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Liebe, Tod und tolle Melodien in Coburg


Autor: Jochen Berger

Coburg, Donnerstag, 21. Sept. 2017

Begegnung Wie das Produktionsteam um Gastregisseur Hans Walter Richter und Roland Kluttig die Oper "Tosca" in Coburg auf die Bühne bringen will.
Dramatische Auseinandersetzungen kennzeichnen Puccinis "Tosca". Das Werk kommt am 30. Spetember als Neuinszenierung auf die Bühne des Landestheaters. Hier eine Proben-Szene mit Celeste Siciliano als Tosca und Michael Lion als Scarpia.Foto: Jochen Berger


In dieser Oper wütet gnadenloser Realismus. Es geht buchstäblich um Mord und Totschlag, um Liebe und Hass, um Folter und Flucht. Es geht um eine angeblich nur scheinbare Hinrichtung, die schließlich aber doch blutige Wirklichkeit wird. Es geht um Theatralik. Und es geht um: Tosca. Giacomo Puccinis Oper "Tosca" eröffnet in dieser Saison den Premieren-Reigen am Landestheater.


Das Publikum liebt dieses Werk seit seiner Uraufführung im Jahr 1900 in Rom. Und ebenso ausdauernd, wie die Opern-Fans Jahr für Jahr Hunderte von Neuinszenierungen besuchen - ebenso ausdauernd hat die Kritik die Nase gerümpft über die blutrünstige Theatralik, die in diesem Werk herrscht.


Wie aber bringt man diese dreiaktige Oper, die an einem ganz konkreten Datum im Jahr 1800 spielt, heute auf die Bühne? Gast-Regisseur Hans Walter hat dazu eine unmissverständliche Haltung: "Bei uns spielt ,Tosca" zur Originalzeit im Jahr 1800." Die Kostüme, die Ausstatter Bernhard Niechotz entworfen hat, orientieren sich deshalb ganz bewusst an der damaligen Revolutionsmode. Nur beim Bühnenbild werde man nicht die opulente Detailgenauigkeit kopieren, die bei der Uraufführung zu bestaunen war, verrät Niechotz. Bilder zeigen will er von seiner Ausstattung vor der Premiere freilich noch nicht.



Wer sich mit "Tosca" und der Dramen-Vorlage von Victorien Sardou befasst, kommt natürlich an der Schauspiel-Diva Sarah Bernhardt nicht vorbei, die einst mit diesem Stück und vielen weiteren Dramen sensationelle Erfolge feierte. Die bedingungslose Theatralik, die Sarah Bernhardt gerade in Tosca verkörperte, soll auch in der Coburger Neuinszenierung einen Nachhall finden. "Tosca als Diva bringt eine große Theatralik mit auf die Bühne. Das wird auch bei uns so sein", verrät Hans Walter Richter. Seine Begründung ist ebenso einfach wie einleuchtend: "Tosca braucht diese Theatralik, weil sie mit der Realität nicht zurechtkommt."

Denn die Sängerin, die im Rom des Jahres 1800 durch ihre Liebe zu dem Maler Mario Cavaradossi in den Strudel politischer Intrigen gerät, ist nach Richters Überzeugung "die einzige Figur in dieser Oper, die sich in dieser Geschichte bis zum Schluss nicht zurecht findet." Erst ganz am Schluss könne sie "alle Puzzleteile zusammenfügen und begreifen." Seine Schlussfolgerung für die eigene Inszenierung ist naheliegend: Sie beginnt am Ende. In Coburg werde Tosca die folgende Oper gleichsam im Rückblick noch einmal an sich vorbei ziehen lassen. Tosca begebe sich damit gleichsam auf eine Spurensuche durch das Stück, an dessen Ende ihr Sprung von der Engelsburg in den Tod steht, um den Verfolgern des skrupellosen Polizeichefs Scarpia zu entkommen.


"Ich bin mit Tosca groß geworden", verrät Coburgs Generalmusikdirektor Roland Kluttig, der bei dieser Neuinszenierung am Pult stehen wird: "Mein Vater hat das Stück immer wieder dirigiert." Für Kluttig ist Puccini ein komponierender Verwandlungskünstler: "Ich finde es toll, dass sich Puccini immer wieder neu erfunden hat mit seinen Opern." Das bestätigt auch ein Zitat von Puccini selbst: "Bis jetzt waren wir sanft, jetzt wollen wir grausam sein", meinte der Komponist einst im Vergleich zwischen "La Bohème" und "Tosca".


Filmische Komponenten nimmt Kluttig in "Tosca" wahr und ist sich sicher: "40 Jahre später wäre Puccini vielleicht Filmregisseur geworden - eine Mischung aus Hitchcock und Truffaut."


Die neue Coburger "Tosca" bringt auch einen spannenden Ausflug von Bassbariton Michael Lion ins Baritonfach. Denn Lion, der noch vor wenigen Monaten die tiefe Basspartie des Gurnemanz in Richard Wagners "Parsifal" in Coburg verkörperte, gibt sein Rollendebüt als sadistischer Polizei-Chef Scarpia. "Das ist eine enorme Herausforderung", gesteht Lion.


Dass er sie - auch dank der Zusammenarbeit mit Coburgs überaus stilkundigem Solorepetitor Claudio Rizzi - zu bewältigen weiß, erlebten die Besucher der Einführungsmatinee. Denn diese Matinee bot nicht nur eine Fülle an Hintergrundinformationen, zusammengetragen von Musikdramaturgin Susanne von Tobien, sondern auch einige musikalische Ausschnitte, gestaltet von Michael Lion als Scarpia und Celeste Siciliano als Tosca.