Luise geistert durch die Geschichte
Autor: Dr. Carolin Herrmann
Coburg, Mittwoch, 16. Oktober 2019
Prinz Alberts verschwiegene Mutter Luise wurde durch ZDF-Redakteurin Ulrike Grunewald ins Bewusstsein gebracht. Die ZDF-Dokumentation kommt im Dezember.
"Ich bin kein abergläubischer Mensch. Aber in dieser Geschichte steckt etwas Seltsames." Es geht um die Geschichte von Herzogin Luise von Sachsen-Coburg-Saalfeld, der verbannten, versteckten, totgeschwiegenen, dann tatsächlich mit 31 Jahren gestorbenen Mutter von Prinz Albert. Die erfahrene ZDF-Redakteurin Ulrike Grunewald, zu Gast in der voll besetzten Buchhandlung Riemann, schluckt noch immer berührt. - Sentimentale Rührung über eine aus unserer Sicht heute brutale Behandlung einer unliebsamen Frau?
Herzog Ernst I. hatte geschickter Weise die 16-jährige Erbin des Herzogtums Sachsen-Gotha-Altenburg geheiratet. So kam das Herzogtum Coburg-Sachsen-Gotha zustande. Nachdem sie mit der Geburt der zwei Söhne, später Ernst II. und Prinz Albert, ihre dynastische Aufgabe erfüllt hatte und sich als junges, dummes Mädchen einbildete, ein bisschen lebenslustig sein zu dürfen - der ihr zur Last gelegte Ehebruch wurde niemals bewiesen - entledigte sich Ernst I. ihrer, ließ sie bei Nacht und Nebel in die Verbannung, nach St. Wendel im Fürstentum Lichtenberg bringen. Ihre Söhne sah sie nie wieder. Und diese nicht ihre Mutter, was Prinz Albert nachweislich, so Grunewald, nie verwunden habe.
Die Geschichte geht uns nah
In absolutistischen Zeiten war derlei Umgang mit Gattinnen, Mätressen, Geliebten nichts Ungewöhnliches. Doch in Coburg ist diese Geschichte näher, und sie rückte in diesem Jubeljahr zu Albert und Victoria noch viel näher. Was Ulrike Grunewald vielleicht nochmals als eine dieser merkwürdigen Fügungen empfinden könnte, die ihr die vergessene Luise in den Weg, ins Bewusstsein, auch in ihr Gemüt gerollt haben.
Grunewald hat seit 1979 für das ZDF verschiedene Dokumentationen über das englische Königshaus erstellt, kam so zwangsläufig auch nach Coburg. 1987 begleitete sie Prinzessin Diana und Prinz Charles auf ihrer Deutschlandtour. Seit 2006 war die Redakteurin öfter in Coburg, da erzählte man ihr von Luise, sie begann zu forschen.
Jetzt ermöglichte es die große Aufmerksamkeit für das royale Traumpaar des 19. Jahrhunderts Grunewald auch, aus ihren Forschungen, der ursprünglichen Dissertation, die zeitgerecht Anfang des Jahres nochmals als fantasievoller ausgeformte Biographie unter dem Titel "Die Schand-Luise" erschienen ist, einen Dokumentarfilm zu drehen. Der in Zusammenarbeit mit Sara Ferguson, Herzogin von York, die Ex-Frau von Prinz Andrew, gedrehte Film wird am 17. Dezember zu bester Sendezeit um 20.15 Uhr im ZDF ausgestrahlt.
Eine ausradierte Frau?
Das Tageblatt hat über die Biographie und das Leben Luises ausführlich geschrieben (26. Februar). Der Abend mit der Autorin bei Riemann brachte ihrem weitgehend weiblichen Publikum Einblicke in die spannende und durch viele Zufälle geleitete Entdeckung der Geschichte: Grunewald sitzt beispielsweise in St. Wendel, und ein englischer Nachfahre des zweiten Ehemannes von Luise, Maximilian von Hanstein, tritt an sie heran und schenkt ihr die von ihm in Auftrag gegebene englische Übersetzung ihrer Doktorarbeit. So kann die auch in England verdrängte und bis heute rumorende Geschichte der Mutter von Prinz Albert nun auch dort rezipiert werden, gerade auch im Hause Windsor.
Ulrike Grunewald tut trotz diverser Dokumentationen nicht so, als sei sie intime Kennerin des englischen Königshauses. Aber tatsächlich nahm "Fergie" mit ihr Kontakt auf. "Die Queen interessiert sich", so viel wagte Grunewald zu sagen. Denn tatsächlich sei die verdrängte Schwiegermutter Queen Victorias ein wunder Punkt in der Familiengeschichte der Windsors. Grunewald ist überzeugt: "Man kann Menschen nicht aus der Geschichte ausradieren." Insofern habe die tragische Geschichte von Luise, die so jung 1831 an Gebärmutterkrebs starb, nach wie vor Relevanz.