Mit dem Schwert für Seßlach
Autor: Rainer Lutz
Seßlach, Mittwoch, 12. August 2015
Wenn es gilt, Seßlachs Ruhm und Ehre zu mehren, dann ist Heinrich Winkelmann allzeit bereit. Er legt die Ritterrüstung an, greift zum Schwert und zwingt so manchen Gast der Stadt in die Knie - zum Ritterschlag versteht sich.
Als Heinrich Winkelmann 1964 bei Innsbruck im Schnee stand und sich beinahe die Füße abfror, wusste er noch nicht, dass er eines Tages als Ritter zu Seßlach einen echten Prinzen zum Ritter schlagen würde. Aber da wusste er auch noch eine Reihe anderer Dinge nicht, die ihm auf seinem Lebensweg begegnen würden. Allerdings wusste er, warum er im Schnee stand: "Da waren die olympischen Winterspiele und der Schah von Persien sollte kommen", erklärt er. Den wollte er mal aus der Nähe sehen.
Es brauchte aber keine Berühmtheiten, um Heinrich "Heinz" Winkelmann zum Reisen zu bringen. Es war schon immer seine Passion. Wer viel reist, vergleicht die Fremde mit der Heimat. Heinrich Winkelmann verglich das Coburger Land und seine Geburtsstadt Seßlach mit vielen Ländern vom Senegal bis in die USA und von Frankreich bis nach Rumänien. Dorthin fuhr er, als an eine Öffnung der Grenzen noch lange nicht zu denken war.
Nach all dem Vergleichen mit der Fremde fand Heinrich Winkelmann, die Welt müsse ein wenig mehr auf die Reize seiner Heimat aufmerksam gemacht werden. Er begann sich Anfang der 80er Jahre für die Entwicklung eines sanften Tourismus in Seßlach zu engagieren. Umtriebig war er da allerdings schon längst. 1972 steckte er hinter der Gründung des Faschingsvereins und war auch gleich der erste Faschingsprinz. Fast gleichzeitig gründete er einen Ortsverband der Jungen Union, war später als CSU-Politiker im Stadtrat und im Kreistag vertreten. "Aber ich habe auch manchmal für Anliegen abgestimmt, die von einer anderen Fraktion kamen, wenn ich es für richtig hielt."
Mit dem Jubiläum fing es an
Dann rückte das Stadtjubiläum näher.
Es war 1985, dass Seßlach sein 650-jähriges Bestehen feierte. Im Altstadtausschuss, dem Winkelmann angehörte, kam die Idee auf, eine Art Gallionsfigur für die Tourismuswerbung zu schaffen, einen Nachtwächter vielleicht. Zuerst im kleinen Kreis verkündete Heinz Winkelmann: "Einen Nachtwächter haben doch schon viele. Ich mache einen Ritter." Schließlich hat Seßlach mit Schloss Geyersberg so etwas wie eine Burg, und einer der Herren vom Geyersberg hieß auch noch Heinrich.Der neue angehende Ritter Heinrich war inspiriert von den damaligen Ritterauftritten in Jagsthausen - und bereits in Sachen Rüstung unterwegs. "Ich hab herausgefunden, dass die Rüstungen auf der Veste Coburg von zwei Schmieden repariert werden", erzählt er. Einer davon arbeitete in Rothenburg ob der Tauber. Dort ließ sich Heinz Winkelmann einrüsten.
Was er da in einer großen Holzkiste seither von Helm über Harnisch bis Bein- und Armschutz einschließlich Schwert aufbewahrt, kostete ihn damals einige Tausend Mark. "Das war es mir wert!", lässt er keinen Zweifel an der bis heute ungebrochenen Freude am Ritterstand.
So trat er denn vor genau 30 Jahren erstmals als Seßlacher Ritter auf den Balkon von Schloss Geyersberg. "Da ging schon ein Raunen durch die Reihen", erinnert er sich. Die "Ernennungsurkunde", die er von dort oben dem Seßlacher Volk verlas, hatte eigentlich den Wortlaut jeder Urkunde, mit der einst der Kaiser Seßlach das Stadtrecht verlieh. Der Text wurde nur ein wenig auf die Verleihung der Ritterwürde abgewandelt. So klang alles sehr echt mittelalterlich.
Seit 30 Jahren kleidet sich nun Heinrich Winkelmann als Ritter von Seßlach in Blech und gibt den Botschafter seiner Stadt in Sachen Tourismus. Aber ihn auf den Ritter zu reduzieren, würde ihm bei weitem nicht gerecht.
Als Stadtführer leitet der pensionierte Berufsschullehrer Gruppen mehrsprachig durch den Ort. Das gilt auch für Besucher aus China. Chinesisch zu lernen ist eines seiner neueren Hobbys. "Es ist sehr schwer, weil die Betonung sehr wichtig ist, aber es macht mir viel Spaß und es ist sehr interessant", kann er sich begeistern. Mit dem Johanni-Orden hat er auch einen illustren Kreis von Rittern ins Leben gerufen, die sich ein- bis zweimal im Jahr zur Tafelrunde treffen, um im Zeichen des Schutzpatrons der Seßlacher Kirche zu beraten, wie der Stadt und ihren Menschen geholfen werden kann. Einige Tausend Euro an Spenden sind so schon an die unterschiedlichsten Adressen geflossen. Zwölf Plätze hat die Tafelrunde auf dem Geyersberg. Einige sind zurzeit frei, weil der Tod die Reihen der Recken gelichtet hat. Nur Ritter der Tafelrunde können ein neues Mitglied des Ordens vorschlagen. Die Suche läuft.
Anders ist es beim "touristischen Ritterschlag", wie es Heinrich Winkelmann nennt, wenn hin und wieder das Schwert auf eine Schulter gelegt wird, weil er es zusammen mit Bürgermeister Martin Mittag so beschlossen hat.
Da können dann Gäste der Stadt vor dem Ritter knieen, die seit vielen Jahren treu ihre Ferien in Seßlach verbringen oder illustre Persönlichkeiten wie Leopold, Prinz von Bayern, der im Rahmen eines Isetta-Treffens die Stadt besuchte. Landrat Michael Busch hatte Winkelmann schon unter dem Schwert.Und der allererste Erhenritter war ebenfalls ein Landrat: Helmut Knauer kniete damals vor dem Ritter.
Ob am Wochenende beim Altstadtfest ein neuer Ritter zu Ehren kommt und wenn ja, wer das wird - das verrät Heinz Winkelmann natürlich noch nicht.
So läuft das Altstadtfest
Programm Beim Seßlacher Altstadtfest gibt es einiges zu erleben.
Samstag, 15 August:
9 bis 18 Uhr: Flohmarkt;
14 bis 18 Uhr: Handwerkermarkt an der Kirche;
14 bis 17.30 Uhr: Auftritt der Blaskapelle Neundorf;
15.30 Uhr: Seßlacher Kasperle in der alten Schule;
16 Uhr: Stadtlauf rund um die Stadtmauer;
20 Uhr: Tanzabend mit der Musikkapelle Chicco.
Sonntag, 16. August:
10 bis 18 Uhr: Gewerblicher Markt und Handwerkermarkt.
10 bis 13 Uhr: Frühschoppen mit der Stadtkapelle Seßlach.
10.30 Uhr: Historischer Umzug.
11 Uhr: Böllerschießen mit den Schützenvereinen und Bieranstich.
14 bis 17.30 Uhr: Volksmusiknachmittag, mit den Autenhausner Musikanten.
17 Uhr: Das Seßlacher Kasperle in der Alten Schule.
18 bis 23 Uhr: Ausklang mit der Band Rossinis.
An beiden Tagen:
10 bis 18 Uhr: Ausstellung im Rothenberger Torturm, Öffnung des Heimatmuseums, Lagerleben im Stadtgraben und rund um die Stadtmauer;
13 bis 17 Uhr: Besichtigung des Kommun-Brauhauses.