Lola Blau als "Wirtshaustheater"
Autor: Dr. Carolin Herrmann
Coburg, Sonntag, 07. Oktober 2012
Georg Kreislers Einfrau-Musical "Heute Abend: Lola Blau" wird jetzt als bedrängend intensives "Wirtshaustheater" des Landestheaters Coburg im Münchner Hofbräu gespielt. In der Regie von Birgit Kronshage ist die neu engagierte Mezzosopranistin Gabriela Künzler zu erleben.
Coburg — Trallala, so ist das Leben. Man setzt sich, doch man setzt sich stets daneben. Mit lapidaren Sprüchen - wo auch immer er sie her hatte - pointiert Georg Kreisler das Leben seiner von den Nazis vertriebenen und nirgends mehr angekommenen Künstlerin Lola Blau. Und weil die sarkastischen Reimereien des wüsten Komponisten, Kabarettisten, Anarchisten (1922 bis 2011) nach wie vor auch die oftmals allzu schäbigen Grundsätzlichkeiten unseres heutigen Lebens aufspießen, bleibt sein Musical für eine Schauspielerin, uraufgeführt 1971, treffend weit über das mitfühlende Erinnern an die Emigrantenschicksale hinaus.
Gespielt wird "Heute Abend: Lola Blau" jetzt vom Landes theater Coburg als "Wirtshaustheater" im Münchner Hofbräu, in Bier- und Weingemütlichkeit, zwischen Essensduft und -dunst und dicker Luft von den vielen am Freitag zur Premiere Gekommenen.
Durch den tödlichen Nazidunst durchschlagen muss sich Kreislers jüdische Künstlerin Lola Blau, die im Wien des Jahres 1938 von der Theaterkarriere träumt, als Mädel "from Vi enna" in Amerika landet und nach dem Krieg zurückfällt in die gleichen engherzigen Lebensverhältnisse der selbstgefälligen, von Selbstzweifeln unberührbaren Schmidts. Erzählt im Rückblick, im ergrauten Kostüm vom Schreibtisch aus.
In der bedrängenden Nähe des kleinen Hofbräu-Saals durchschlagen muss sich die neue Mezzosopranistin des Landestheaters, Gabriela Künzler. Ihr gelingt in Kreislers schwarzem Sarkasmus, in seinen raffiniert-flotten Liedern und fast surrealen Kabarett-Nummern und in der differenzierten Regie von Birgit Kronshage die berührende Darstellung eines trotz aller Entschlossenheit und Zuversicht in Einsamkeit und Vergeblichkeit gefangenen Schicksals. Denn: Wien bleibt Wien, ein paar Millionen Ermordeter rauf oder runter.
Aus den Fugen lugen Lügen
Gabriela Künzler agiert oftmals in mimischer Überdeutlichkeit, zeichnet die fratzenhaften Szenen Kreislers mit bedrängender Intensität, wirkt wie dem Stummfilm entstiegen. Dabei ist die Darstellerin alles andere als stumm. Den herzig-jubilierenden, oftmals hinterhältig gemütlichen Tonfall der vierziger Jahre trifft sie perfekt, ob im Dialekt parodierend oder in prägnanten Gesangsposen. Am Klavier einfühlsam begleitet von Hans Stähli taucht sie ins dunkle Timbre der amerikanischen Jazzsängerin, wirbelt stimmlich vielseitig durch die bissigen Couplets und Musiksatiren und taucht auf in schmerzlicher, bittersüßer Lebensreflektion. "Heute fand ich alte Tränen... Neben ihnen lagen Narben... Aus den Fugen sah man Lügen lugen." Um weiter mit Georg Kreisler zu sprechen: Im Theater ist was los. Kein Zweifel.