März, 20 Uhr, Reithalle.
C.H.