Kurze Geschichten über die Alten
Autor: Dr. Carolin Herrmann
Coburg, Donnerstag, 19. März 2015
Die Coburgerin Heidi Fischer macht mit Geschichten übers Altwerden und Altsein auf sich aufmerksam. Nächste Woche stellt sie ihr neues Buch in der Stadtbücherei vor.
Nein, es sind (meist) keine Mörder, keine an Geist und Seele abartig gewordene Kreaturen, für die man immerhin Mitleid empfinden kann, in der beunruhigenden Frage, wie wir wohl selbst werden, wenn wir alt sind. Solche besonderen Fälle schaffen es ja durchaus öfters, ins Zentrum eines Romanes, eines Krimis.
Die alt gewordenen Menschen, die im Mittelpunkt von Heidi Fischers Kurzgeschichten stehen, blicken zurück auf ganz normale Lebensläufe, alltägliche Leben mit freudigen und schmerzhaften Seiten. Die Coburger Autorin aber schafft es in ihrem eben veröffentlichten neuen Buch "Wer später stirbt, ist länger alt", dass wir für Momente den Atem anhalten, wenn wir wie durch ein beleuchtetes Fenster von außen in die alten Lebenshäuser dieser Frauen und Männer schauen.
"Anna legt für eine Weile ihr Buch aus der Hand und schaut den Bäumen beim Grünen zu". Was soll spektakulär daran sein? Eben nichts. Aber wir haben mit Anna Gedichte gelesen von Hesse und Rilke. Und Heidi Fischer hat uns auf wenigen Seiten über uns selbst hinausblicken lassen, nicht zutiefst gerührt, nicht im dramatischen Akt, vielleicht ein bisschen amüsiert, wie in der kurzen Geschichte von Reinhold, der im Gedenken an seine Marga sein ehemals bestes Stück "noch einmal stehen sehen möchte". Was bedeutet Erinnerung? Wir begegnen dem Ehepaar, das mit der Alzheimer Krankheit des Mannes leben muss, oder einer Frau, die meint, ihren Ehemann als Reinkarnation wiedergefunden zu haben.
Heidi Fischer nimmt uns tatsächlich ein kleines bisschen heraus aus unserem hektischen Wahn, mit der Hoffnung auf versöhnte Ruhe, die - vielleicht - auch am Ende eines Lebens stehen könnte.
Oder die Geschichte der Nachbarinnen, Else und Gerda, die sich nie sonderlich nahe standen, aber über die Jahre in eine besondere Symbiose finden. Heidi Fischer hat das Talent, Charaktere in wenigen Worten bildhaft vor uns erstehen zu lassen. Sie erzählt und beschreibt auf eine direkte Art, die sich vor den Menschen und dem Leben verbeugt, fast bescheiden, nicht sich selbst kunstsinnig produzierend.
Beruhigende Gutenachtgeschichten hat Heidi Fischer damit nicht geschaffen. Die Mühsal des Alters, wie man es früher nannte, bleibt präsent. Fischer schreibt ihre Figuren auch nicht schön, es gibt mehr oder weniger gute und mehr oder weniger schlechte. Im Terror unseres gesellschaftlich allmächtigen Jugendlichkeitswahns, der den Alten allenfalls noch Achtung erweist, wenn sie "erstaunlich jung und fit" wirken, vermittelt die Coburger Autorin aber liebevollen Respekt, Ehrfurcht vor dem Menschsein an sich, das am Ende so aussehen könnte, wie es Heidi Fischer in ihren wehmütigen Kurzgeschichten erfasst.
Wer ist Heidi Fischer?
Die gebürtige Coburgerin ist Mutter dreier Töchter und war Fachlehrerin an einer privaten Förderschule, mittlerweile in Rente. Sie lebte zeitweise mit ihrer Familie in München, kehrte aber in die Vestestadt zurück.
Ein Neuling ist Heidi Fischer, was das Schreiben anbelangt, nicht. "Ich schreibe seit vielen Jahren Kurzgeschichten und Gedichte, feile schon jahrelang in der Vhs-Schreibwerkstatt an Texten", berichtet sie. 2009 war sie Mitbegründerin der Coburger Autorengruppe "Schreibsand", die derzeit aus den Mitgliedern Nicole Eick, Michael Dejosez, Renate Wunderer, Wolfgang Zimmer, Britta Solcher und eben Heidi Fischer besteht. "Wir treffen uns monatlich, diskutieren über Schreibstil und Inhalte und versuchen Unsagbares sagbar zu machen."
2008 hat Heidi Fischer ihr Buch "Du riechst noch immer so..." mit Texten rund um die Coburger Bratwurst veröffentlicht. 2014 kam ihr Roman "Laufmaschen im Strickstrumpf" im Kleinen Buch Verlag Karlsruhe heraus. Darin beschreibt sie humorvoll die Situation einer Frau, die ihre Schwiegereltern pflegt, von der Familie alleingelassen wird. Die Geschichte spielt in Coburg, könnte aber überall angesiedelt sein.
Pünktlich zur Leipziger Buchmesse, wo die Geschichtensammlung letzte Woche am Stand ihres Karlsruher Verlages bei einer abendlichen Lesung auch vorgestellt wurde, kam jetzt "Wer später stirbt, ist länger alt" heraus. Nächste Woche stellt Heidi Fischer sie bei einer Lesung in der Stadtbücherei auch den Coburgern vor.
später stirbt, ist länger alt. Kurzgeschichten. Der Kleine Buch Verlag Karlsruhe, 120 Seiten, 9,90 Euro.
Buchvorstellung
Lesung am Dienstag, 24. März, um 19 Uhr in der Stadtbücherei Coburg, Herrngasse 17. Eintritt frei.