Laserstrahlen ergriffen die Veste Coburg
Autor: Dr. Carolin Herrmann
Coburg, Sonntag, 10. Sept. 2017
Lästerlich war diese 13. Nacht der Kontraste unter dem Motto "Luther, Lieder, Lästermäuler" keineswegs. Über 8000 Besucher bevölkerten Coburgs Herz.
Unter machtvollen Laserstrahlen, die von der Ehrenburg zu den Türmen der Veste griffen, genossen die aus der ganzen Region angelockten Nachtschwärmer die farbigen Lichtinseln im Hofgarten, flirrend-verwirrende Lichtfelder und -zeichen, die zu den 22 Veranstaltungsorten führten.
Die erstreckten sich im 13. Jahr dieses als einzigartig zu bezeichnenden Events auf noch größeren Raum. Schon im vergangenen Jahr war mit dem Brose-Foyer ein weiterer großer Konzertrahmen hinzu gekommen. Heu er rissen dort die Medlz zu Begeisterungsstürmen hin. Die freche A-cappella-Band der vier aus Dresden stammenden Sängerinnen ließen vergessen, dass sie ihre Pop-Highlights ohne Instrumente zu voller Wucht aufdrehten (von einer simplen Klangkiste abgesehen).
Da waren die feinnervigen Akzente des Quartettes Passo Avanti dann richtig notwendig. Allerdings zeigten sich auch diese erstklassigen Musiker von eigenwilliger Seite. Debussy, Ravel, Brahms mit Klarinette als Gegenüber zur virtuosen Geige - das ergab ungehörte Effekte.
In der neu eröffneten Markthalle am Albertsplatz hatte Michael Christof Schmitt alias Giakomo mit seiner Glasgeige durch Aufsehen erregende Plakate viel Publikum angezogen. Doch da ihm Lasershow und Nebeleffekte zwecks Brandschutz verboten wurden, blieb nur mehr oder weniger wildes, elektronisch verfremdetes Geigengetobe.
Nennen wir es Folk
Im renovierten Marstall dagegen stellte sich eine Band einfach so auf die Bühne - und fing, und berührte die vielen Besucher mit ihren deutschen (Volks-)Liedern. Nennen wir es Folk, und die Ilmenauer Gruppe Hüsch bewegt sich auf weltmusikalischem Niveau. Wahlweise im hennebergischen, also dem Coburgischen ähnlichen, oder im vogtländischen Dialekt bieten die vier Musiker deutsches Volksgut oder von ihnen selbst verfasste, im Stile passende Lieder. Rhythmisch flott, mit diversen alten und neuen Instrumenten bis zur Mundharmonika ausgebreitet, und wir haben eine Musik, die von jeher zu uns gehörte, dabei aber auch so richtig heutig wirkt. Hüsch brauchen wir ab sofort öfter hier bei uns. Ob Soul und Gospel mit Luther Soulfully Sacred im Casimirianum, der fulminanten Jazzsängerin Sidney Ellis im Kunstverein und erst Recht der nicht minder christlich beseelten Sarah Kaiser in St. Augustin, die ihre ebenfalls machtvolle Jazzstimme ihrer eingängigen, weil in deutschen Texten gebotenen Botschaft gibt - das reformatorische Motto dieses Jahres brach sich auf vielen Ebenen Bahn. Diesmal auch verstärkt kabarettistisch mit diversen Lästermäulern an diversen Orten.
Klirrende Klänge
Kapitulieren wir an dieser Stelle mit der Beschreibung dieses wahrlich respektablen Kunstfestivals, als das die Nacht der Kontraste längst überzeugt hat. Unbedingt nennen müssen wir aber noch den jazzenden Harfenisten Park Stickney aus den USA mit seinem weiten Meer der Klänge, aus dem sich klassische Melodiefetzen lächelnd erheben, um genussvoll und spielerisch weiterzutreiben. Bei Leise am Markt mussten zahlreiche Enttäuschte wegen Überfüllung abgewiesen werden. Phänomenal hier: Die Jam-Sessions, in denen der junge argentinische Gitarrist Sebastian Pecznik mit Stickney aufging. Die beiden hatten sich an diesem Abend bei Leise gerade kennengelernt.
Ganz oben dann, auf der Veste, wenn man den Weg so gewählt hatte, musste man feststellen, dass man den ganzen Abend eigentlich allein hier hätte verbringen müssen. Denn diese ungemein eindrucksvollen, hintersinnigen Installationen des international bestaunten Lichtkünstlers Philipp Geist auf der Fassade der Lutherkapelle, über den Hof, den ganzen Raum mögen über Stunden faszinieren.
So ein Musikfestival
Vielleicht hätte eine andere Musikwahl für diesen Standort noch größere Eindringlichkeit verschafft. Die bayerischen Rocker Hundling trieben sich und die Leute ja ordentlich rein, übertönten aber auch die Klanginstallation, die Geist zu seiner Bild- und Lichterfolge geschaltet hatte. Aber, um mit Miles Davis zu sprechen, den Park Stickney bei Leise zitierte und weiterspielte: So what. Angesichts des Fulminanten, das rundum geboten wurde.Zwar verhinderten die eher kühlen Temperaturen diesmal, dass die Besucher längere Zeit im Freien sitzen wollten. Immerhin blieb der angekündigte Regen aber bis nach Mitternacht aus. Und dafür waren die vielen Konzerte mit etwa 20 Ensembles vom frühen Abend an oft bestens besucht. Tatsächlich ist die Coburger Nacht der Kontraste längst ein herausragendes Musikfestival, das von Folk, Rock und Pop bis Klassik und Jazz auch heuer wieder ungemein viel zu bieten hatte, und das auf höchstem Niveau.
Ach, und übrigens, Stichwort Museumsnacht: Die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollten und sollten und taten ja auch als solche Ehrenburg, Staatsarchiv, Puppenmuseum, Grabungsmuseum, die Kunstpavillons im Hofgarten, die aktuellen Ausstellungen im Kunstverein, Naturkundemuseum, die Kunstsammlungen auf der Veste, die Landesausstellung - neeein, aufhören, Schluss. - Kunst, soviel Kunst in Coburg.