Links oder rechts? Flüchtlinge lernen in Coburg Deutsch
Autor: Katja Nauer
Coburg, Montag, 28. Dezember 2015
Lehrkraft Elena Pietsch gibt seit November einen Deutschkurs für Flüchtlinge. Die Teilnehmer sind mit großem Ehrgeiz bei der Sache.
"Ich gehe links" und "Ich gehe rechts", sagt die Deutschlehrerin Elena Pietsch und läuft vor dem großen Tisch im Caritas-Tagungsraum jeweils in die entsprechende Richtung. Elf Schüler folgen ihren Bewegungen mit den Augen und müssen ihrer Lehrerin schließlich in ihren eigenen Worten erklären, wie sie von ihren Schulungsräumen in der Ernst-Faber-Straße zu Fuß zum Kongresshaus kommen. Dabei notiert Elena Pietsch die richtigen Formulierungen auf einer Tafel. Später schreiben ihre Schüler die Sätze in ihr Schulheft.
Im Rahmen des Deutschkurses "Förderung von Integration und Sprache" drücken zwischen zehn und 15 Flüchtlinge und Asylbewerber jede Woche zwei Stunden lang freiwillig die Schulbank.
"Ich möchte Deutsch lernen und mich in die Gesellschaft integrieren", sagt der 45-jährige Maher Tarabilsi, "hier werden mir die Grundlagen beigebracht." Im Moment beherrscht der Syrer, der seit drei Monaten in Coburg lebt, nur einige einfache deutsche Worte. Deshalb hilft Dolmetscher Samer Aldabbag bei der Übersetzung in die arabische Sprache. Aldabbag kommt aus dem Libanon, studierte nach dem Abitur an der Hochschule in Karlsruhe und arbeitet bei der Firma Brose als Projektingenieur.
Ehrenamtliche Dolmetscher, die beruflich in Coburg verankert sind
Bei der Caritas arbeitet er ehrenamtlich als Dolmetscher, ebenso wie sein Kollege Osama Alraheb, der promovierter Maschinenbauingenieur ist und bei Brose in der Entwicklung arbeitet.
"Wir wollten mit unseren Sprachkenntnissen einfach unseren Beitrag zur Integration leisten", sagen beide.Der 25-jährige Syrer Jamil Hassan, der wie viele der Flüchtlinge in einer Gemeinschaftsunterkunft in Coburg untergekommen ist, hat vor sich ein Manuskript liegen, auf dem sich Abbildungen von Bällen und Tischen finden. In englischer, arabischer und deutscher Sprache gibt es dazu Erklärungen, ob sich der Ball auf, unter, neben oder hinter dem Tisch befindet. Hassan liest einen Satz auf Deutsch vor, während Elena Pietsch aufmerksam lauscht.
Er und seine Frau leben derzeit in verschiedenen Unterkünften
Seit November gibt es den Kurs, und Hassan ist von Beginn an dabei.
",Dankeschön‘ war anfangs das einzige deutsche Wort, das ich konnte", erklärt der junge Mann, dessen Frau getrennt von ihm in einer Unterkunft in Südbayern lebt.Jetzt habe er schon zählen gelernt und wende seine Deutschkenntnisse im Alltag beim Einkaufen an: "Ich möchte zwei, drei...", sagt er und lächelt. Er hofft, dass seine Frau bald ebenfalls nach Coburg kommen kann.
"Wir haben hier ein ganz unterschiedliches Bildungsniveau", erklärt Elena Pietsch. "Das geht querbeet bis hin zum Akademiker." Pietsch hat Lehramt für Realschule studiert, in Coburg an der Hochschule ihren Master in Sozialer Arbeit gemacht, arbeitet als Seminarleiterin im Berufsfortbildungszentrum (bfz) und gibt Sprachunterricht. Unterstützt wird die Dozentin von zwei Assistentinnen, die genau wie sie und die Dolmetscher ehrenamtlich arbeiten. "Wir sind wirklich sehr gut ausgestattet", freut sich Pietsch, "das ist wirklich Luxus."
Alle sind motiviert: Lehrer und Schüler
Esther Rothenstein und Stefanie Katheder sind Arbeitskolleginnen in der HUK-Coburg. "Wir wollten uns engagieren und jetzt arbeiten wir hier bei der Caritas", erklärt Rothenstein. Die beiden Assistentinnen kümmern sich momentan um zwei syrische Analphabeten. "Es ist unheimlich schwierig für sie, sich umzustellen", sagt Katheder, "schließlich wird die arabische Sprache von rechts nach links gelesen." Doch alle Teilnehmer seien unheimlich motiviert, sagen die beiden Deutschkräfte. Immerhin rund 90 Prozent von ihnen besuchen den Kurs regelmäßig, schätzen sie. Und so kommen unweigerlich auch andere Themen zur Sprache wie etwa die Krankheit der Tochter, eine gewünschte Begleitung zum Amt. Die Unterstützung werde gerne gewährt, sagt Rothenstein.
"Es bleibt nicht nur beim Deutschkurs."Zum Dank luden die Flüchtlinge ihr Lehrpersonal samt Dolmetschern zu einem Essen in ihre Gemeinschaftsunterkunft ein. Das freute die Dozentin: "Es gab typisch arabische Küche wie Reis mit Erbsen und Lamm und Blätterteigtaschen mit Spinat."