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Landkreis Coburg: Jetzt schon an die nächsten Flüchtlinge denken


Autor: Rainer Lutz

LKR Coburg, Sonntag, 07. Juni 2015

Bayerns für Integration zuständige Ministerin Emilia Müller rechnet mit einem neuen Rekord bei der Zahl von Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen. Der Landkreis ist gefordert, Vorkehrungen zu treffen.
Eines der Kinder, die im Februar in Neustadt aufgenommen wurden, rückt die Betten in der Halle zurecht. Foto: CT-Archiv Rainer Lutz


Dass der Landkreis im Februar vor die Aufgabe gestellt wurde, quasi über Nacht eine große Zahl von Flüchtlingen aufzunehmen, darf im Nachhinein als Übung angesehen werden. Es kamen nur 48 Personen, nicht um die 200, wie zunächst angekündigt. Die Art, wie der Notfallplan des Landkreises dann umgesetzt wurde, legte nahe, für einen möglichen weiteren Fall dieser Art bessere Vorkehrungen zu treffen. Dass sie notwendig sind, zeigt unter anderem die Antwort von Staatsministerin Amilia Müller auf eine Anfrage des Neustadter CSU-Abgeordneten Jürgen W. Heike zur Unterbringung von Asylbewerbern.

Die für Integration zuständige Ministerin schreibt Heike unter anderem, dass eine Prognose des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 15. Mai davon ausgeht, dass 2015 bundesweit mit mehr als 400 000 Asylbewerbern zu rechnen ist. Bayern hätte demnach rund 70 000 Menschen zu erwarten, die einen Erst- oder Folgeantrag auf Asyl hier stellen. Das wären erstmals mehr als im Rekordjahr 1992. Damals hatte es der Freistaat mit rund 60 000 Antragstellern zu tun.

Heike hatte sich bereits im Januar an die Staatsregierung gewandt. In seinem Schreiben wies er vor allem auf die Belastungen der Kommunen im Zusammenhang mit den steigenden Asylbewerberzahlen hin. Die späte Antwort entschuldigt die Ministerin mit der Arbeitsüberlastung durch den aktuellen Zustrom von Flüchtlingen. Sie stellt auch fest: "Das ist ein gewaltiger Zugangsanstieg und es gibt keine Anhaltspunkte für einen kurz- oder mittelfristigen Rückgang der Zahlen."

Kreise und Kommunen gefordert
Der Landkreis darf also nicht davon ausgehen, dass die schnelle Aufnahme einer großen Zahl von Betroffenen im Februar eine Ausnahme gewesen ist. Auch wenn im Freistaat derzeit weitere Plätze zur Erstaufnahme geschaffen werden, stellt Emilia Müller klar: "Die Bezirksregierungen können die aktuelle Situation allerdings nicht alleine stemmen und daher muss auch die Kooperation mit den Landkreisen, Städten und Gemeinden weiter vertieft werden."

Nach den Vorschriften in der Landkreisordnung stellen die Landratsämter zur Erledigung der staatlichen Aufgaben die erforderlichen Einrichtungen zur Verfügung. Ihnen steht dazu nach dem Aufnahmegesetz zu, dass Sach- und Verwaltungskosten pauschal über das Finanzausgleichsgesetz abgegolten werden, erklärt die Ministerin.
Genau diese Zuständigkeit sorgte bereits im Herbst für Sorge bei den Bürgermeistern des Landkreises, als bekannt wurde, dass der Landkreis einen Notfallplan für die Aufnahme einer großen Zahl von Flüchtlingen erarbeiten muss. Sie wandten sich im Oktober mit einem Dringlichkeitsantrag an Landrat Michael Busch (SPD). Sie konnten sich nicht vorstellen, wo 200 bis 300 Asylsuchende auf einen Schlag im Landkreis einquartiert werden könnten.

Daher baten sie den Landrat, alle notwendigen Schritte einzuleiten "... um die Öffnung der Kasernen des Bundesgrenzschutzes auf dem Gebiet der Stadt Coburg und der Gemeinde Dörfles-Esbach zur Errichtung einer zentralen Unterbringung von Flüchtlingen in der Region Coburg zu erreichen." Das wurde von Landrat Michael Busch damals zurückgewiesen. Der Aufwand sei zu groß, weil die Gebäude in schlechtem Zustand seien. Stattdessen wurde im Notfallplan für die Stufe I einer Unterbringung von größeren Personenzahlen die Schulturnhalle von Arnold-Gymnasium und Realschule in Neustadt vorgesehen.

Problem besteht weiter
Als der Landkreis im Februar vor der Aufgabe stand tatsächlich eine große Zahl von Flüchtlingen aufzunehmen, sorgte der angekündigte Zugriff auf die Halle für allergrößte Bedenken bei den Leitern der beiden Schulen. Sie baten Neustadts Oberbürgermeister Frank Rebhan (SPD) um Hilfe, der erreichen konnte, dass die Frankenhalle anstelle der Schulturnhalle genutzt wird. Es gelang gerade rechtzeitig die Halle vorzubereiten, ehe die 48 Flüchtlinge eintrafen. Gleichzeitig wurde die ehemalige Schule in Niederfüllbach hergerichtet. Sie könnte im Bedarfsfall etwa 50 Personen aufnehmen.

Nun wurden die Landkreisbürgermeister vom Landrat informiert, dass der Notfallplan weiterhin die Schulturnhalle in Neustadt für die Aufnahme vorsieht, wenn eine große Zahl von Asylsuchenden untergebracht werden muss, was nicht bei allen Bürgermeistern auf Verständnis gestoßen ist.

Allerdings hat die Stadt Coburg jetzt Interesse daran bekundet, doch Gebäude der ehemaligen Kaserne zu kaufen und für eine zentrale Unterbringung herzurichten. Ob das gelingt, und wie es finanziert werden kann, ist aber noch unklar.

Anspruch auf Kinderbetreuung
Die Ministerin erkennt an, dass die Kinderbetreuung für Kommunen eine große Herausforderung darstellt, die mit dem Zustrom von Asylbewerbern verbunden ist. Kinder von Asylbewerbern haben nämlich gegenüber dem Landkreis grundsätzlich Anspruch auf einen Betreuungsplatz. Diesen zu bieten sei eine kommunale Aufgabe. Der Freisaat leiste für diese Kinder allerdings die so genannte kindbezogene Förderung an die Kommunen, so wie das vom Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBiG) vorgesehen ist.

Älteren Kindern von Asylsuchenden einen Platz in einer Schule zu bieten ist eine weitere Anforderung. Sie fällt in die Zuständigkeit von Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle. Er würdigt die Anstrengungen der bayerischen Schulen, wenn es um die Bildungsarbeit für die Flüchtlingskinder geht. Er bittet aber auch um Verständnis, "...dass es den Kommunen obliegt, einen Beitrag zum Vorhalten eines guten Beschulungsangebotes für diese jungen Menschen zu leisten." Sie erhalten dazu aber finanzielle Unterstützung durch den Freistaat.

Stufe II sieht Container vor
Die Erst-Quartiere nach dem Notfallplan sollen eine Lösung für etwa fünf bis sechs Wochen darstellen. So sieht es die entsprechende Anforderung der Regierung von Oberfranken vor. Nach diesem Zeitraum muss der Landkreis dafür sorgen, dass die Betroffenen in Containern, Thermozelten oder ähnlichem untergebracht werden können. Im Fall des Landkreises Coburg sollten Container auf dem Parkplatz des Landratsamtes aufgestellt werden, hieß es dazu im Februar. Die Zahl von 200 bis 300 Flüchtlingen gilt dafür weiter. Hier ist von einer Verweildauer von mehreren Monaten die Rede.

Stufe III: Temporärbauten
Der Plan muss auch den Fall vorsehen, dass die Flüchtlinge nach Monaten im Containerdorf noch weiter eine Unterbringung benötigen. Dafür werden feste Unterkünfte gefordert. In den Anweisungen der Regierung ist von rund fünf Jahren die Rede. Wörtlich heißt es: "Dafür sollen auch Temporärbauten in die Überlegungen einbezogen werden." Spätestens für diesen Fall wird erneut die ehemalige Kaserne ins Gespräch gebracht.