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"Mensch, Carsten, des isses!"


Autor: Simone Bastian

Coburg, Freitag, 22. Januar 2016

Aufgewachsen im Landkreis Coburg, politisch aktiv in Unterfranken: Warum die SPD im Raum Coburg-Kronach Doris Aschenbrenner als Bundestagskandidatin nominieren will.
Doris Aschenbrenner am Laptop im Sitzungszimmer des SPD-Unterbezirks in Coburg. Foto: Simone Bastian


30 Jahre, in der Partei gut vernetzt und kompetent in den Zukunftsthemen Netzpolitik und Industrie 4.0: Mit diesen Voraussetzungen hätte jeder Chancen in jeder Partei, für ein wichtiges Mandat nominiert zu werden. Der SPD-Unterbezirk Coburg-Kronach hat jetzt zugegriffen: Doris Aschenbrenner soll in den Bundestag.

Offiziell nominiert ist sie noch nicht, der Termin für die Delegiertenkonferenz steht noch nicht mal fest. Der hängt davon ab, wann die Oberfranken-SPD ihre Kandidaten-Reihung vornimmt. Außerdem sind die Delegierten noch nicht gewählt, das darf laut Gesetz nicht vor April geschehen.

Aber der Unterbezirksvorstand der SPD hat sich einmütig festgelegt. Doris Aschenbrenner soll antreten. Am Donnerstag stellte sie sich im Schneckenloher "Ponyhof" nicht nur den Mitgliedern des Unterbezirksvorstands vor, sondern auch den drei Kreisvorständen (Coburg-Stadt, Coburg-Land und Kronach) sowie den Ortsvorsitzenden im Unterbezirk Coburg-Kronach.

Der Unterbezirk ist identisch mit dem Bundestagswahlkreis. Von 2002 bis 2008 war die SPD mit einem Abgeordneten in Berlin vertreten - erst mit Heinz Köhler, dann mit Carl-Christian Dressel. Beide waren aber nicht direkt gewählt, sondern über die Liste eingezogen, wie derzeit alle bayerischen SPD-Bundestagsabgeordneten. Das beste Erststimmenergebnis hatte bei der Wahl 2013 der Coburg-Kronacher SPD-Kandidat Norbert Tessmer, der gar nicht auf der Liste zu finden war. Tessmer war nachnominiert worden, als Carl-Christian Dressel aufgab, der aber keinen sicheren Listenplatz hatte.

Inzwischen finde der Unterbezirk auch wieder in Oberfranken Akzeptanz, "die wir lange nicht mehr hatten", wie Carsen Höllein einräumt, der Vorsitzende des SPD-Kreisverbands Coburg Land. Er, sein Stadt-Kollege Stefan Sauerteig, der Kronacher Kreisvorsitzende Ralf Pohl und Unterbezirksvorsitzender Thomas Rausch hatten das Kandidaten-Casting vorgenommen. "Mensch, Carsten, des isses", habe er zu Höllein am Rande des Seßlacher Adventsmarkts gesagt, berichtet Rausch. Dort wurde Aschenbrenner gefragt, ob sie bereit wäre, zu kandidieren. "Wir haben gute Leute, aber ausschlaggebend war die Vernetzung", sagt Höllein. Nur mit Unterstützung aus der gesamten Landespartei ist ein guter Listenplatz - als solche gelten normalerweise die ersten 20 - sicher. Bei der Bundestagswahl gilt die Faustregel, dass ein Prozent Wählerstimmen ein Abgeordnetenmandat bedeutet. Bei Umfragen auf Landesebene liegt die SPD derzeit bei 16 Prozent.

Als netzpolitische Sprecherin gehört Doris Aschenbrenner zum Vorstand der Bayern-SPD; da sie (noch) in Würzburg bei der SPD gemeldet ist und dort dem unterfränkischen Bezirksvorstand angehört, dürfte sie auch da Unterstützer haben. Außerdemwar sie im Bundesvorstand der Hochschuljusos und ist Themenpatin für den Bereich "Digitale Bildung" im netzpolitischen Programmbeirat der Bundes-SPD.

Seit 2005 engagiert sich Doris Aschenbrenner in der SPD. Sie fand während des Informatik-Studiums in Würzburg zur Partei, als es um die Studiengebühren ging. Doch eine gewisse Familientradition gibt es auch: "Mein Urgroßvater war SPD-Bürgermeister in Einberg, deshalb hat sich meine Oma so gefreut", erzählt die 30-jährige, die in Rödental aufwuchs. Beide Eltern sind Lehrer für Mathematik und Informatik, aber ihre beiden Brüder studierten Sozialarbeit und Theologie. Doris Aschenbrenner interessierte sich als Mädchen schon für Robotik, machte mit bei "Jugend forscht" und gehört immer noch in der Oberfranken-Jury des Wettbewerbs an.

Christian Ude, Spitzenkandidat der SPD im Landtagswahlkampf 2013, berief sie in sein Kompetenz-Team. Die SPD in Kitzingen nominierte sie als Landtagskandidatin. "Ich weiß also, wie Wahlkampf funktioniert", sagt sie. Dazu gehören pointierte Sätze wie "ich lebe zwar in Würzburg, aber im Herzen habe ich Oberferanken nie verlassen" und das Bekenntnis ("ohne scheiß"), dass ihr Lieblingsgericht Coburger Klöße sind. Aber auch über die Zukunft der im Raum Coburg-Kronach ansässigen Maschinenbauindustrie kann sie druckreif reden - schließlich ist die nächste Automatisierungswelle (Stichwort Industrie 4.0) auch Thema ihrer Doktorarbeit. Was das für die Zukunft der Unternehmen, aber auch für die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten bedeutet, will sie mitgestalten.

Ansonsten stellt sie sich auf die bundespolitischen Themen ein, die für die Region eine Rolle spielen: Flüchtlinge, ICE-Halt, Stromtrassen zählt sie auf.

Wer ihr politischer Konkurrent im Kampf ums Direktmandat wird - immer vorausgesetzt, sie selbst wird nominiert - ist noch offen. Bei der CSU ist noch nicht klar, ob Hans Michelbach noch einmal antritt; dafür hat sich der CSU-Kreisverband Kronach ausgesprochen. Für Thomas Rausch stellt sich die Frage "Michelbach oder nicht" ohnehin nicht. "Wir selbst müssen überzeugen." Rausch, der es sich zum Ziel gesetzt hatte, als Vorsitzender den vorher sehr gespaltenen Unterbezirk wieder zu einen, sieht angesichts des einhelligen Votums für Doris Aschenbrenner seinen Kurs bestätigt: "Wir sind so geschlossen wie seit Ewigkeiten nicht." Und das sei die wichtigste Voraussetzung für einen erfolgreichen Wahlkampf.