Landestheater Coburg probt raffinierte Recycling- Operette des Walzerkönigs
Autor: Jochen Berger
Coburg, Freitag, 26. November 2021
Wie das Landestheater Coburg mitten in der Corona-Krise "Wiener Blut" von Johann Strauß auf die Bühne bringen will.
Wer heute die Strauß-Operette "Wiener Blut" inszeniert, steht immer wieder vor einer entscheidenden Frage: Wie ernst soll die Regie diesen scheinbar vorgestrigen Text überhaupt nehmen?
1887: Johann Strauß wird Coburger Bürger
Vor dieser Frage stand auch das Produktionsteam, das die postum 1899 uraufgeführte Operette als Neuinszenierung endlich auf die Bühne des Landestheaters Coburg bringen will - mit rund einem Jahr Corona-Verzögerung. Johann Strauß und Coburg - das ist seit 1887 eine ganz besondere Geschichte. Schließlich wurde der gefeierte Walzerkönig Ende Januar 1887 ganz offiziell Bürger des Herzogtums Sachsen-Coburg und Gotha, um als solcher in dritte Ehre seine Adele zum Traualtar führen zu können.
Uraufführung nach Strauß' Tod
"Wiener Blut" zählt heute zum Kanon der sehr erfolgreichen Strauß-Operetten. Dabei ist das Werk, Ende Oktober 1899 und damit knapp fünf Monate nach dem Tod des Walzerkönigs in Wien uraufgeführt, im Grunde nur eine Recycling-Operette. Schließlich wurde dieser Dreiakter durch Adolf Müller aus zahlreichen erfolgreichen Strauß-Kompositionen einfach zusammengestellt und von den erfahrenen Librettisten Victor Léon und Leo Stein mit einem Text versehen.
Biedermann mutiert zum Don Juan
Für Coburgs Kapellmeister Roland Fister, den musikalischen Leiter dieser Neuproduktion, ist "Wiener Blut" im Jahr 2021 dennoch keineswegs unzeitgemäß. Denn in der im Original zur Zeit des Wiener Kongresses 1814/1815 spielenden Geschichte um einen zum Don Juan mutierten Biedermann entdeckt Fister sehr wohl Aspekte, die auch heute noch interessant sein können. Eigentlich sei es in "Wiener Blut" sehr modern, "wie Frauen mit untreuen Ehemännern umgehen", sagt Fister.
Um "Wiener Blut" auch heute noch spannend auf die Bühne zu bringen, muss das Werk seiner Überzeugung nach keineswegs radikal bearbeitet werden.
Viele Interessante Aspekte zu entdecken
In der Personenzeichnung jedenfalls entdeckt Fister auch im Original mehr interessante Aspekte, "als man im ersten Moment meint." Als gebürtige Wienerin verspricht Gast-Regisseurin Jasmin Zamani dem Publikum in der deutschen Johann-Strauß-Stadt eine detailverliebte Ausstattung nach den Entwürfen von Aylin Kaip, in der sich auch viele Wien-Anspielungen entdecken lassen - beispielsweise auf die Architektur Otto Wagners.
Eine zentrale Herausforderung für jede Neuproduktion von "Wiener Blut" sieht Roland Fister in dem Umstand, dass Strauß in der Partitur "einen Ohrwurm nach dem anderen" verwendet. Dieser Reichtum an wohlvertrauten Melodien könne schließlich allzu sehr vom Geschehen auf der Bühne ablenken.