Landestheater Coburg: Kunst mit doppeltem Boden planen

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Draußen vor der Tür: In Lockdown-Zeiten muss das Landestheater weiterhin geschlossen bleiben.Foto: Jochen Berger
Draußen vor der Tür: In Lockdown-Zeiten muss das Landestheater weiterhin geschlossen bleiben.Foto: Jochen Berger
Landestheater CoburgFoto: Jochen Berger
Landestheater CoburgFoto: Jochen Berger
 
Coburgs Intendant Bernhard F. LogesFoto: Jochen Berger
Coburgs Intendant Bernhard F. LogesFoto: Jochen Berger
 

Wie kann Theatermachen in Zeiten einer Pandemie gelingen? Coburgs Intendant Bernhard F. Loges über eine Spielzeit unter Corona-Vorzeichen.

Die dritte Spielzeit von Coburgs Intendant Bernhard F. Loges steht in Zeiten der Corona-Krise unter besonders schwierigen Vorzeichen. Wie können Theatermacher in diesen unsicheren Zeiten überhaupt planen? Wie er die letzten zwölf Monate im wiederholten Lockdown erlebt hat und worauf er in dieser Saison noch hofft, verrät der Prinzipal des Landestheaters im Interview.

Vor knapp einem Jahr gab es unter den Vorzeichen der Corona-Krise eine in vielerlei Hinsicht außergewöhnliche Vorstellung des Spielplans für die Saison 2020/2021. Was bleibt - trotz der widrigen äußeren Umstände - von den letzten zwölf Monaten positiv in Erinnerung?

Bernhard F. Loges: Ich bin froh, dass wir in der letzten Spielzeit vor dem Sommer nochmals spielen und die Hygienekonzepte ausprobieren konnten, die auch vom Publikum gut angenommen wurden. Und ich bin froh, dass wir im Herbst mit großen Premieren wie "Bezahlt wird nicht", "Globe Songs" und "Abschiedsdinner" sowie den Wiederaufnahmen beispielsweise von "Sinatra in Concert" im Großen Haus noch Premieren spielen konnten. Ich freue mich sehr über die Kooperation mit "It'z Jazz" und darüber, dass wir auf diese Weise Präsenz zeigen konnten. Meine Hoffnung ist, dass wir durch die Sommerfestspiele im Hofgarten die Klammer schließen können um diese Spielzeit.

In der damaligen Situation waren viele Punkte mit Vorbehalt formuliert. Rückblickend betrachtet: Waren Sie und Ihr Leitungsteams damals trotzdem zu optimistisch?

Im Rückblick war diese Planung sicherlich sehr optimistisch. Zu optimistisch geplant? Ich finde, man soll nicht die Hoffnung und den Optimismus verlieren. Wenn wir damit anfangen, schaffen wir uns selber ab. Insofern kann man nicht zu optimistisch sein, sondern muss optimistisch bleiben. Das Durchhalten ist wichtig. Seit November sind alle Theater geschlossen. Jetzt haben wir einzelne Modellversuche. Das freut mich für die Kollegen sehr, gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass das jeden Moment wieder runterfahren kann.

Rund ein Jahr Theatermachen unter den Vorzeichen der Pandemie: Was waren die schlimmsten Momente?

Einer der schlimmsten Momente war am 28. Oktober, dem Ballett-Ensemble mitteilen zu müssen, dass sie zwar noch eine Premiere ("Social Dis-Dancing") und die folgende zweite Vorstellung erleben können, wir danach aber wieder runterfahren müssen. Für das Ballett war das ein Deja-vu, denn im Frühjahr gab es noch die zweite Hauptprobe von "Glöckner von Notre Dame", danach aber kam es nicht zur Premiere. Das war einer der härtesten Momente.

Was waren - trotz allem - die schönsten Momente?

Dazu gehört auf jeden Fall der Dreh des Videos "Für Euch" - zu sehen, wie nach so langer Zeit die unterschiedlichen Gruppen wieder zusammenkommen und für ihr Publikum etwas gemeinsam produzieren. Ein sehr berührender Moment war auch die Generalprobe der Oper "Alcina", die wir bis zur Generalprobe probiert haben. Zu sehen, wie die kleine Gruppe der Musiker musiziert, wie die Sänger eine Premiere vor leerem Zuschauerraum spielen, war sehr berührend - die Klänge wieder wahrzunehmen, das waren sehr schöne Momente. Durch die künstlerischen Entbehrungen empfindet man die Möglichkeit, überhaupt wieder ein Orchester musizieren zu hören, als ein Geschenk.

Haben Sie noch ungefähr eine Vorstellung, wie oft Sie die Planungen für die aktuelle Saison seit Frühjahr 2020 verändert haben?

Ganz genau kann ich das nicht sagen. Unser Betriebsbüro hat gefühlt 15 verschiedene Varianten entwickelt - und letzten Endes sind wir noch immer nicht durch die Saison durch. Wir werden sehen, was noch kommt, und versuchen, so gut wie möglich zu antizipieren.

Stand Mitte April: Worauf hoffen Sie in dieser Saison noch?

Ich hoffe, dass wir die Sommerfestspiele durchführen können und damit die genannte Klammer um diese Spielzeit schließen. Das hoffe ich für alle Ensembles des Hauses, das hoffe ich aber auch für unsere Zuschauer. Alle Ensembles sollen die Gelegenheit haben, sich zu zeigen am Ende einer Saison, die für alle eine Durststrecke war.

Noch ist die Corona-Pandemie längst nicht vorbei. Welche Lehren aus dieser tiefgreifenden Krise können Sie gleichwohl jetzt schon ziehen?

Dass man in einer Pandemie nicht alles antizipieren kann, dass man manche Dinge aushalten muss.

Sehen Sie langfristig Veränderungsbedarf für den Kulturbetrieb?

Man muss unterscheiden zwischen neuen Formen des Theaterspiels und den durch Hygieneauflagen entstandenen Formen und Umgangsformen auf der Bühne. Die Rückkehr zu den früher vertrauten Verhaltensweisen wird sicher zunächst irritierend sein. Ich glaube aber, dass wir uns wesentlich schneller wieder zurückgewöhnen werden, als wir es jetzt für möglich halten. Was Theaterformen im Allgemeinen angeht, denke ich, dass der Umgang mit neuen Medien wichtiger werden wird. Ich denke dennoch, dass ein Live-Erlebnis des lebendig auf der Bühne agierenden Menschen immer noch die Hauptquelle von Theater sein wird - und nicht Streaming oder Ähnliches, so sehr ich mich darüber freue, dass wir das jetzt machen.

Derzeit kann das Landestheater nur auf digitalen Kanälen sein Publikum erreichen. Dennoch wird im Hintergrund geprobt. An welchen Stücken wird aktuell geprobt?

Wir haben gerade "Cosi fan tutte" in der Regie von Dominik Wilgenbus aufgezeichnet, ähnlich, wie wir "Hamlet" aufgezeichnet haben. So können wir "Cosi", falls wir es nicht live spielen können, ebenfalls zeigen.

Welche Stücke wurden bereits bis zur Generalprobe vorbereitet?

Die Barockoper "Alcina", der "Kleine Lord", der als Weihnachtsmärchengeplant war und nun in der neuen Saison gezeigt werden soll, in der Reithalle "IchglaubeaneineneinzigenGott", "Aus dem Nichts" nach Fatih Akin, das Kinder- und Jugendstück "Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute", dazu das Kinderballett "Giraffes can't dance".

Welche Stücke wurden zumindest schon in Teilen geprobt?

"Wiener Blut" wurde angefangen zu probieren - das wird die Operette der kommenden Spielzeit.

Was passiert mit jenen Stücken, die in dieser und in der vergangenen Saison bereits Premiere feierten?

Wir würden gerne alle Stücke wieder spielen, das wird aber sicher nicht bei allen Stücken klappen. Natürlich spielen wir "Globe Songs" wieder, spielen auch "Abschiedsdinner" wieder, und natürlich wollen wir "Hamlet" dann auch live spielen. Diese Stücke werden nicht nach nur wenigen Vorstellungen wieder in der Versenkung verschwinden.

Ausblick auf die Saison 2021/2022. Wie können Sie unter den Vorzeichen der anhaltenden Pandemie planen?

Ich plane auch die nächste Spielzeit in allen Sparten mit doppeltem Boden. Die ersten Produktionen werden wir Corona-tauglich unter den aktuell gültigen Auflagen konzipieren.

Rund um die Sommerfestspiele im Hofgarten

Geplante Dauer 29. Mai bis 25. Juli, das genaue Platzangebot richtet sich nach den behördlichen Auflagen.