Druckartikel: Liebe besiegt den Tod auf der Coburger Opernbühne

Liebe besiegt den Tod auf der Coburger Opernbühne


Autor: Jochen Berger

Coburg, Montag, 23. Juni 2014

Kurz vor Ende der Saison gelingt dem Landestheater ein außergewöhnlicher Opernabend unter der Regie und ind er Ausstattung von Magdolna Parditka und Alexandra Szemerédy. Glucks "Orpheus" begegnet "Savitri" von Holst.
Als Orpheus beeindruckt Verena Usemann in Glucks Oper "Orpheus und Eurydike" (im Hintergrund: der Chor des Landestheaters. Fotos: Jochen Berger


Dieser Gedanke ist verführerisch schön: Grenzenlose Liebe besiegt den Tod. Nur eine Illusion, nur eine trügerische Hoffnung? Einen Opernabend lang wird sie Wirklichkeit - doppelte Wirklichkeit sogar bei der umjubelten Premiere von "Orpheus und Eurydike" von Gluck und "Savitri" von Holst am Landestheater. Der letzte Premierenabend der Saison im großen Haus am Schlossplatz - er wird zum ausdauernd gefeierten Erfolg auf allen Ebenen - szenisch wie musikalisch, im Bühnenbild wie in der Darstellung.

Unverbrüchliche Liebe, die sogar dem Tod die Stirn bietet - davon erzählen diese beiden stilistisch höchst unterschiedlichen Opern, die immerhin rund eineinhalb Jahrhunderte trennen. Bei Gluck ist es die Liebe des mythischen Sängers Orpheus, die allen Schrecken der Unterwelt trotzt und Eurydike zurück ins Leben holt.

Bei Holst ist es die liebende Frau, die ihren Mann Satyavan gegen den Besitzanspruch des Todes verteidigt.

Faszinierende Inszenierung

Türen, überall Türen auf der Bühne des Landestheaters - schwebende Türen, stehende Türen, liegende Türen, weiße Türen, schwarze Türen. Doch wohin führen sie? Zurück ins Leben, in himmlische Gefilde gar? Oder doch unwiderruflich in den Tod? Türen sind das beherrschende Element dieser Inszenierung, dieses Bühnenbildes. Türen als Symbol des Übergangs, der Verwandlung. Sicher haben schon viele Regisseure und Ausstatter mit Schwarz-Weiß-Symbolik gearbeitet. Selten aber gelingt das so bezwingend und eindringlich wie dem jungen ungarischen Regie- und Ausstattungs-Duo Magdolna Parditka und Alexandra Szemerédy.

Ihre zweite Arbeit am Landestheater Coburg (nach "Madama Butterfly" vor gut einem Jahr) verzaubert gleichermaßen durch Schlichtheit der äußeren Mittel wie durch Intensität des Ausdrucks, durch präzise, einfühlsame Personenführung, durch Stimmigkeit im Detail wie in den großen Zusammenhängen. Schwarz-Weiß-Symbolik charakterisiert die Kostüme, Schwarz-Weiß-Symbolik prägt das Bühnenbild, das eine nach hinten ansteigende, spitz zulaufende Ebene zeigt, die in eine nach zwei Seiten zu öffnende Tür mündet.

Nichts ist Zufall in dieser Ausstattung, nichts ist bloße Dekoration. Alles, was Magdolna Parditka und Alexandra Szemerédy auf die Bühne bringen, ist darauf ausgerichtet, die szenische Interpretation zu unterstützen. Räume sind für sie nicht nur Auftrittsräume, sondern Bedeutungs- und Ausdrucksräume. Darstellung und Bühne verbinden sich untrennbar in ihrem Ausdruck. Verstärkt wird die Wirkung noch durch das Ballett des Landestheaters (Choreografie: Mark McClain), das Gesang und szenische Darstellung mit tänzerischen Akzenten überhöht und unterstützt.

Zwei Opern zu einem Musiktheaterabend zu verschmelzen - das klingt im ersten Moment nach einem riskanten Unterfangen, vielleicht sogar nach einem künstlichen Konstrukt. In diesem Fall aber wird aus diesem doppelten Opernabend eine faszinierende Begegnung, eine ebenso raffinierte wie einleuchtende szenische Spiegelung.

Hervorragende Solisten

Musikalisch bietet diese Produktion beglückend hohes Niveau. Unter Leitung von Coburgs Erster Kapellmeisterin Anna-Sophie Brüning musiziert das Philharmonische Orchester in schlanker Besetzung mit verblüffender Selbstverständlichkeit diese zwei stilistisch höchst unterschiedlichen Werke. Der raffinierte, mit bescheidenen äußeren Mitteln erzielte Klangzauber in "Savitri" von Gustav Holst korrespondiert scheinbar ganz selbstverständlich mit Glucks ungekünstelter Klangsprache, die mit klaren, geschärften Konturen aus dem Orchestergraben tönt.

Souverän hält Anna-Sophie Brüning Orchester, Solisten und den von Lorenzo da Rio bestens einstudierten Chor zusammen. Solistisch ist dieser Opern-Doppelpack das reine Glück - stimmlich wie darstellerisch. Betsy Horne als Savitri glänzt mit ausdrucksvollem Sopran, David Zimmer als ihr vom Tod bedrohter Ehemann Satyavan beeindruckt mit einer stimmlichen Intensität, die den aufblühenden jugendlichen Heldentenor schon ahnen lässt.

Der junge tschechische Bassist Jiri Rajnis, der ab der neuen Saison offiziell dem Ensemble des Landestheaters angehört, stellt sich in Coburg eindrücklich mit einer finsteren Rolle vor - als Tod in "Savitri".
Den intensivsten Applaus verdient sich Verena Usemann als Orpheus. Ihr jederzeit souverän geführter Mezzosopran wird zum Instrument einer auch schauspielerisch bemerkenswert eindringlichen Rollengestaltung. Stimmlich wie darstellerisch kaum minder intensiv: Anna Güter als Eurydike. Als Amor in Glucks "Orpheus" gelingt der jungen Julia Jakob aus den Reihen des Theaterkinderchors ein mutiges Debüt.

Beitrag zum Gluck-Jahr

Der Rest ist begeistert ausdauernder Beifall am Ende eines faszinierenden Opernabends, der nicht nur als gewichtiger Beitrag zum aktuellen Gluck-Jahr ganz sicher überregionale Aufmerksamkeit finden wird.



Coburger Beitrag zum Gluck-Jubiläum


Theater-Tipp "Orpheus und Eurydike" / "Savitri" - Oper von Christoph Willibald Gluck/ Kammeroper von Gustav Holst; Termin: 27., 29. Juni, 2. Juli, 19.30 Uhr, 12. Juli, 16 Uhr, 17. Juli, 19.30 Uhr Landestheater Coburg

Festspiele Die Aufführung am 17. Juli in Coburg ist Beitrag zu den "Gluck Opern-Festspielen, die vom 14. bis 27. Juli zum 300. Geburtstag des Komponisten in Nürnberg, Fürth, Erlangen, Berching, Freystadt und Coburg stattfinden.