Landestheater: Wer ist hier der bessere Mensch?

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Der erfolgreiche amerikanische Anwalt Amir (Frederik Leberle) verstrickt sich in seinem eigenen Hintergrund. Zum Abendessen kommt auch seine Kollegin, die afroamerikanische Jory (Charity Laufer). Sebastian Buff
Der  erfolgreiche amerikanische Anwalt Amir (Frederik Leberle) verstrickt sich in seinem eigenen Hintergrund. Zum Abendessen kommt auch seine Kollegin, die afroamerikanische Jory (Charity Laufer). Sebastian Buff
 

In Coburg kommt die vielbeachtete Komödie "Geächtet" des Amerikaners Ayad Akhtar auf die große Bühne. Die Zuschauer sitzen eben dort.

Komödie ist im Landestheater angekündigt. Zwei schicke, erfolgreiche, gutsituierte Paare unserer schönen neuen Welt geraten sich beim Abendessen in die Haare. Und die Zuschauer geraten dabei in menschliche und gesellschaftliche Abgründe. Das Muster hatten wir ein paar Mal, die erfolgreichste Komödie dieser Art war in den letzten Jahren "Der Gott des Gemetzels" von Jasmina Reza. Doch Vorsicht bei Ayad Akhtar, dessen vielgepriesenes Schauspiel "Geächtet", ausgezeichnet mit dem Pulitzerpreis 2013, Premiere hat im Großen Haus des Landestheaters Coburg. Gastregisseur Andreas Nathusius nennt es ein Trojanisches Pferd.
Denn so locker-leicht im Plauderton es daher kommt, so intensiv packe es den Zuschauer gleichzeitig auch bei seinen eigenen Vorurteilen, Orientierungen und Unsicherheiten. Wo bei Reza alles auf die zugespitzte Pointe zuläuft, gehe es bei dem amerikanischen Autor um die unausweichliche Verwicklung des einzelnen in unserer so kompliziert und unüberschaubar gewordenen Welt. Heute ist es schwerer denn je für einen wohlmeinenden Menschen, Position zu beziehen, weshalb das vereinfachende und von moralischem Zwiespalt entlastende Vorurteil gar zu gerne genutzt wird.
Zum Geschehen: Wir befinden uns im schicken New Yorker Loft des Anwaltes Amir Kapoor, pakistanischer, muslimischer Herkunft, aber vor allem hingerissen vom amerikanischen Traum. Er arbeitet in einer jüdischen Kanzlei. "Seine Strategie heißt Assimilation, sein Problem Identität", heißt es auf den Punkt gebracht in der Ankündigung des Schauspiels. Seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 hat sich diese prekäre Lage deutlich verschärft.
Amir selbst stellt seine Religion scharf infrage. Ganz im Kontrast dazu ist seine Frau, die aufstrebende Malerin Emily, fasziniert von der islamischen Kultur, oder eben von dem, was sie aus ihr wahrnehmen will.
Zum Abendessen eingeladen sind der jüdisch-amerikanische Kurator Isaac und dessen afroamerikanische Frau Jory, die Amirs Arbeitskollegin ist. Das Gespräch über religiöse Traditionen lässt sich gar nicht vermeiden. Und es eskaliert, weil vor allem in Amir etwas explodiert, aus seinen unterdrückten, verdrängten Prägungen.
Es geht in Akhtars Stück nicht um die theatrale Verhandlung moralischer Positionen. "Verschiedene Perspektiven eröffnen sich uns anhand konkreter Personen und deren Lebenssituationen", erklärt Andreas Nathusius. Und diese sind eben nicht schlicht einzuordnen; keine Position ist nur gut oder nur schlecht, die Realität ist vertrackt.
Um die Verstrickung auch im äußeren Rahmen wirken zu lassen, hat Ausstatter Till Kuhnert eine besondere Theatersituation geschaffen. Das Stück wird auf der Drehbühne im Großen Haus inszeniert - und die (pro Aufführung zahlenmäßig deutlich beschränkten) Zuschauer sitzen auf Tribünen unmittelbar drum herum, sind den streitenden Figuren nah wie in einer Arena. Wir hatten das 2009 bei "Die zehn Geschworenen", was damals zu ungemein nahegehenden Effekten führte.
"Es ist gerade die Widersprüchlichkeit der Figuren, die uns unsere eigenen Vorurteile sichtbar werden lässt", unterstreicht Andreas Nathusius die besondere Qualität dieser Komödie. "Unsere eigenen Haltungen zu hinterfragen, ist doch heute wichtiger denn je. Wenn wir Frieden wollen, muss es uns gelingen, die Menschen in ihrer eigenen Art zu beachten und sie nicht einfach nach Herkunft oder Religion einzuordnen. Wir müssen vielfach differenzieren, und das ist schwierig. Das überfordert uns oftmals. Aber alle Reduzierungen sind gefährlich."
Und wenn uns dieses Spannungsfeld ein bisschen bewusster wird, indem wir anderthalb Stunden was zum Lachen kriegen - dann hätte Theater wieder einmal seine Funktion erfüllt. Außerdem kommen auch noch diverse Geheimnisse zutage, verspricht Nathusius. Wir sind gespannt.