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Mehr Totholz für das Coburger Land gefordert


Autor: Rainer Lutz

LKR Coburg, Montag, 04. Juli 2016

Förster und Naturschützer werben dafür, mehr Holz im Wald verrotten zu lassen. Förderprogramme entschädigen die Eigentümer.


"Wie sieht es denn bei euch im Wald aus?" Wenn Waldbauern diese Frage zu hören bekommen, dann wissen sie, dass sie als nächstes erklären müssen, was es mit dem Waldnaturschutz auf sich hat. Verständnis ernten sie dabei nicht immer. Zu sehr lebt in der Bevölkerung eine Vorstellung von einem Wald, der "schön" sein sollte. "Schön" ist dabei gleichzusetzen mit ordentlich und aufgeräumt. Aufklärung tut Not.
Förster Norbert Wimmer vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) wählt den Platz vor einer riesigen Buche im Rodacher Wald bewusst, wenn er erklärt, worum es geht. "Diese Buche hatte schon vor mehr als 20 Jahren eine große Spechthöhle", erklärt er. Generationen von Hohltauben sind hier geschlüpft und flügge geworden. Die Buche im Rodacher Wald ist ein so genannter Biotopbaum.

Zu ihren Wurzeln liegen die Reste einer Baumkrone, ein Baumriese, der im Sturm abgebrochen ist. Das Holz am Boden modert und ist von Moos und Pilzen überzogen. Totholz nennt es der Förster.


Es geht vor allem um Laubholz

Solches Totholz noch viel häufiger im Wald liegen zu lassen, nicht von Fichten oder Kiefern, aber von Laubbäumen, ist ein großes Ziel des behördlichen Naturschutzes. "Im Totholz lebt eine Vielzahl von Organismen, die wieder die Nahrung für Vögel sind", erklärt Uwe Wolf von der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt Coburg. Dass es Fördermittel dafür gibt, wenn Waldbesitzer Biotopbäume stehen lassen und Totholz nicht beseitigen, hat für ihn gute Gründe: "Wir machen das nicht, weil es der Naturschutz so haben will, sondern weil wir das als Lebensgrundlage brauchen."
Totholz liegen zu lassen, wird nach dem Vertragsnaturschutzprogramm Wald des Umweltministeriums mit 90 Euro pro Stück, für Biotopbäume mit bis zu 195 Euro pro Baum gefördert. Susanne Dürer von der Naturschutzbehörde bei der Regierung von Oberfranken sieht eine hohe Nachfrage nach Fördermitteln. Als das Programm 2005 gestartet wurde, zahlte die Regierung rund 60 000 Euro an Waldbesitzer aus, die entsprechende Anträge gestellt hatten. Inzwischen sind es rund 600 000 und die Nachfrage ist größer als das Budget. So würden Prioritäten gesetzt. Natura 2000 Schutzgebiete, Landschaftsschutzgebiete und Flächen im Grünen Band würden bevorzugt.
Die staatlichen Forstbetriebe sehen sich zu einer Vorbildfunktion verpflichtet, wie Oliver Kröner, Bereichsleiter Forst am AELF, betont. 40 bis 50 Festmeter je Hektar an Totholz liegen zu lassen, sei das Ziel für naturnahe Wälder, sagt er. Er zeigt aber auch Verständnis, wenn Waldkorporationen und private Waldbesitzer nicht so viel liegen lassen wollen. Schließlich ist die Nachfrage nach Brennholz überall groß. Viele Korporationen können den Bedarf ihrer Mitglieder kaum decken.


Kritik an langer Bindung

In diesem Zusammenhang kritisiert Gerhard Geflitter von der Waldkorporation Rodach, dass die Vertragsdauer im Programm für Biotopbäume und Totholz von fünf auf zwölf Jahre angehoben wurde. "Bei fünf Jahren ist das Ende abzusehen, bei zwölf Jahren wissen wir doch nicht, was später mal ist", sagt er.
Doch da sieht Susanne Dürer wenig Chancen, die Änderung zurück zu nehmen. "Wir wollen ja, dass so ein Baum sich entwickeln kann. Das erfordert Zeit", stellt sie klar.
Bad Rodachs Bürgermeister Tobias Ehrlicher (SPD) schlug vor, Totholz und Biotopbäume vermehrt dort zu belassen, wo das Gelände eh schwer zugänglich ist. Ein Vorschlag, den auch Manfred Herter von der Waldbauernvereinigung gut findet. An gut zugänglichen Stellen könnten dann Selbstwerber ihr Brennholz schlagen.
"Im Privatwald nehmen wir was wir kriegen", sagt Förster Wimmer. Aber eigentliche gehe es darum, Totholz systematisch in der Fläche zu verteilen. Försterin Anke Schäfer, die mit den Korporationen zusammen arbeitet, wenn es um die Aufnahme schützenswerter Lagen geht, rät zum Rechnen. Nicht so wertvolle Stämme bringen im Verkauf nach Abzug aller Kosten weniger ein, als wenn sie liegen bleiben und der Waldbesitzer die Förderung kassiert.
Dass Forst und Naturschutz gerade in den Eichenbestand hinter der Therme Bad Rodach führten, um die Problematik zu erläutern, hat gute Gründe. Die Bestände sind so beispielhaft wie die Zusammenarbeit von Waldbesitzern, Behörden und Stadtverwaltung. "Viele Waldbesitzer haben schon von je her intuitiv viel für den Waldnaturschutz getan, sie fühlen sich ja ihrem Besitz verbunden", betont Oliver Kröner. Heute kommt eine wissenschaftliche Komponente hinzu, die hinter dem staatlichen Handeln steht. Längst haben viele Länder eine Strategie zum Erhalt der Biodiversität entwickelt, so auch der Freistaat Bayern.


Umdenken braucht Zeit

Stößt Kröner bei vielen Waldbesitzern mit den Anliegen des Waldnaturschutzes auf Verständnis, so braucht es wohl in der breiten Bevölkerung noch eine Weile, bis die Vorstellung aus den Köpfen verschwindet, ein Wald müsse aufgeräumt, sauber und eben nach dieser Vorstellung "schön" sein.