Martin Emmerich ist fasziniert von Korngolds Violinkonzert
Autor: Jochen Berger
Coburg, Freitag, 16. Mai 2014
Konzertmeister Martin Emmerich stellt sich mit Korngolds Violinkonzert am Samstag und Montag in Coburg erstmals als Solist auf der großen Bühne vor. Was ihn an diesem Werk, aber auch an der Arbeit im Orchester reizt, verrät er im Gespräch.
Beim Sinfoniekonzert am Montag und beim "Concertino" an diesem Samstag (11 Uhr) steht Erich Wolfgang Korngolds Violinkonzert im Mittelpunkt. Solist ist Martin Emmerich, seit Januar 2012 Konzertmeister am Landestheater Coburg.
Wie lässt sich das Violinkonzert von Korngold beschreiben?
Martin Emmerich: Das Werk hängt ein bisschen der Vergangenheit nach. Es ist ja relativ spät uraufgeführt worden - 1947. Da gab es eigentlich schon ganz andere Strömungen. In dieser Zeit sich hinzusetzen und ein weitgehend harmonisches, schwelgerisch schönes Konzert zu schreiben, war natürlich ungewöhnlich und mutig. Ich find's toll. Es hat ein unglaubliches antreibendes Moment in sich, besitzt im zweiten Satz etwas sehr Lyrisches und etwas enorm Fröhliches, Tänzerisches, fast schon vor Freude Strotzendes im dritten Satz.
Wie studieren Sie ein solches Werk ein?
Es gibt natürlich zunächst ein paar mechanische Hürden, die man überwinden muss. Und dann muss man sich die Frage stellen: Was will ich damit aussagen, was beschreibt dieses Konzert ? Wenn man verstanden hat, was man sagen will, kann man anfangen, am Klang zu arbeiten. Was will ich dem Zuhörer geben, welches Gefühl soll er hinterher haben? Töne lernen ist nur der erste Schritt - dann wird's spannend .
Auf einer Hitliste der technisch schwierigsten Violinkonzerte: Wo rangiert Korngolds Werk aus Ihrer Sicht?
Dank Herrn Heifetz recht weit oben. Denn Heifetz (der Interpret der Uraufführung, Anmerkung der Redaktion) hat, nachdem er das Konzert erhalten hatte, bei Korngold noch mehr technische Schwierigkeiten verlangt, um sich besser präsentieren zu können. Der erste und zweite Satz sind über weite Strecken lyrisch und schwierig auf eine Art, die nicht mit technischer Schwierigkeit verbunden ist. Der dritte Satz ist teilweise nur noch wahnwitzig. Unter die Top Ten schafft es dieses Konzert auf jeden Fall.
Sie sind seit Anfang 2012 Konzertmeister am Landestheater Coburg, studieren aber noch in Karlsruhe. Wann sind Sie endgültig mit dem Studium fertig?
Das erste Studium ist fertig, das Diplom hab‘ ich in der Tasche - ich mache gerade noch den Master fertig. Nach dem Korngold-Konzert habe ich am 30. Juni noch eine Prüfung, dann bin ich fertig mit dem Studium. Aber was heißt schon fertig mit dem Studium: Damit ist man nie fertig. Man muss immer weiter Unterricht nehmen. Man muss fit bleiben, wach bleiben, darf es sich nicht gemütlich machen. Nur das Publikum soll sich gemütlich fühlen.
War es für Sie jemals eine Überlegung, auf die solistische Karriere zu setzen?
Mich hat das Orchester als Struktur immer interessiert. Ich habe von klein auf in Orchestern gespielt, habe die ganz klassische Laufbahn absolviert mit Landesjugendorchester, Bundesjugendorchester, Europäisches Jugendorchester. Das sind immer große Familien gewesen. Aus diesem System wollte ich eigentlich nie wirklich heraus. Natürlich ist es toll, wenn man einmal die Möglichkeit hat, sich auch solistisch zu präsentieren. In den letzten Jahren ist mein Interesse dann auch vom reinen Orchesterspiel in Richtung Kammermusik geschwenkt durch mein Trio, weil man da noch ganz andere Erfahrungen sammeln kann. Wenn man Solist werden will, muss man sehr früh davon überzeugt sein. Und das war ich nicht. Deshalb bin ich sehr glücklich, dass ich jetzt hier in Coburg bin.
Was muss ein Konzertmeister können ?
Man muss sich einfühlen können in das ganze Orchester, man muss merken, wenn zum Beispiel der zweite Flötist bei einem Übergang beschließt, er möchte ein bisschen voran gehen, dann muss man in Sekundenbruchteilen die Entscheidung treffen, gehe ich da jetzt mit oder will ich die Musik lieber so lassen wie sie war. Und natürlich gibt es immer auch Divergenzen zwischen dem, was der Dirigent zeigt, und dem, was die einzelnen Musiker machen. Man ist ein bisschen ein stiller Diplomat.
Das klingt einfach und doch schwierig?
Das ist furchtbar schwierig. Man kann's nie allen recht machen. Und das ist ja nur die musikalische Seite. Die menschliche Seite ist ja nochmal eine ganze andere. Man sitzt in einer Gruppe, muss mit dem Orchester kommunizieren, muss manchmal auch seinen Kopf durchsetzen können und stößt dabei schon auch auf Widerstände. Vor allem muss man überzeugen können.
Wie lernt man diese Dinge?
Einfach machen - ins kalte Wasser springen. Ich bin bei den Jugendorchestern, in denen ich von klein auf war, immer irgendwo eingestiegen und dann relativ schnell nach vorne gewandert an die führenden Pulte. Und wenn man Glück hat, sitzt man neben Leuten, die einem diese Fähigkeiten ohne etwas sagen zu müssen, vermitteln können.
Gibt es Musik, die Sie ganz besonders interessiert?
Ganz besonders interessiert mich Unerhörtes. Ich grabe gerne alte Meister aus, zum Beispiel beim Konzert im Oktober bei den Coburger "Musikfreunden" werden wir mit unserem Trio ein Werk von Emanuel Moor zu Gehör bringen, das ist wahrscheinlich die europäische Erstaufführung dieses Werks .
Wie hält man sich als Geiger körperlich fit?
Der ganz banale erste Schritt ist üben - wie man das schon die letzten 25 Jahre seines Lebens macht: üben, üben, üben. Es gibt natürlich auch viele andere Faktoren, die mit hinein spielen. Man muss darauf achten, dass man gesamtkörperlich fit bleibt. Da muss jeder seinen eigenen Weg finden.
Worauf setzen Sie?
Momentan ist Squash ziemlich gut. Das funktioniert bei mir wunderbar, weil man sich einfach mit dem kompletten Körper bewegt und nicht nur mit den Armen.
Sind Sie durch Ihre Familie musisch "vorbelastet"?
Eigentlich gar nicht. Ich habe zwar eine musikbegeisterte Familie, aber nur der Großvater hat ein bisschen Klavier gespielt.
Was hat Sie dann zur Geige greifen lassen?
Das war eine Kassette mit "Peter und der Wolf". Der Peter wird von den Streichern, vornehmlich von den Geigen charakterisiert, der war super, der hat den Wolf gefangen und ich habe anscheinend mit zweieinhalb gesagt: Ich möchte jetzt Geige spielen. Ich habe dann tatsächlich mit drei angefangen, Geige zu spielen. Das ist jetzt nichts, was man unbedingt anstreben muss, es reicht auch locker, wenn man mit sechs oder sieben Jahren anfängt. Ich kann mich überhaupt an keine Zeit erinnern, in der ich keine Geige gespielt habe.
Pläne für die Zukunft?
Mein Wunschtraum in Coburg ist ein Klassik-Festival zu etablieren. Zusammen mit meinem Trio könnten wir uns das gut vorstellen. Es gibt genug Konzertmöglichkeiten, Konzertorte. Ich bin auch schon in Gesprächen mit dem Intendanten und den "Musikfreunden", auch mit der Musikschule. Und wir hoffen, dass wir da in den nächsten Jahren etwas auf die Beine stellen können. Ich hatte bereits mal ein kleines Festival in Karlsruhe - "Klanggrenzen" hieß das - und das Konzept dieses Festivals würde ich gerne nach Coburg übertragen.
Konzertmeister Martin Emmerich als Solist in Coburg
Konzert-Tipp "Concertino" - Samstag, 17. Mai, 11 Uhr, Landestheater Coburg, Gesprächskonzert; Sinfoniekonzert, Montag, 19. Mai, 20 Uhr, Landestheater Coburg; Copland "Quiet City", Korngold, Violinkonzert - Dvorák, 5. Sinfonie; Martin Emmerich (Violine), Philharmonisches Orchester, Dir.: Johannes Klumpp
Martin Emmerich, 1986 in München geboren, begann bereits im Alter von drei Jahren mit dem Violinspiel. Das Fundament für seine künstlerische Laufbahn legte Jorge Sutil (Münchner Philharmoniker). 2005 bis 2011 studierte er bei Josef Rissin an der Musikhochschule Karlsruhe im Diplomstudiengang Künstlerische Ausbildung. Sein Diplom absolvierte Martin Emmerich in allen Fächern mit Auszeichnung. Seit 2011 studiert er bei Albrecht Breuninger im Masterstudium Violine. Martin Emmerich ist mehrfacher erster Bundespreisträger bei Jugend musiziert in der Solowertung und mit verschiedenen Ensembleformationen. Seit Januar 2012 ist er Konzertmeister am Landestheater Coburg. Emmerich spielt eine Geige von Christian Erichsson.
Kammermusik Martin Emmerich ist auch als Kammermusiker tätig. Am 20. Oktober gastiert mit dem Aramis-Trio bei der Coburger "Gesellschaft der Musikfreunde" im Kongresshaus