Mein Mann, mein Azubi
Autor: Christiane Lehmann
Meeder, Dienstag, 27. April 2021
Wenn die eigene Frau die Chefin ist: Dirk Prosch (52) macht eine Ausbildung zum Podologen. Einfach ist das nicht.
Alles andere als gewöhnlich: Eine Podologie-Praxis in Großwalbur mit einem 52-jährigen Auszubildender, dessen Chefin auch noch die eigene Ehefrau ist. Für Julija und Dirk Prosch ist ihr "Fußglück", wie sie ihr kleines Familienunternehmen genannt haben, Leidenschaft und Lebensinhalt.
Vor fünf Jahren haben die beiden geheiratet. Damals ist Julija gerade mit der Ausbildung zur Podologin fertig, Dirk arbeitet als Krankenpfleger beim BRK Coburg. 2018 eröffnet sie ihre Praxis in Großwalbur. "Mit dem Begriff können viele gar nichts anfangen", sagt sie und betreibt seither kräftig Aufklärungsarbeit: "Unter medizinischer Fußpflege können sich die Leut' zwar mehr vorstellen, aber unser Beruf geht weit darüber hinaus. Wir sind systemrelevante Therapeuten mit einer zweijährigen Vollzeitausbildung."
Auf 10000 Einwohner sollte mindestens ein Podologe kommen. Fußkrankheiten aufgrund von Diabetes, Nagelpilz oder Wunden seien auf dem Vormarsch. "Jährlich werden etwa 40000 Fußzehen amputiert. Ein Großteil davon könnte gerettet werden, wenn die Patienten - meist Diabetes - rechtzeitig zum Podologen geschickt werden würden.", Davon ist Julija Prosch überzeugt. Coburg Stadt und Land sei jedoch unterversorgt, sagt die 45-Jährige, die nach eigenen Angaben eine 60-Stunden-Woche hat. Hausbesuche, Behandlungen in Alten- und Pflegeheimen inbegriffen. Eine kassenärztliche Zulassung hat sie nicht, dennoch gibt es einige Krankenkassen, die die Kosten ihrer Patienten übernehmen, "einfach, weil sie froh sind, dass sie podologisch behandelt werden". Es fehle einfach an Nachwuchs.
Unterstützt wird Julija Prosch seit Januar diesen Jahres von ihrem Ehemann Dirk. Der hat vor drei Jahren berufsbegleitend die Ausbildung zum Podologen angefangen. "Ich wollte einfach noch mal was anderes machen", sagt der langjährige Krankenpfleger. Ganz so stressig hatte er sich das alles aber nicht vorgestellt. Sonntag bis Donnerstag arbeitete er in der Sozialstation in Coburg, Freitag und Samstag drückte er die Berufsschulbank in Erfurt - bis der Lockdown den Präsenzunterricht untersagte. In seinen Urlauben absolvierte er verschiedene Praktika. 1000 Stunden müssen nachgewiesen werden. Jetzt fehlen ihm noch 80, im Sommer stehen die Abschlussprüfungen an. Praktikumsplätze seien rar, da die Ärzte - vor allem die Hautärzte kaum zeitliche Freiräume zur Betreuung der Praktikanten hätten.
Privates hat in der Praxis nichts verloren
Berufliches und Privates zu trennen, sei gar nicht so einfach. "Wenn wir in der Praxis sind, ist alles klar. Da bin ich die Chefin", lacht Julija Prosch, wohlwissend, dass sie von ihrem Mann auch schon einiges gelernt hat. Vor allem in der Wundbehandlung konnte ihr der Krankenpfleger am Anfang wertvolle Tipps geben. "Wir verstehen uns so gut, weil wir uns so gut ergänzen", sagt sie. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass das Privatleben eben nicht immer nur privat ist, sondern das ein oder andere Thema vom Tag mit an den Abendbrottisch kommt. Ihr Mann sei der ruhige und geduldige Part, sie reagiere eher impulsiv. "Manchmal ist sie bei der Arbeit auch pingelig und streng. Aber so lernt man halt auch was", lacht ihr Auszubildender Dirk. Zusammen seien sie aber ein richtig gutes Team.
Ein medizinischer Fachberuf Podologie ist die nichtärztliche Heilkunde am Fuß. Die Bezeichnung leitet sich vom griechischen pous für "Fuß" und logos für "Sprache/Lehre" ab.
Die Maßnahmen von Podologen sind vielfältig und ergeben sich aus den Gebieten der Inneren Medizin (Diabetologie), Dermatologie, Chirurgie und Orthopädie. Sie umfassen präventive und kurative therapeutische Maßnahmen rund um den Fuß. Podologen sind in Deutschland aufgrund des Podologengesetzes (PodG) als medizinischer Fachberuf und nichtärztlicher Heilberuf definiert.
Podologen arbeiten als selbstständige Leistungserbringer in eigenen Podologiepraxen mit oder ohne Kassenzulassung. Die Schwerpunkte ihrer Arbeit sind die Behandlung von Nagelpilz, Wunden am Fuß, diabetische Füße und eingewachsene Nägel.
Wer eine podologische Behandlung möchte, braucht in Corona-Zeiten ein Rezept vom Haus- oder Facharzt. Es kann auch ein "grünes" sein. Die Kosten dafür müssen meist selbst getragen werden.