Martin Luther und die festen Burgen
Autor: Bettina Knauth
Bad Colberg-Heldburg, Donnerstag, 24. August 2017
Luthers "Ein feste Burg" ist das bekannteste evangelische Kirchenlied. Wie kam der Reformator zu der Metapher? Antworten gibt es auf der Veste Heldburg.
Ob Martin Luther jemals die Veste Heldburg besucht hat? "Wohl eher nicht", meint Professor G. Ulrich Großmann, "aber bestimmt hat er diese regional bedeutsame Burg von einem Fenster der Veste Coburg aus gesehen." Bei einem Rundgang erläuterte der "Vater" des Deutschen Burgenmuseums kürzlich die dortige Sonderausstellung "Ein feste Burg ist unser Gott - Luther und seine Burgen".
Vielleicht passierte der Reformator während seines Aufenthalts in Coburg zumindest die Stadt Heldburg. Denn dass Luther in seinem halben Coburger Jahr nicht einmal seinen Mitstreiter Jodok Mörlin in Westhausen besucht hat, der dort auf seine Empfehlung hin seit 1521 die erste protestantische Pfarrstelle überhaupt innehatte, "das kann ich mir nicht vorstellen", zeigte sich Großmann überzeugt.
Das wohl bekannteste Kirchenlied der Protestanten steht im Mittelpunkt der Sonderschau, die noch bis zum 5. November 2017 im Kirchensaal der "Fränkischen Leuchte" zu sehen ist. Wie kam Luther zu der Gleichsetzung von Gott und Burg? Welche Vorstellungen hatte er überhaupt von einer Burg? Wie entstand das Lied und wie wirkte es? Auf all diese Fragen möchte die Schau im Burgenmuseum, deren Konzeption der stellvertretende Vorsitzende des Trägervereins schilderte, eine Antwort geben. Anhand von Original-Handschriften, Bildern, Hörproben und Multimedia-Installationen können sich Besucher ihr eigenes Bild von der Glaubens-Hymne machen.
Ein grundsätzlich sicherer Ort
Über 30 Burgen hat Luther sicher betreten, sagte der Professor für Kunst- und Baugeschichte. Alle nachgewiesenen Stationen zählt die Ausstellung auf. Nur auf der Wartburg und der Veste Heldburg seien Wohnräume erhalten geblieben. Doch wie kam der Bürgerliche in Kontakt mit den Burgherren? Als Mönch habe er sicherlich adelige Mit-Mönche besucht, als Reformator dann Kontakt zu den Mächtigen gesucht, die ihn unterstützten: "Gerade im Kurfürstentum Sachsen und in der Landgrafschaft Hessen boten sich Luther viele Gelegenheiten, auf Burgen zu übernachten", meinte Großmann. Kurfürst Friedrich der Weise (1463-1525), der auch Burgherr der Veste Heldburg war, zählte zu den wichtigsten Förderern Luthers. So verwundere es nicht, dass der Reformator in jenen ungewissen Zeiten eine Burg "als einen grundsätzlich sicheren Ort" empfunden hat. Falls er dazu eingeladen wurde, habe Luther häufig während seiner Aufenthalte auch in den dazugehörigen Kapellen gepredigt. Die Torgauer Lutherkapelle habe er eingeweiht, ihr komme eine besondere Bedeutung zu: "Diese Kirchenform war von Luther legitimiert", so Großmann. Der Torgauer Kantor Johann Walther machte aus der Melodie von "Ein feste Burg" erstmals ein mehrstimmiges Werk.
Der Text fußt auf Psalm 46 ("Gott ist unsere Zuversicht und Stärke"). "In der hebräischen Originalfassung ist von einem festen Ort beziehungsweise Zufluchtsort die Rede", sagte der 64-Jährige. Gezeigt wird ein Faksimile der ersten erhalten gebliebenen Vertonung von "Ein feste Burg" im Wittenberger Gesangbuch aus dem Jahr 1533. "Liederbücher waren Gebrauchsgegenstände": So erklärt der Direktor des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg, warum kaum frühe Fassungen überliefert sind. Zum Ruhm des Liedes trugen bedeutende Kompositionen bei, etwa von Johann Sebastian Bach (1717), Felix Medelssohn Bartholdy (1829/30) oder Max Reger (1898). Entsprechenden Hörstationen spielen dem Besucher sechs Varianten des Liedes vor. "Luther machte das Kirchenlied zu dem, was es heute ist, zur Begleitung der Gemeinde", informierte der gebürtige Marburger. Angesichts der stetig veränderten Melodie gefalle ihm das Lied immer besser, gestand Großmann. Er fügte hinzu: "Am Text gibt es nichts zu kommentieren oder hinterfragen, der ist Geschichte."
Große Symbolkraft
"Ein feste Burg" besitzt auch fast 500 Jahre nach seiner Entstehung für die Protestanten eine große Symbolkraft. In unzählige Sprachen wurde das Kirchenlied übersetzt. Oft wurde es nicht nur gesungen, um den eigenen Glauben zu bekennen, sondern um Trost in Zeiten äußerer Bedrängnis zu suchen. Als Kampflied war es bereits in den Befreiungskriegen gegen Napoleon zu hören. Beim Wartburgfest zum 300. Reformationsjubiläum, als Studenten für einen Nationalstaat eintraten, wurde es 1817 ebenso angestimmt wie bei der Einweihung des Luther-Denkmals in Worms 1866. Auf der Veste wird unter anderem eine Medaille zur Erinnerung an dessen Enthüllung gezeigt. Postkarten, Notgeldscheine ("Kunstwerke in Kleinstformat") oder ein Gesangbuch für Kriegsgefangene zeugen von der Bedeutung des Liedes. "Es soll Truppen gegeben haben, die mit dem Lied auf den Lippen in den gegnerischen Schützengraben geeilt sind", wies Großmann auf den Missbrauch des Liedes, etwa im Ersten Weltkrieg, hin. Statt den inneren Feind oder Teufel galt es nun den konkreten Gegner zu bekämpfen, statt Gottes Reich sollte die eigene Nation verteidigt werden.Die Ausstellung beinhaltet auch Ernst Barlachs Lutherzeichnung in der Zeitschrift "Kriegszeit". Nicht nur die Bildunterschrift "Und wenn die Welt voll Teufel wär'" führe anschaulich "die Entwicklung vom Hurra-Patrioten zu nachdenklicheren Tönen" vor Augen, so der Professor.