Druckartikel: Lauter als in München

Lauter als in München


Autor: Daniela Pondelicek

Coburg, Mittwoch, 25. August 2021

Eine lärmgeplagte Coburger Familie geht an die Öffentlichkeit. Denn der Krach wird von rücksichtslosen Mitmenschen verursacht.
Andreas Göhring-Hühn blickt immer öfter mit Sorge aus dem Fenster seiner Wohnung in der Webergasse. Tagsüber ist es vor der Haustür eher ruhig - doch am späten Abend rauben ihm lärmende Betrunkene und protzende Raser wieder den Schlaf.


Eigentlich könnte das Leben von Andreas Göhring-Hühn nicht schöner sein: Letztes Jahr hat er die Hektik der Großstadt hinter sich gelassen und ist mit seiner Familie von München nach Coburg gezogen. Er darf seine Arbeit aus dem Homeoffice erledigen, seine Frau hat ganz in der Nähe einen Job gefunden und sein vierjähriger Sohn fühlt sich in der Kita pudelwohl.

Und doch hat die Familie seit dem Umzug so manche schlaflose Nacht in Coburg verbracht. Der Grund dafür ist das, was sich nach Anbruch der Dunkelheit vor der Wohnung der Familie in der Webergasse abspielt: Seit den Lockerungen kommt es immer wieder vor, dass Betrunkene durch die Straße ziehen und sich dabei viel zu laut unterhalten oder grölen. "Manchmal bleiben sie dabei sogar noch stehen, um an die Hauswand zu strullern", erzählt Andreas Göhring-Hühn. Aber nicht nur die Trunkenbolde machen nachts ordentlich Krach: "Wenn gerade keine Party auf den Straßen ist, dann halten uns Autotuner wach, die mit ihren übertrieben lauten Fahrzeugen protzen müssen."

Lautstärke ist von den Störern gewollt

Andreas Göhring-Hühn ist mit dem Problem nicht alleine. Immer wieder sieht sich die Coburger Polizei mit Beschwerden aus der Bevölkerung konfrontiert. Anzeige erstatten konnte Andreas Göhring-Hühn noch nicht. "Es geht einfach viel zu schnell. Bis die Polizei auf meine Beschwerde reagieren könnte, ist der Moment schon längst wieder vorbei. Und selbst wenn ich es rechtzeitig zum Fenster schaffen würde, um mir wenigstens das Kennzeichen zu notieren, könnte ich aus diesem Winkel das Nummernschild der Fahrzeuge nicht erkennen", erklärt er. Auch wenn der Augenblick recht schnell wieder verstreiche: Der Krach sei laut genug, um ihn und seine Frau aus dem Schlaf zu reißen. "Wir sind nicht völlig naiv in die Innenstadt gezogen, und auch in München gab es ein gewisses Grundrauschen im Hintergrund. Aber so schlimm wie hier war es dort nicht", erzählt er.

Es wird immer schlimmer

In den letzten Wochen habe sich die Lage zugespitzt: "Neulich wurden vor unserer Wohnung Böller gezündet, und auch das Problem mit den Tunern hat ein neues Niveau erreicht." Eigentlich seien in der Webergasse höchstens 20 Kilometer pro Stunde erlaubt - die "Autoposer" würde das aber so gar nicht interessieren. "Sie brettern hier durch, oder sie bleiben vorne an der Ampel stehen und lassen den Motor extra laut aufheulen. Wenn sie dann losfahren, dann knallt der Auspuff so laut, fast so, als würde ein Feuerwerk gezündet", erklärt Andreas Göhring-Hühn. Es komme ihm so vor, als wären es immer wieder dieselben Personen und Fahrzeuge, die Lärm machen - und das aus purer Absicht: "Schließlich ist hier in der Innenstadt Publikumsverkehr, da bekommen sie Aufmerksamkeit."

Während des Lockdowns war mehr Polizei da

Polizeipräsenz habe er während des Lockdowns gespürt, als die Einhaltung der Ausgangssperre kontrolliert wurde. "Dabei würde sich eine Kontrolle hier am Wochenende richtig lohnen", erklärt er.

"Seitens der Polizei Coburg werden an den relevanten Örtlichkeiten gerade in den Abend- und frühen Nachtstunden verstärkt Kontrollen mit dem Schwerpunkt Geschwindigkeitsüberwachung, Alkohol- und Drogenbeeinflussung sowie Fahrzeugsicherheit und Ausrüstungsvorschriften durchgeführt. Das sagt Stefan Probst, der Pressesprecher der Coburger Polizeiinspektion dazu. Immer wieder werden dabei auch Fahrzeuge aus dem Verkehr gezogen - wie erst vor kurzem ein getuntes Quad und ein extrem tiefergelegten Mini im Stadtgebiet.

Die mobilen Kontrollpunkte selbst müssen von den Beamten ständig gewechselt werden: "Über Social Media sind unsere Kontrollpunkte innerhalb weniger Minuten bekannt, dann meidet unsere Zielgruppe die Örtlichkeiten oder fährt mit vorschriftsmäßiger Geschwindigkeit vorbei." Das gilt übrigens auch für den Bereich rund ums Thüringer Kreuz und der Neustadter Straße. Das ist kein Wunder: Schließlich befindet sich ja dort die Dienststelle der Coburger Polizei.

"Die Innenstadt ist keine Rennstrecke"

Auch im Hinblick auf seinen vierjährigen Sohn würde sich Andreas Göhring-Hühn mehr Rücksicht wünschen. Er bemühe sich schließlich auch um Verständnis: "Ich kann nachvollziehen, dass die Lust aufs Feiern nach dem Lockdown groß ist, und ich würde mich freuen, wenn es eine Möglichkeit in der Gegend gäbe, an dem die Tuner ihre Leidenschaft legal ausleben könnten", erklärt er.

Doch die Innenstadt sollte für alle da sein. "Sie ist keine Bühne, Rennstrecke oder Partymeile, sondern ein Ort, an dem alle in Ruhe miteinander leben sollten - und Familien friedlich wohnen wollen."

Zwei, drei Beschwerden die Woche der Normalfall

Ärger mit lauten Fahrzeugen? Für Stefan Probst ist das fast schon Alltag. "Die Beschwerden gehen auch bei uns ein und werden sehr ernst genommen", sagt der Pressesprecher der Coburger Polizei. Ein bis zwei Lärmbeschwerden pro Woche sind gerade während der warmen Jahreszeit die Regel. Auslöser sind meist Fahrzeuge, bei denen bewusst am Auspuff und/oder dem Luftfilter manipuliert wurde oder nicht im Straßenverkehr zugelassene Auspuffanlagen angebaut sind.

Die Routen sind bekannt

Schwerpunkte im Coburger Stadtgebiet sind die Treffpunkte der Coburger "Tuningszene" auf dem Parkplatz des McDonalds in der Neustadter Straße sowie auf den Großparkplätzen der Einkaufsmärkte auf der Lauterer Höhe. "Der Angerparkplatz wird eher selten frequentiert", weiß der Pressesprecher.

Natürlich haben die Verkehrsteilnehmer, die mit ihrem Fahrzeug die Öffentlichkeit beeindrucken wollen, ihre Hauptachsen, auf denen sie unterwegs sind. Besonders gerne geht es dabei - auch das weiß man bei der Polizei - von der Bamberger Straße im Süden mit Start beim Brose-Kreisel vorbei am Anger über die Goethestraße und dann weiter über die Lossaustraße (Bahnhof), Kanonenweg, Thüringer Kreuz in die Neustadter Straße oder über die Lauterer Straße zur Lauterer Höhe. Alternativroute der Krachmacher: von der Goethestraße über die Hindenburgstraße, Kasernenstraße zum Thüringer Kreuz.

Hilflos steht man bei der Polizei der Problematik mit den Automobil-Krachmachern nicht gegenüber. Die Szene hat inzwischen erfahren müssen, dass an den relevanten Örtlichkeiten gerade in den Abend- und frühen Nachtstunden verstärkt Kontrollen stattfinden. Mit gutem Grund, wie sich immer wieder herausstellt, sagt Stefan Probst: "Die Kollegen stellen dabei auch immer wieder verkehrsunsichere Fahrzeuge sicher."

Und dann geht's ab zum Gutachter

Wie viel Lärm ein Auto verursacht, ist übrigens keine subjektive Angelegenheit. Die Polizeiinspektion und die Verkehrspolizei in Coburg verfügen jeweils über ein Schallpegelmessgerät, das die Beamten regelmäßig bei ihren Kontrollaktionen mit im Dienstfahrzeug liegen haben. Das Gerät selbst ist zwar nicht geeicht, liefert den Kontrollierenden aber einen guten Anhaltspunkt, ob die Lärmgrenzwerte überschritten wurden. Und dann? Stefan Probst: "Dann wird das Fahrzeug polizeilich sichergestellt und ein Gutachten eines Kfz-Sachverständigen veranlasst."bk